12-Stunden-Tag beschlossen: Das bedeuten die Änderungen für Jungunternehmen
Am Donnerstag ist der 12-Stunden-Tag im Parlament vom Nationalrat beschlossen worden. Nach einer langen Debatte mit mehr als 50 Wortmeldungen, passierte das neue Gesetz mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und Neos den Nationalrat – alle Änderungsanträge der Opposition wurden abgelehnt. Das Gesetz, mit dem die Höchstarbeitszeit auf maximal 60 Stunden pro Woche angehoben wird, tritt schon früher in Kraft als gedacht. War ursprünglich der 1. Jänner 2019 vorgesehen, kommt die Änderung des Arbeitszeitgesetzes jetzt schon mit 1. September 2018. Damit will die Regierung den angekündigten Protestaktionen der Gewerkschaften den Wind aus den Segeln nehmen – vor allem angesichts der Kollektivvertragsverhandlungen, die im Herbst starten.
Die Gesetzesänderung wurde von den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ als Initiativantrag eingebracht und, wie Kritiker betonen, mit nur kurzer Begutachtungsfrist, über die Bühne gebracht.
Wir haben uns angesehen, was die Änderungen im Detail und in der Praxis bedeuten:
Wie lange durfte bisher maximal gearbeitet werden?
Das Arbeitszeitgesetz sah in Österreich bisher eine Höchstarbeitszeit von 10 Stunden pro Tag und 50 Stunden pro Woche vor. In Ausnahmefällen war es auch schon jetzt möglich, die Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche auszudehnen. Bisher war dafür allerdings eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat oder eine Genehmigung durch einen Arbeitsmediziner notwendig, das ist jetzt nicht mehr nötig.
Wie lange wurde bisher tatsächlich gearbeitet?
Vollzeitbeschäftigte haben in Österreich laut Eurostat bisher durchschnittlich 41,4 Stunden pro Woche gearbeitet. Damit liegt Österreich im Vergleich mit anderen EU-Ländern im Spitzenfeld (Platz 3 hinter Großbritannien und Zypern). Laut Statistik Austria sind 2017 in Österreich 249,6 Millionen Überstunden angefallen. Etwa 20 Prozent der Arbeitnehmer machen regelmäßig Überstunden.
Unter welchen Voraussetzungen darf ab September 12 Stunden/60 Stunden gearbeitet werden?
Die Normalarbeitszeit bleibt mit 8 Stunden pro Tag und 40 Stunden pro Woche gleich. Die Arbeitszeit kann ab September ohne Vereinbarung mit dem Betriebsrat auf maximal 60 Stunden pro Woche ausgedehnt werden. Die 11. und 12. Stunde an einem Tag kann ein Arbeitnehmer ohne Angabe von Gründen ablehnen. Wer die 9. und 10. Stunde ablehnt, muss dafür wie bisher „berücksichtigungswürdige Interessen“ vorbringen – ob die vorgebrachten Argumente dem entsprechen, ist nicht genau geregelt und muss wohl erst vor Gericht entschieden werden.
Wer 60 Stunden arbeitet, muss zum Ausgleich freie Tage bekommen oder in anderen Wochen weniger arbeiten. Auch eine Abgeltung über Überstundenzuschläge ist möglich. Allerdings: In einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit nicht mehr als 48 Stunden betragen.
Neue Grauzone bei Kündigungen
Um zu verhindern, dass die Ablehnung der 11. und 12. Stunde durch den Arbeitnehmer früher oder später zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber führt, hat die Regierung einen eigen Passus eingeführt. Das neue Gesetz erlaubt es, eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung vor Gericht anzufechten, wenn eine 11. oder 12. Stunde abgelehnt wurde. In der Praxis könnte das dazu führen, dass Kündigungen leichter angefechtet werden können, indem Betroffene einfach behaupten, sie hätten Überstunden abgelehnt, meinte Neos-Abgeordneter Gerald Loacker in der Nationalrats-Debatte am Donnerstag.
Was bedeutet die neue Regelung für Gleitzeitmodelle?
Die weit verbreitete Gleitzeit sieht vor, dass sich Arbeitnehmer die Zeit, in der sie ihre Arbeit erledigen, frei einteilen können. Bisher konnte im Rahmen der Gleitzeit also zum Beispiel an einem Tag zehn Stunden gearbeitet werden, dafür am nächsten nur sechs Stunden. Die Gleitzeit wird mit dem neuen Gesetz auf maximal 12 Stunden täglich angehoben. Durch die Gleitzeitvereinbarung (Zeitausgleich 1:1) fallen die Überstundenzuschläge für die 11. und 12. Stunde weg.
Für wen in meinem Unternehmen gelten die neuen Regelungen?
Das Arbeitszeitgesetz galt schon bisher nicht für alle Arbeitnehmer. Das bisherige Gesetz schützt Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene nicht, also die Unternehmensleitung und die oberste Management-Ebene. Die Idee dahinter ist, dass Führungspersonal in einer Position ist, flexible Vereinbarungen zu verhandeln. Dieser Kreis wird mit dem neuen Gesetz jedoch stark ausgedehnt. Neben leitenden Angestellten, sind nun auch Arbeitnehmer von den Regelungen ausgenommen, „denen maßgebliche selbstständige Entscheidungsbefugnis“ übertragen wurde. Diese Formulierung lässt Interpretationsspielraum offen, könnte in der Praxis aber jeden Projektleiter treffen. Für diese Gruppen gibt es keine automatischen Überstundenzuschläge (mehr).