5G-Ausbau: Wer hat Angst vor Huawei?
„Da drin hat unser CFO gearbeitet. Naja, jetzt ist sie in Kanada.“ Da drin, dass ist der Bürositz der Finanzabteilung von Huawei, und sie, das ist Meng Wanzhou, die Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei und CFO von Huawei. Der mittlerweile größte Mobilfunkausrüster der Welt und Nummer zwei bei Smartphones hinter Samsung und vor Apple, hat sich plötzlich im Handelsstreit zwischen China und den USA zwischen den Fronten wieder gefunden – mit dramatischen Auswirkungen.
Wanzhou ist in Kanada auf Verlangen der USA wegen angeblicher Verstöße gegen die Iran-Sanktionen festgenommen worden, Huawei kann in den USA, Australien und möglicherweise auch Japan nicht am Ausbau der neuen 5G-Netze teilnehmen. Der Vorwurf: Huawei würde für das chinesische Regime Backdoors in die kritische Netzinfrastruktur zur Spionage einbauen können – jene Infrastruktur, die mit 5G nicht nur das Internet an sich flotter machen, sondern auch ganze Fabriken, autonome Fahrzeuge, Drohnen und VR-Brillen vernetzen soll (mehr dazu hier).
Die Wogen gehen hoch
Der chinesische Konzern mit einem Umsatz von mehr als 100 Milliarden Dollar 2018 und 180.000 Mitarbeitern muss reagieren und weist die Spionage-Vorwürfe aufs Schärfste zurück. China wiederum droht Australien mit möglichen Konsequenzen für seine Rohstoffexporteure wegen der Diskriminierung von Huawei. Australien würde als Mitglied der Geheimdienstallianz „Five Eyes“ (USA, Australien, Großbritannien, Neuseeland, Kanada) auf Kommando der USA handeln und hätte deswegen dem Telekomunternehmen Spark untersagt, mit Huawei im 5G-Bereich zu arbeiten.
“2019 werden wir unter Druck stehen”, gesteht Ken Hu, aktueller Vorstandsvorsitzender von Huawei, im Rahmen des „Huawei Analyst Summit“ in der Heimatstadt Shenzhen nahe Hongkong ein. Damit das enorme Wachstum von Huawei weitergehen kann, muss die Firma beim neuen Mobilfunkstandard 5G (kürzlich in Österreich gestartet, Trending Topics berichtete) ganz vorne mitmischen. Die Technologie dafür haben die Chinesen, keine andere Firma hat so viel Patente für 5G, niemand anderes investiert so viel in die 5G-Entwicklung. Doch eines fehlt Huawei derzeit: Vertrauen.
Die Connection zur Kommunistischen Partei
1987 von einem ehemaligen Mitglied der chinesischen Volksbefreiungsarmee und aktuellem Mitglied der kommunistischen Partei gegründet, wird Huawei immer wieder vorgeworfen, auf Geheiß der chinesischen Führung zu agieren. Dass es bei Huawei tatsächlich direkte Verbindungen zur kommunistischen Partei gibt, ist kein Geheimnis. Die Partei funktioniert innerhalb von Huawei und anderen Firmen als eine Art Gewerkschaft und vertritt die Belegschaft gegenüber der Firmenleitung, heißt es. Doch das habe keinen Einfluss auf Technologie und wirtschaftliche Entscheidungen.
5G-Netze könnten heikle Daten in die Diktatur absaugen, lautet der immer wiederkehrende Vorwurf gegen Huawei. So werden auch zwei Gesetze interpretiert, die 2017 („National Intelligence Law“) und 2014 („Counter-Espionage Law“) in China erlassen wurden. Huawei hätte gar keine Wahl, als der chinesischen Regierung zu helfen. Stimmt nicht, sagt Huawei-Gründer Ren Zhengfei. Er würde lieber sein Unternehmen schließen, als einer Regierung beim Spionieren zu helfen.
Ob Zhengfei wirklich Huawei abdrehen würde, ist fraglich. Einfach die Jobs von 180.000 Angestellten, die dank Mitarbeiterbeteiligungsprogramm Aktien des Unternehmens halten, auf die Straße setzen? Kaum denkbar – auch weil Zhengfei nur 1,4 Prozent der Anteile hält, der Rest verteilt sich auf die Mitarbeiter.
Rennen um den Markt Europa
Und so ist Huawei darauf bedacht, den Schaden zu begrenzen. Immerhin 40 Verträge mit Unternehmen hat die chinesische Firma bereits für den Bau von 5G-Netzen geschlossen, mehr als 70.000 Basisstationen wurden dieses Jahr bereits ausgeliefert – darunter finden sich auch 23 europäische Länder. Welche Länder das sind, wird nicht verraten. In China selbst hat Huawei mit hiesigen Mobilfunkern noch keine Verträge. Parallel dazu wurde die Public-Relations-Maschine angeworfen, Journalisten aus der ganzen Welt nach Shenzhen eingeladen (u.a. auch Trending Topics).
Der 5G-Markt soll in den nächsten drei Jahren bis 2022 auf 500 Millionen Nutzer wachsen (4G brauchte dafür 5 Jahre). Bis 2025 soll es 6,5 Millionen 5G-Basisstationen weltweit geben. Diesen Markt will und kann sich Huawei nicht entgehen lassen.
Weil Europa ein wichtiger Markt ist, hat Huawei in Brüssel ein eigenes Transparenz-Zentrum für Cyber-Sicherheit eröffnet – dort will können sich potenzielle Kunden bzw. deren Fachleute den Source Code ansehen und sollen sich dort selbst vergewissern, dass keine Hintertüren eingebaut wurden. Zwei Milliarden Dollar wollen die Chinesen für Cybersecurity ausgeben. All das soll Bedenken gegen Huawei-Technologie zerstreuen. Das trägt bereits Früchte. In Deutschland hat der Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, hat bereits gesagt, dass es keine Gründe gibt, Huawei vom 5G-Ausbau auszuschließen.
An Standards messen, nicht an Gefühlen
Die USA haben derweil den Vorstoß Deutschlands, hohe Sicherheitsstandards für alle Netzwerkausstatter zu definieren, begrüßt. Vorher drohte man noch, Deutschland von Geheimdienstinformationen auszuschließen, wenn Huawei weiter erlaubt werden würde. In Deutschland sitzt auch das größte Telekom-Unternehmen Europas, die Deutsche Telekom. Sie ist einer der wichtigsten Partner Huaweis. Würde man die Marktführer bannen, der 5G-Ausbau in Europa würde sich um mindestens zwei Jahre verzögern.
“Wenn eine Sache politisiert wird, dann geht es nicht mehr um Fakten, sondern um Gefühle“, sagt Huawei-Chairman Ken Hu. Und so bleibt abzuwarten, ob Huawei die deutschen Sicherheitsvorschriften erfüllen kann und ob auch andere Länder diese Standards übernehmen. Auch die Mitbewerber Nokia, Ericsson, ZTE oder Cisco werden sich dann testen lassen müssen. Die EU-Kommission hat ihren Mitgliedstaaten vorgeschlagen, nicht grundsätzlich auf 5G-Ausrüstung von Huawei zu verzichten.
Warten heißt es derweil auch für die Huawei-Mitarbeiter in Shenzhen. Und zwar auf die erhoffte Rückkehr von Meng Wanzhou aus der kanadischen Haft. „Lighthouse ist waiting for the late boat“ haben die Angestellten auf die Kaffeebecher gedruckt. „Late boat“ heißt auf Chinesisch „Wanzhou“.
Die Reise nach Shenzhen in China wurde von Huawei bezahlt. Vielen Dank für die Einladung!