AI wird SaaS-Startups, wie wir sie bisher kannten, auf den Kopf stellen
Es war schon eine Aufsehen erregende Aussage. Vor etwa einem Monat hat der Klarna-Gründer und CEO Sebastian Siemiatkowski aufhorchen lassen, als er verkündete, dass sein schwedisches Fintech auf die CRM-Cloud von Salesforce und künftig auch noch auf Workday, einen Cloud-Anbieter für Rechnungswesen, Personalverwaltung und Unternehmensplanung verzichten würde.
„Wir haben eine Reihe großer interner Initiativen, die KI, Standardisierung und Vereinfachung kombinieren und es uns ermöglichen, mehrere Software-as-a-Service-Anbieter abzuschalten“, hieß es seitens des Unternehmens. Man würde LLMs – Klarna ist einer der großen Partner von OpenAI – dazu einsetzen, um die Funktionen von Cloud-Software abzubilden – und könne dabei Ausgaben für Services sparen und stattdessen mittelfristig die Gehälter der Mitarbeiter:innen erhöhen.
Dass diese Aussagen seitens Klarna strategisch motiviert sind, ist klar – schließlich will sich das schwedische Fintech möglichst schlank und effizient in Hinblick auf einen IPO aufstellen. Klar ist aber auch, dass Software-as-a-Service-Anbieter (SaaS) durchaus in Verlegenheit kommen, wenn OpenAI, Google, Anthropic und Co immer neue Features rund um ihre KI-Modelle bauen. Können sie weiter am Markt bestehen und relevant für Kunden bleiben, wenn ähnliche Features auch durch AI abbildbar und automatisierbar sind?
Dieser Trend betrifft natürlich auch Startups, die sehr oft mit SaaS-Geschäftsmodellen am Markt auf der Jagd nach B2B-Kunden sind. Viele fragen sich nun, was OpenAI wohl mit den frischen mehr als zehn Milliarden Dollar an Finanzierung (Eigenkapital plus Fremdkapital) wohl anstellen wird – und ob künftige neue Funktionen von ChatGPT und Co das Zeug haben, andere Startups obsolet zu machen. Außerdem ist es heute so günstig und einfach wie nie zuvor, neue Spftware zu entwerfen oder gar (teilweise) von Ai-Tools schreiben zu lassen. Ein neuer Mitbewerber könnte fähig sein, vergleichbare Services schneller und billiger anzubieten.
„Eintrittsbarrieren für neue Softwareunternehmen werden weiter sinken“
„Der Wettbewerb im Bereich der B2B-Software wird nur zunehmen. Die Eintrittsbarrieren für neue Softwareunternehmen sind nur gesunken und werden weiter sinken, wahrscheinlich sogar exponentiell“, meint etwa Frederik Hagenauer, der als Partner bei Speedinvest auf SaaS- und Infrastruktur-Investments spezialisiert ist.
Mittlerweile gibt es bereits mindestens 6 sehr junge Startups, die 200 Mio. Dollar Investment bekommen haben und AI-Modelle Code schreiben lassen. Wenn das flächendeckend eingesetzt wird und wirklich funktioniert, dann wird alleine das die Erstellung von Software sehr viel günstiger und einfacher machen als jemals zuvor:
Magic | $465M | > $1B | LTM-2 mini (own) | Eric Schmidt, Atlassian, CapitalG, Jane Street, Sequoia, Nat Friedman, Daniel Gross, Elad Gil | San Francisco |
Augment | $252M | $977M | tba. | Eric Schmidt, Index Ventures, Sutter Hill Ventures, Lightspeed Venture Partners, Innovation Endeavors, Meritech Capital | Palo Alto |
Codeium | $243M | $1,25B | Llama 3.1 (from Meta) | General Catalyst, Kleiner Perkins, Greenoaks Capital | Mountain View |
Repit | $222M | $1,16B | Replit Code 1.5 (3B) | Y Combinator, Andreessen Horowitz, Coatue, Craft Ventures, A.Capital Ventures | Menlo Park |
Cognition | $196M | $2B | Devin | Founders Fund, Patrick and John Collison, Elad Gil, Sarah Guo, Chris Re, Eric Glyman, Karim Atiyeh, Erik Bernhardsson, Tony Xu, Fred Ehrsam | San Francisco |
Poolside.ai | $626M | $3B | tba. | Xavier Niel, Felicis, Rodolphe Saadé, Motier Ventures, Bpifrance, NewWave Frst, Redpoint Ventures | Paris |
Anysphere | $69M | $400M | tba. | Andreessen Horowitz, Thrive Capital, Patrick Collison, OpenAI, Nat Friedman, Arash Ferdowsi | Buffalo |
Tabnine | $57M | tba. | Tabnine Universal + Tabnine Protected | Telstra Ventures, Atlassian, Khosla Ventures, TPY Capital, Hetz Ventures, Qualcomm Ventures, OurCrowd, Samsung NEXT Ventures, Headline Ventures | Tel Aviv |
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„Mittelfristig ist davon auszugehen, dass mehr LLMs aufsteigen werden, indem sie agentenbasierte Lösungen für konkrete Probleme anbieten und mehr und mehr vertikale Branchen direkt durchdringen. Hier gibt es verschiedene Schreckensszenarien – etwa OpenAI White-Label-GPTs ihrer leistungsstärksten Apps im GPT-Store, ein einziger KI-Ingenieur, der dein gesamtes Kernprodukt bei einem Unternehmenskunden einsetzt – Dinge, aus denen Albträume gemacht sind“, so Hagenauer.
Aber die Stärker von Gründer:innen und ihren Unternehmen sei, dass sie, anders als ein Chatbot, einen direkten Draht zur Kundschaft haben. „Die Realität ist, dass gute Unternehmen ihre Kunden kennen müssen. Mit allem Geld der Welt kann man sich kein umfassendes Verständnis für die Bedürfnisse seiner Kunden kaufen“, so Hagenauer weiter.
Die große Chance für SaaS
Wichtig aber sei jedenfalls, eine AI-Strategie zu haben, 2024 könne es sich niemand – und schon gar nicht SaaS-Unternehmen – erlauben, keine AI-Strategie zu haben. Vielmehr solle man sich überlegen, wie man LLMs nutzen kann. „Die meisten LLMs beschränken sich auf die (wenn auch manchmal drastische) Erweiterung oder Verbesserung eines sehr engen Schritts in einem bestehenden Arbeitsablauf“, schreibt Hagenauer. „Wie schon immer bei SaaS liegt die große Chance darin, das Leben der Benutzer 10-mal einfacher zu machen. Insofern ist es einfacher, sie dort abzuholen, wo sie bereits sind, als sie davon zu überzeugen, Dinge auf eine völlig neue Weise zu tun.“
Als B2B-Unternehmen würde man davon profitieren können, die neue Technologie zu absorbieren und dann „eine zuvor nicht adressierte Komfortschicht hinzuzufügen, um ein angenehmes Produkterlebnis zu schaffen“. Für Unternehmen, ob Corporate oder Startup, kommt dann aber ein neuer Kostenfaktor dazu, nämlich die API-Kosten bzw. Cloud-Kosten, um die LLMs von OpenAI anzudocken bzw. um LLMs selbst betreiben zu können. Das kann ermöglichen, die eigenen Kosten insgesamt zu senken und die eigenen Services günstiger anbieten zu können – möglicherweise ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Firmen.
Jedenfalls aber deutet vieles darauf hin, dass sehr viele Unternehmen (also auch SaaS-Firmen) Kunden von OpenAI und Co sind oder werden. Und das resultiert darin, dass OpenAI selbstbewusst prognostiziert, dass man 2029 (also in 5 Jahren) bei einem Jahresumsatz von mehr als 100 Mrd. Dollar landen werde – damit würde OpenAI zu den 100 größten Unternehmen der Welt nach Umsatz gehören. Für manche wird das bedeuten, dass man das Unternehmen füttert, das am Ende das eigene Unternehmen killen wird.