AI-Roboter: „Menschenfreie Zonen“ in Fabriken, „Feuer“ für die Sozialsysteme

Tesla, Figure AI, OpenAI und Co: Eine ganze Reihe an Unternehmen arbeitet emsig daran, humanoide Roboter auf den Markt bzw. in die Farbiken zu bringen. Die nächste Generation humanoider Roboter mit fortschrittlicher KI-Technologie steht kurz davor, die industrielle Fertigung grundlegend zu verändern. Dies prognostiziert Harald Müller, Geschäftsführer der Bonner Wirtschafts-Akademie (BWA) in einer aktuellen Analyse.
Die neuen Systeme könnten bereits ab 2026 in großem Umfang eingesetzt werden und damit bestehende Automatisierungskonzepte deutlich übertreffen. “Wir reden von Humanoiden, die alles können, was ein Industriearbeiter kann, aber viel schwerere Lasten heben, viel schneller und dennoch präziser arbeiten, viel flexibler einsetzbar sind und keine Lohnforderungen stellen”, erklärt Müller den qualitativen Unterschied zur bisherigen Robotertechnologie.
Hohe Flexibilität und autonomes Handeln
Im Gegensatz zu herkömmlichen Industrierobotern, die für spezifische, repetitive Aufgaben programmiert werden müssen, zeichnen sich die neuen KI-Systeme durch hohe Flexibilität und autonomes Handeln aus. Müller erläutert den entscheidenden Vorteil: “Die neuen KI-Roboter sind flexibel und autonom. Sie können durch Maschinelles Lernen binnen Sekunden jede neue Tätigkeit erlernen und sofort ausführen.”
Diese Vielseitigkeit ermöglicht völlig neue Einsatzszenarien: “Derselbe Roboter, der Maschinenteile von den Lastwagen entlädt, verarbeitet sie auch, montiert sie zusammen, holt die Verpackungen aus dem Lager, verpackt die fertige Ware, verlädt sie zur Auslieferung an die Kundschaft und fegt am Ende der Schicht die Halle”, so der BWA-Chef.
Weitreichende wirtschaftliche Folgen
Laut einer von Müller zitierten Studie der Beratungsgesellschaft Horváth könnten humanoide Roboter bis 2030 mehr als 50 Prozent der manuellen Tätigkeiten in der Fertigung übernehmen. Besonders in den Bereichen Logistik, Montage und Materialhandling sei ein schneller Einsatz wahrscheinlich.
Die Wirtschafts-Akademie rechnet damit, dass in den kommenden fünf Jahren bis zu 50 Prozent der Fertigungsflächen zu “menschenfreien Zonen” werden könnten, in denen Roboter mit mehrfacher Geschwindigkeit arbeiten. “Wenn die Hälfte der Produktion mit doppelter oder gar vierfacher Geschwindigkeit läuft, befinden wir uns in einer völlig veränderten industriellen Arbeitswelt”, betont Müller.
Neue Geschäftsmodelle und Herausforderungen
Für die Verbreitung der Technologie erwartet Müller vor allem Leasingmodelle, vergleichbar mit heutigen Firmenfahrzeugen. Gleichzeitig prognostiziert er eine rasche Leistungssteigerung bei sinkendem Preisniveau: “Man erhält jedes Jahr ein um mindestens 20 Prozent leistungsfähigeres Smartphone zum Preis des Vorjahresmodells. Das werden wir künftig sehr ähnlich auch bei KI-Robotern erleben.”
Diese Entwicklung könnte nicht nur etablierten Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnen, sondern auch die Markteintrittsbarrieren für neue Wettbewerber senken. “Ein paar kluge Köpfe, die KI-Programmierung beherrschen, können mit einer kleinen Humanoiden-Truppe und einer großartigen neuen Geschäftsidee althergebrachte Industriefertiger ins Schwitzen bringen”, so Müller.
Handlungsbedarf für Politik und Gesellschaft
Angesichts dieser Entwicklung fordert der BWA-Geschäftsführer ein zügiges Handeln von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften. Einerseits könnten die Systeme helfen, den Fachkräftemangel zu bewältigen, andererseits stellen sie bestehende Sozialsysteme vor grundlegende Herausforderungen.
“Alle unsere Sozialsysteme sind auf dem Prinzip einer arbeitenden Bevölkerung aufgebaut, die all dies mit einem Teil ihres Arbeitseinkommens finanziert. Wenn Humanoide in immer größerem Stil die Wertschöpfung übernehmen, stehen sämtliche heute ohnehin schon wackeligen Sozialsysteme im Feuer”, warnt Müller und bringt Konzepte wie eine Maschinensteuer oder KI-Abgabe ins Gespräch.
Mit Blick auf Europas Position im internationalen Wettbewerb mahnt er zur Eile: “Wir müssen alles daransetzen, auf dem Gebiet der humanoiden KI-Roboter nicht wieder den Anschluss zu verpassen, weil dies den Kern unserer Industrie und damit den Herzschlag unseres Wohlstandes treffen würde.”