12-Stunden-Tag: So stehen österreichische Startups zur geplanten Flexibilisierung der Arbeitszeit
Beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung gehen derzeit die Wogen hoch: Der ÖGB hat 100.000 Menschen mobilisieren können, die in Wien am Wochenende demonstriert haben. Betriebsversammlungen bei ÖBB und Postbus brachten am Montag stundenlang Teile des öffentlichen Verkehrs zum Erliegen. Die Regierung will die Höchstarbeitszeit auf täglich 12 Stunden und wöchentlich 60 Stunden anheben, bis zur geplanten Beschlussfassung des Parlaments am Donnerstag wird es noch zu weiteren Protestmaßnahmen kommen. Auch der Ruf nach einer Volksabstimmung wird immer lauter.
Zwischen Team-Yoga und Selbstausbeutung
Bei Startups sind 12-Stunden-Schichten keine Seltenheit. Auch wenn gerne von 4-Tage-Wochen und 6-Stunden-Tagen geträumt wird und Team-Events mit Pizza, Bier und Yoga Freizeit vorgaukeln, sieht die Realität gerade bei ganz jungen Firmen oft anders aus. Die Selbstausbeutung in der Startup-Szene dürfe aber nicht Benchmark für generelle Arbeitszeitregelungen sein, findet Stephanie Cox, die aus der Startup-Welt zur Liste Pilz in die Politik gewechselt hat.
„Ruft falsches Bild in Köpfen hervor“
Bei Jungunternehmen selbst ist die Stimmung nicht so aufgeladen wie in der Regierungs-Opposition. Klaudia Bachinger leitet ein kleines Team, ihr Social-Impact-Startup Wisr wurde erst vergangenes Jahr gegründet. Die junge Gründerin gibt sich zurückhaltend: „Ich finde, dass die Bezeichnung ’12-Stunden-Tag‘ nicht optimal gewählt ist und ein falsches Bild in den Köpfen hervorruft – viele denken dabei sofort an Ausbeutung von ArbeitnehmerInnen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen“.
In Wahrheit seien die realen Arbeitsbedingungen aber von der Unternehmensführung abhängig und nicht von den gesetzlichen Rahmenbedingungen, so Bachinger weiter. Grundsätzlich stehe sie einer flexibleren Arbeitszeitgestaltung als Startup-Gründerin aber positiv gegenüber.
Wir sollten aufhören so zu tun, als wäre das Startup-Leben nur Konfettiregen und Tischfußball
Flexible Arbeitszeiten auf Vertrauensbasis
Fabio Tiani hat in der Startup-Szene ähnliche Erfahrungen gemacht: „Man muss mit wesentlich kleineren Teams besser sein als etablierte Player“, sagt der PR-Manager des mobilen Marktplatzes Shpock. Shpock hat die frühe Phase bereits hinter sich, das Startup hat vor bald drei Jahren einen Exit geschafft und mittlerweile mehr als 150 Mitarbeiter. 12-Stunden-Schichten gehören der Vergangenheit an.
„Ganz im Gegenteil: Wir haben erst vor wenigen Wochen einen Testlauf der sogenannten “Trust-based working hours” gestartet. Diese Lösung bedeutet mehr Flexibilität und gleichzeitig auch mehr Verantwortung für jedes Teammitglied“, sagt Tiani. Davon verspricht sich das Jungunternehmen eine Steigerung von Motivation und Performance.
Auch das Headhunting-Startup JobRocker steuert bereits auf die 100 Mitarbeiter zu und versucht Arbeitszeitmodelle zu finden, die für Mitarbeiter und Unternehmen gleichermaßen funktionieren. JobRocker-Gründer Günther Strenn: „Es ist durchaus bekannt, dass gerade in der Start-up Szene attraktive Gleitzeit-Modelle vereinbart werden und nicht immer die regulären 8h gearbeitet werden. Davon profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, da zum Beispiel bei JobRocker nicht die Leistung alleine sondern schlussendlich der Erfolg zählt. Natürlich muss die geleistete Mehrzeit dann auch entlohnt oder mit Zeit ausgeglichen werden“.
Raus aus der rechtlichen Grauzone
In Startups muss man nicht zwingend mehr Stunden arbeiten, findet Tiani. Aber man muss „agiler, cleverer und motivierter sein“, sagt der Manager. Die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen passen nicht mehr immer zu der Lebensrealität junger Firmen. „In Zeiten von Remote Teams & mobilem Arbeiten ist eine Arbeitszeitflexibilisierung längst überfällig. Viele Unternehmen müssen sich derzeit in rechtliche Grauzonen begeben, weil die Arbeitszeitgesetze aus einem anderen Zeitalter stammen“, sagt Markus Raunig, Chef des Think Tanks AustrianStartups.
„Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber brauchen mehr Freiraum, um ihren Arbeitstag effizienter und flexibler zu gestalten“. Raunig fürchtet jedoch, dass „unausgereifte Schnellschüsse“ bei der Gesetzesreform dem Thema schaden: „Ich hoffe wirklich, dass man eine sinnvolle Reform umsetzt, bei der alle Seiten eingebunden werden und die am Ende allen zu Gute kommt“.
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