FTI-Konferenz

„Investitionen in Forschung sind wichtiger als Investitionen in Kreisverkehre“

Claudia Plakolm, Martin Kocher, Leonore Gewessler und Martin Polaschek auf der FTI-Konferenz. © Florian Schrötter/BKA
Claudia Plakolm, Martin Kocher, Leonore Gewessler und Martin Polaschek auf der FTI-Konferenz. © Florian Schrötter/BKA
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„Investitionen in Forschung sind wichtiger als Investitionen in Kreisverkehre“: Bei der erstmals in der Wirtschaftskammer stattfindenden FTI-Konferenz (kurz für Forschung, Technologie und Innovation) ging es am Montag nachmittag in Wien vor allem um eines: Wie viel Geld wird Österreich der Forschung in der kommenden Legislaturperiode zur Verfügung stellen? „Ohne Forschung kann es keine Zukunft geben“, sagt WKO-Präsident und Gastgeber Harald Mahrer, der mit dem plakativen Kreisverkehr-Vergleich veranschaulichen wollte, wo künftig Prioritäten liegen sollten. Man solle das österreichische Forschungssystem mit „deutlich mehr Mitteln“ ausstatten und dabei über Tellerrand und das eigene politische Mandat hinaus blicken.

Die FTI-Konferenz kommt in einer spannenden Phase. Die Parteien haben bereits voll auf Wahlkampf geschaltet. Über allem schwebt die Möglichkeit, dass man im Herbst möglicherweise mit einer Partei verhandeln wird müssen, deren Wähler:innen als besonders wissenschaftsskeptisch gelten und deren Parteichef Kickl schon mal das Pferde-Entwurmungsmittel Ivermectin gegen COVID empfahl. Zudem sind im Europavergleich große Teile der österreichischen Bevölkerung skeptisch gegenüber der Wissenschaft, 38 Prozent vertrauen lieber auf den Hausverstand (mehr dazu hier).

Aber zurück zum Thema Forschung selbst. Deren Finanzierung muss verbessert werden, fragt sich nur: Um wie viel Geld geht es da? Wissenschaftsminister Martin Polaschek nannte konkret 16 Milliarden Euro für die universitäre Grundlagenforschung – unter der Voraussetzung, dass Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten dafür sorgen, dass mehr Forschungsergebnisse aus dem Elfenbeinturm auf den Markt kommen, etwa in Form von akademischen Spin-offs. „Wir müssen den Steuerzahler:innen zeigen, was mit diesen Geldern passiert ist“, so Polaschek.

Forschungsquote auf 4% des BIP steigern

Leonore Gewessler, als Ministerin auch für Innovation und Technologie zuständig, nannte 300 Mio. Euro mehr, die es bei kumulierter Inflation von etwa 15 Prozent über die nächste Legislaturperiode bräuchte, um das aktuelle Niveau zu halten. Sie plädierte für eine stärkere Mittelausstattung: „Wir werden uns der Input-Seite intensiv widmen müssen.“ Die F&E-Aufwendungen Österreichs liegen bei 3,22 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts (BIP), 2023 wurden etwa 5,1 Mrd. Euro von der öffentlichen Hand dafür ausgegeben.

Was könnte eine Steigerung der Forschungsquote in Zahlen bedeuten? Henrietta Egerth-Stadlhuber, Geschäftsführerin der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), sprach von stagnierenden F&E-Ausgaben seit 2019 und forderte vier Prozent vom BIP bis 2030 für die Forschung ein. Das wären nach heutigem Stand etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr. Sie wie auch Bernhard Sagmeister, Geschäftsführer der Austria Wirtschaftsservice (aws), sagten, dass es deutlich mehr förderbare Projekte zu ihren Förderorganisationen kämen, als finanziert werden könnten.

Wichtig bei all dem ist, dass es die Forschung künftig besser schafft, ihre Errungenschaften auf die Straße zu bringen. Christoph Huber, Mitgründer des COVID-Impfstoffherstellers BioNTech und Europas wohl legendärstes universitäres Spin-off, ortete in Österreich „mehr künftige BioNTechs als in vielen anderen europäischen Staaten“. Das  beste Investment der öffentlichen Hand seiner Meinung nach sei jenes in Forschungs-Cluster. „Voraussetzung ist kritische Masse, und hier sind diese Voraussetzungen gegeben“, so Huber.

BioNTech hat durch den Erfolg des COVID-Imfpstoffs zeitweise fast ein Fünftel zum deutschen Wirtschaftswachstum beigetragen. Zuletzt hat der dänische Pharmakonzern Novo Nordisk mit seinen Abnehmspritzen das dänische BIP fast im Alleingang wachsen lassen. Solche internationalen Vorbilder wünscht man sich auch in Österreich.

Wie viele Spin-offs gibt es in Österreich, und wie werden sie gezählt?

Innovativer Mindset in die USA abgewandert

Woran es aus Hubers Sicht in Europa und damit auch Österreich vor allem mangelt, sei der Mindset. „Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen Europa und den Vereinigten Staaten: Die sind nicht risikoavers, Europäer sind risikoavers.“ Er hätte da auch eine Theorie dazu, warum das so sei: Vor 500 Jahren seien die Risiko-affinen Europäer:innen in Boote gestiegen und ins Ungewisse über den großen Teich gefahren, „bei uns sind die geblieben, die den Staat geliebt haben.“ Europa hätte viel Innovation in die Welt gebracht, nur leider würde deren Wertschöpfung halt anderswo stattfinden. Auch seine eigene Firma sei davon nicht auszunehmen, BioNTech notierte an einer US-Börse. Am Alten Kontinent würde man sich selbst ausbremsen. “Europas soziales Gewissen kontrastiert die Ruchlosigkeit auf anderen Kontinenten.“

Was also tun? Der Schlüssel für Huber, Jahrgang 1944, sind „die Jungen“. „Der Beste Weg zur Glückseligkeit, um Ökosystem der Belastbarkeit zu schaffen, ist, den jungen Leute zu vertrauen, ihnen gute Rahmenbedingungen zu geben und die innovationskritische Haltung vieler Bevölkerungsteile durch Erziehung zu bekämpfen“, sagte der BioNTech-Mitgründer, der die COVID-Leugner:innen und Impfgegner:innen quasi unternehmerisch hautnah mitbekommen hat.

Ein Nachwuchsproblem neben dem altbekannten Mangel an Risikokapital in Österreich für Startups und Scale-ups ortete auch Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) . „Wir brauchen junge Leute“, so Kocher. In Indien etwa sei es für Unternehmen mittlerweile leichter, um junge Leute aus der Forschung zu bekommen – ein Grund, warum sich manche Unternehmen dann nicht in Österreich ansiedeln oder weggehen. Deswegen müsse man junge Leute besser in Sachen Forschung ausbilden. Auch Kocher hatte schließlich etwas zum Thema Kreisverkehre zu sagen: „Kreisverkehre und Teilchenbeschleuniger haben etwas gemeinsam, beide sind rund.“

Der Kreisverkehr steht archetypisch für oft notwendige, aber nicht weiter bemerkenswerte Infrastrukturinvestitionen der öffentlichen Hand, und hat in manchen Gemeinden so großen verwalterischen Zuspruch, dass so mancher Bürgermeister auch „Herr der Ringe“ von seinen Bürger:innen genannt wird. 2024 gab es übrigens bereits sechs Presseaussendungen zu Kreisverkehren in Österreich, mehrheitlich von der niederösterreichischen Landesregierung.

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