Wir haben Deutsche Telekom-Chef Timotheus Höttges gefragt, ob 5G auch Nachteile hat
Zwischen verstörenden Ereignissen wie in Chemnitz, dem Handelskrieg zwischen den USA und China und einer „aggressiven Nostalgie“ vielerorts sieht sich auch Timotheus Höttges zum Handeln aufgefordert. Höttges ist als Vorstandsvorsitzender der Deutsche Telekom AG einer der wichtigsten Manager Europas und damit oberster Chef von rund 200.000 Mitarbeitern in ganz Europa. Höttges wurde schon mal als „linkes Schandmaul“ beschimpft, und er hat sich gegen den Rechtsruck in Deutschland und gegen die AfD positioniert. Ein CEO mit politischer Haltung also.
“Wer nicht mitbekommt, was auf der Welt passiert, ist abgemeldet“, sagt Höttges am Netzetag in Berlin, der seinem Unternehmen als Auftakt zu einer groß angelegten Kampagne unter dem Hashtag #Dabei dient. Das Ziel: die Menschen auf den kommenden Mobilfunkstandard 5G einstimmen, der alles mit jedem vernetzen kann.
Milliarden für den Ausbau
5G, also die nächste Mobilfunkgeneration nach LTE, gilt der Industrie als der Datenturbo, der autonome Fahrzeuge, vernetzte Fabriken, selbstfliegende Drohnen oder Smart Cities ermöglicht. Eine Datenübertragungen von bis zu 10 Gbit/s – bei Latenzzeiten von nur 3 Millisekunden – sollen möglich werden. 5,5 Milliarden Euro pro Jahr werden alleine in Deutschland in den Ausbau von Glasfaser und 5G investiert. Bis 2025 sollen 90 Prozent der Fläche Deutschlands und 99 Prozent der Bevölkerung mit 5G versorgt sein – auch in Österreich soll eine ähnliche Versorgung kommen.
In Berlin hat Trending Topics die seltene Gelegenheit genutzt, um mit Höttges persönlich über die Vorteile und möglichen Nachteile von 5G zu sprechen. Das Video dazu findet ihr oben – oder ihr lest einfach hier weiter.
Was bringt der neue Standard denn?
Gerade erst haben sich Konsumenten an 4G/LTE am Smartphone gewöhnt, nun kommt die Industrie bereits mit der nächsten Version. Warum schon wieder ein neuer Standard? „Wir brauchen heute überall hohe Bandbreiten, aber wir brauchen zusätzlich auch sehr schnelle Reaktionszeiten im Netz – wir nennen das Latenzen – und was wir auch brauchen viel Bandbreiten für die Daten, die im Privaten wie im Geschäftlichen übermittelt werden. Das bringt dieser neue Standard“, sagt Höttges zu Trending Topics. Vorteil sei, dass 5G auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten werden kann. „Ein autonomes Fahrzeug braucht etwas anderes als eine Industrieanlage oder eine Stadt, die komplett vernetzt ist. Und dieses Netz kann all diese unterschiedlichen Qualitäten sehr leistungsfähig abbilden.“
In Deutschland sieht sich die Deutsche Telekom als Vorreiter am Markt, und auch in Österreich sind die Ziele groß. „Österreich ist ein wichtiger Markt für uns wir haben gerade die UPC gekauft. Unser Anspruch ist, in Österreich die Nummer eins zu werden“, sagt Höttges. Nicht vergessen sollte man, dass die Mutter von T-Mobile Austria ordentlich verschuldet ist, und zwar laut Höttges mit satten 51 Milliarden Euro. Die USA-Tochter sei derzeit jener Markt, der durch starkes Wachstum am meisten zum Abbau dieser Schulden beitrage.
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Wer wird 5G verwenden?
5G soll in Österreich ab 2020 in allen Landeshauptstädten verfügbar sein. Welche Produkte damit kombiniert werden, bleibt erst einmal abzuwarten. Denn das weiß auch Höttges nicht so genau. „Ich habe mit vielen Vorständen geredet. Aber wir müssen mit den Leuten reden, die diese Produkte entwickeln. Dieses Netz wird Produktbestandteil werden. Ein Auto, das immer vernetzt sein muss, eine Maschine, deren Sensor immer abgelesen werden muss, die werden Bestandteil dieser Wertschöpfung sein“, sagt der Deutsche-Telekom-Chef. „Und deswegen werden wir eine öffentliche Anwender-Konferenz haben, wo wir mit der chemischen Industrie, mit der Automobilindustrie, mit den Städten diskutieren, welche Spezifika sie im Netz brauchen.“
Im Hubraum, dem Tech-Inkubator der Deutsche Telekom für Startups in Berlin, gibt es übrigens bereits eine funktionierende 5G-Antenne. Jungfirmen im Inkubator können dort bereits 5G ausprobieren, um Produkte und Dienstleistungen zu bauen. Es sind also nicht nur Großunternehmen, die den neuen Standard einsetzen werden, sondern auch Startups.
Gibt es auch Nachteile?
In Deutschland betreibt die Deutsche Telekom rund 27.000 Antennenstandorte, 22.000 davon sind bereits per Glasfaseranbindung „ready“ für 5G. Doch für die flächendeckende Versorgung reicht das nicht, deswegen sollen pro Jahr 2.000 neue Mobilfunkstandorte dazukommen. In Österreich wird bereits davon gesprochen, dass auf „jedem zweiten Gebäude“ neue Antennen errichtet werden. Kein Wunder also, dass sich gegen den Aufbau solcher neuen Masten manche Gemeinden und Bürger wehren wollen.
„Das ist natürlich eine Diskussion, die wir haben. Ich bin übrigens auch jemand, der nicht in jedem Wald Mobilfunk-Antennen braucht. Wir werden deswegen diese ländlichen Antennen unserem Wettbewerb zur Verfügung stellen. Jeder Wettbewerber kann sie mieten, dadurch reduzieren wir die Anzahl“, so Höttges. Dort können Mitbewerber ihre Antennen aufhängen, müssen aber keine zusätzlichen Masten aufstellen. „aber wir müssen auch sehen: Wer versorgt sein will, muss eine Antenne haben.“ Der Anspruch der Deutsche Telekom sei, den Ausbau so naturschonend und versteckt wie möglich zu machen.
Neben der „Mastenwald“-Diskussion gibt es im Netz mittlerweile auch zahlreiche – oft eher unseriös wirkende – Artikel, die vor der Strahlung von 5G warnen. Ist 5G ein Gesundheitsrisiko? „Niemand muss sich fürchten. Es gibt viele Studien, auch von der OECD, die nachweisen, dass es keinerlei Strahlungsrisiko aus dem Mobilfunk heraus gibt. Das wird sich auch mit den neuen Standards nicht ändern“, sagt Höttges. „Auch für Gesundheitsanwendungen brauchen wir diese Infrastruktur. Die Technologie wird den Menschen mehr helfen, als dass sie schaden kann.“
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Worauf sich Höttges persönlich freut
Bei der Netzetag-Veranstaltung hat der Chef der Deutsche Telekom schließlich auch am Computer ein RPG-Online-Game mit professionellen Gamern gespielt. Das allerdings nur zu Demozwecken, um zu zeigen, dass die Latenzzeit von schnellem Internet wichtig für Zocker ist. Er freut sich bei 5G über eine einfachere Sache. „Ich bin kein Gamer. Worauf ich mich freue: keine Funklöcher mehr, immer und überall Datenzugang zu haben, wenn ich ihn brauche. Auch wenn ich im ländlichen Raum durchaus mal abschalten will.“
Die Reise- und Übernachtungskosten nach Berlin hat T-Mobile Austria übernommen. Vielen Dank dafür!