1Komma5°: Scale-up soll hart gegen Betriebsrat vorgehen
Unternehmen und Zusammenschlüsse für die Arbeitnehmervertretung haben oft ein sehr gespanntes Verhältnis zueinander. Oft wollen Arbeitgeber:innen lieber verhindern, dass sich Arbeitnehmer:innen in großem Stil organisieren. Das scheint auch in der Startup-Szene vorzukommen. Laut einem Bericht aus dem CAPITAL Magazin hat das Management des Hamburger CleanTech-Unicorn 1Komma5° massiven Widerstand gegen die Bildung eines Betriebsrats geleistet. Das ging anscheinend sogar so weit, dass Teile eines Standorts aufgelöst werden.
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1Komma5°-Founder wollte persönlich Betriebsrat stoppen
1Komma5° präsentiert sich öffentlich gerne als nachhaltiger und verantwortungsbewusster Arbeitgeber. Doch die Bildung eines Betriebsrats, also einer Vertretung die Interessen der Beschäftigten im Betrieb, scheint das Management nicht zu goutieren. Im April hatten sich Mitarbeiter:innen am Standort Rosenheim zusammengetan, um so einen Betriebsrat zu gründen. Offenbar löste das in der Geschäftsführung Panik aus: Wenige Tage nach der Wahl des Wahlvorstands reiste Gründer Philipp Schröder persönlich an, um die Initiatoren von ihrem Vorhaben abzubringen.
Im Anschluss soll Schröder wohlgesonnenen Mitarbeiter:innen per Mail sogar nahegelegt haben, eine einstweilige Verfügung gegen die Wahl zu beantragen. Geholfen hat es nichts: Der Antrag scheiterte vor dem Landesarbeitsgericht München. Am Morgen der Betriebsratswahl kündigte Schröder dann im Mai überraschend an, den Standort Rosenheim mit Ausnahme von Vertrieb und Marketing aufzulösen. Auf Anfrage von Trending Topics heißt es von dem Unicorn: „Gerüchte über eine Standortschließung in Rosenheim sind schlichtweg falsch.“ Allerdings gehen die Berichte auch nicht von einer kompletten Schließung des Standortes aus, sondern eben nur von einzelnen Abteilungen.
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Management beklagt mangelnde „zwischenmenschlicher Standards“
In einer Mail an die rund 90 Beschäftigten begründete Schröder laut Bericht den Schritt mit der angeblich schlechten Entwicklung: „Insgesamt müssen wir uns eingestehen, dass wir an diesem Standort es nicht geschafft haben, die wirtschaftlichen und auch zwischenmenschlichen Standards zu schaffen und zu erhalten, die wir uns für eine vertrauensvolle und erfüllende, aber auch wirtschaftlich tragfähige Zukunft alle gewünscht haben.“
Die IG Metall vermutet hinter diesem Vorgehen eine Einschüchterungstaktik. „Wir gehen davon aus, dass 1Komma5° hier ein Signal senden möchte, um Mitarbeiter:innen von einer Betriebsratsgründung abzuschrecken“, sagt die Gewerkschafterin Bettina Thurl. Der Betriebsrat ist inzwischen trotzdem gewählt – und wird als Erstes um die Jobs der Kolleg:innen kämpfen müssen.
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„Gesetzliche Bedingungen werden beachtet“
„Mitarbeitende des Standortes haben die Wahl des Wahlvorstands gerichtlich überprüfen lassen. Hierbei kam es zu Streitigkeiten unter den Mitarbeitenden, die das Betriebsklima belastet haben.
1Komma5° übernimmt am Standort eine moderierende Rolle, um schnellstmöglich zu unserer Mission, Millionen Menschen klimaneutrales Leben zugänglich zu machen, zurückzukehren.
Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass am Standort Rosenheim selbstverständlich die gesetzlichen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes beachtet werden“, heißt es von dem Scale-up zu der aktuellen Lage.
Ob und wie viele Mitarbeiter:innen in Rosenheim gekündigt, wurden, wie der Status des Betriebsrat aussieht und warum es Streitigkeiten zwischen Mitarbeiter:innen gab, hat 1Komma5° zum Zeitpunkt der Veröffentlichung am Freitag noch nicht beantwortet.