4-Tage-Woche wird zur politischen Streitfrage
Die 4-Tage-Woche hat zuletzt nicht nur Einzug beim oberösterreichischen Scale-up Tractive gehalten, sondern auch in der österreichischen Politik. Während es in anderen Ländern wie Großbritannien bereits konkrete Tests gibt, läuft in Österreich noch eine Grundsatzdebatte. „Während andere Länder längst zeitgemäße Arbeitszeitmodelle testen, herrscht bei uns noch eine Arbeitszeitkultur wie im letzten Jahrhundert. Es ist höchst an der Zeit, endlich die Umsetzung einer freiwilligen, staatlich geförderten Vier-Tage-Woche zu forcieren und mit Pilotprojekten zu starten“, forderte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch.
Die 4-Tage-Woche kann man „echt“ oder „falsch“ umsetzen. Tractive etwa verkürzt die Arbeitszeit der Mitarbeiter:innen von 38,5 auf 35 Stunden pro Woche, damit sich die Angelegenheit mit maximal zehn Arbeitsstunden pro Tag ausgeht. Die Wirtschaftskammer hat sich bereits 2020 gegen die 4-Tage-Woche gestellt (Trending Topics berichtete) – man fürchte einen Verlust an Wertschöpfung und Wirtschaftsleistung.
„Waren am Anfang sehr skeptisch“: Die 4-Tage-Woche von Tractive im Detail
Berechnung der tatsächlichen Arbeitszeit
Nun folgt der Wirtschaftsbund und kontert: „In einer Phase eines akuten Arbeitskräftemangels die Einführung einer 4-Tage-Woche zu fordern, zeugt von mangelnden Wirtschaftsverständnis seitens Pamela Rendi-Wagner“, so WB-Generalsekretär und ÖVP-Nationalratsabgeordneter Kurt Egger. Es gebe 280.000 offene Stellen, und die Betriebe würden um Fachkräfte kämpfen – sie bräuchten da nicht zusätzlich eine Arbeitszeitverkürzung. Laut Eurostat-Statistik würde Österreich ohnehin bei tatsächlichen Arbeitszeit unter dem EU-Schnitt liegen. Laut Eurostat liegt die durchschnittliche Arbeitszeit in Österreich bei 32,7 Stunden pro Woche (inklusive Teilzeit). Rechnet man Teilzeit heraus, sind es für die Vollzeitbeschäftigten 37,5 Stunden (EU-Schnitt: 35,2 Stunden bzw. 38,4 Stunden).
Die SPÖ hingegen beruft sich auf eine Studie des ÖGB, wonach Österreich EU-weit mit durchschnittlich 42,1 Stunden Arbeitszeit pro Woche am zweiten Platz mit den längsten Arbeitszeiten liege – und das rechtfertige durchaus eine Verkürzung der Arbeitszeit um 20 Prozent (auch 30 bzw. 32 Stunden/Woche). Finanziert werden soll das so: Ein Drittel der Kosten wird vom Betrieb übernommen und ein Drittel vom AMS, und die Arbeitnehmer:innen verzichten auf 6,6 Prozent des Bruttolohns. Die ÖGB-Studie berücksichtigt allerdings nicht Urlaube und Feiertage, was im Schnitt zu höheren Zahlen führt.
Umsetzung bereits möglich
Die Wirtschaftskammer positioniert sich mittlerweile eher neutral zum Thema. Die Vier-Tage-Woche sei im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen sowieso schon umsetzbar. Das Beispiel Tractive und andere zeigen es vor. „Ob eine Vier-Tage-Woche den Bedürfnissen der Betriebe und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entspricht, können diese nur individuell entscheiden und nicht die Politik. Schließlich erwarten sich die Kundinnen und Kunden auch an Freitagen und Samstagen, Services zu erhalten“, so Rolf Gleißner, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit in der WKÖ.
Bei Tractive ging die Initiative von den Mitarbeiter:innen aus – letztlich stimmten Management und Investoren zu. Innerhalb der nur mehr 35 Stunden wird versucht, die Produktivität zu halten, etwa durch kürzere Meetings und effektiveren Einsatz verschiedener Tools. Tractive-Gründer Michael Hurnaus: „Es soll aber nicht so sein, dass wir dann zehn Prozent mehr Arbeitskräfte brauchen, weil das würde am Ziel vorbeischießen.“