Alles öko? Die sieben Sünden des Greenwashing
Viele Unternehmen werben mit Nachhaltigkeitsversprechen, die genauerer Untersuchung nicht standhalten. Greenwashing ist zu einem weit verbreiteten Phänomen geworden.
Ausbeutung von Arbeitskräften, Massentierhaltung, Raubbau an Regenwäldern: Die negativen Begleiterscheinungen unseres Konsums sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Mit wachsendem Bewusstsein von Konsumenten und Investoren steigt der Druck auf Unternehmen, nachhaltige Produkte anzubieten.
Immer mehr Unternehmen und PR-Profis springen auf diesen Zug auf und bieten „grüne“ Lösungen an, die auf den ersten Blick umweltfreundlich, fair und ethisch korrekt erscheinen. Der zweite Blick zeigt jedoch häufig: Statt tatsächlich nachhaltig zu handeln, erhoffen sich manche Unternehmen durch Greenwashing einen größeren Gewinn.
Mit eigenen Abteilungen für CSR (Corporate Social Responsibility) zeigen sie die vermeintliche Bereitschaft, soziale und ökologische Ziele mit dem wirtschaftlichen Handeln in Einklang zu bringen. Die WKO definiert CSR als „ein Konzept, das Unternehmen eine Grundlage liefert, um auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Interessensgruppen zu integrieren.“ Die Zahl der PR-Methoden, die darauf abzielen, einem Unternehmen in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Image zu verleihen, steigen jedoch – zum Teil mit unlauteren Mitteln.
+++ Claus Lamm: Der Wiener Psychologe, der eine Klimaschutz-Diät empfiehlt +++
Dreiste Lügen und subtile Irreführung
Ein Getränkehersteller, der sich mit einer PR-trächtigen Sammelaktion von Plastikmüll brüstet, nachdem er von einer Umweltschutzorganisation als einer der größten Plastikverschmutzer entlarvt wurde (Coca Cola). Ein Moderiese, der sich mithilfe von Recycling ein nachhaltiges Image verschaffen möchte, das jedoch nur einen Bruchteil des Geschäftes ausmacht (H&M). Besonders die großen Konzerne investieren viel Zeit und Geld, um ihre Kunden zu täuschen.
„Es gibt keinen einzigen Konzern, der nachhaltig überzeugt“ sagt Filmemacher Werner Boote. Gemeinsam mit der Journalistin Kathrin Hartmann nahm er in der Doku „The Green Lie“ die Machenschaften von großen Unternehmen unter die Lupe und kam zu dem Schluss: „Wie umfangreich die Ökolügen der Industrie sind, zeigt sich schon dadurch, dass wir viele unterschiedliche Fälle in allen nur erdenklichen Branchen penibel recherchierten. Die Methoden und Vorgangsweisen der Konzerne waren immer dieselben.“
+++ Klimakrisen-Kolumne: Die vielen Probleme mit dem Shopping-Kick +++
Nachhaltige Billig-Mode?
Doch nicht immer ist Grünfärberei leicht zu entlarven, oft klingen die Botschaften der Unternehmen auf den ersten Blick vielversprechend. H&M etwa steckt viel Geld in seine Nachhaltigkeitskampagne und lockt Kunden etwa mit der Conscious-Kollektion. „Immer wieder findet man bei ‚Conscious‘ konventionelle Seide oder neues Polyester, was ist daran genau nachhaltig oder besser als ihre restliche Produktion?“, fragt sich Konsumexpertin Nunu Kaller. „Bei einer rundherum schlechten Produktion an ein, zwei kleinen Hebeln zu drehen macht zudem noch lange keine Nachhaltigkeit.“
Ein weiteres Beispiel: Das Möbelhaus Ikea verweist bei seinen Textilien auf „bessere Baumwollproduktion“ durch die Better Cotton Initiative (BCI). „Besser als was?“ fragt sich Kaller. „Die Ziele der BCI sind sehr industriefreundlich, das heißt sie tun nicht weh, sie wirken sich nicht auf die Umsatzzahlen aus.“ Wirklich nachhaltig wäre Bio-Baumwolle aus fairem Handel. Unternehmenseigene Gütesiegel und Nachhaltigkeitsprogramme wie Cocoa for Generations (Mars) oder Conscious (H&M) sieht die Konsumexpertin ohnehin kritisch, da es meist Nischenprogramme seien und es zu wenig unabhängige Kontrolle gäbe. „Man sollte sich immer die Frage stellen: Hat die „grüne“ Leistung irgendetwas mit dem Kerngeschäft des Unternehmens zu tun?“
Die sieben Sünden des Greenwashing
Das Netzwerk Underwriters Laboratories Environment hat die sieben häufigsten Formen von Greenwashing definiert:
1. Die Sünde der versteckten Kompromisse
Produkte werden mit einem umweltfreundlichen Aspekt beworben, andere, weniger ethisch korrekte, werden unter den Tisch gekehrt. So wirbt Nespresso mit Recycling von Kaffeekapseln, das nur einen kleinen Teil der Müllentsorgung ausmacht – und stellt die Kapseln weiterhin aus umweltschädlichem Aluminium her.
2. Die Sünde des fehlenden Nachweises
Etiketten wie „ökologisch“ oder „nachhaltig“ sagen ohne Zertifizierung nichts über die tatsächlichen Produktionsbedingungen aus.
3. Die Sünde der Unschärfe
Unklare und oft missverständliche Aussagen wie „nachhaltigere Baumwolle“ klingen zwar gut, sind aber nicht automatisch gleichbedeutend mit ökologisch und fair produzierter Ware.
4. Die Sünde der Irrelevanz
Immer häufiger tragen Produkte, die offensichtlich pflanzlicher Natur sind, das Etikett „vegan“. Darüber, wie diese Produkte hergestellt wurden, sagt das jedoch nichts aus.
5. Die Sünde des geringeren Übels
Der Konsument wird von den schwerwiegenden Auswirkungen eines Produktes abgelenkt, indem sie überspielt werden. Ein Klassiker ist das „benzinsparende Auto“, da Autofahren mit Benzin in jedem Fall umwelt- und klimaschädlich ist.
6. Die Sünde der Lüge
Dazu gehören alle falschen Aussagen, die Verbraucher gezielt in die Irre führen.
7. Die Sünde des falschen Labels
Sich im Gütesiegeldschungel zurecht zu finden, ist eine Herausforderung für Konsumenten geworden. Es gibt seriöse Zertifizierungen und solche, die schlichtweg erfunden sind. „Gütesiegel“ in Form von grünen Zeichen können heute in frei zugänglichen Bildportalen herunter geladen werden.
„Greenwashing lohnt sich nicht“, ist Daniela Knieling, Geschäftsführerin von respACT überzeugt. „Durch Apps oder soziale Medien kann es heutzutage schnell aufgedeckt werden und das Image ist zerstört“. Sie verweist auf die nötige Ausbildung und Professionalisierung für unternehmerisches Nachhaltigkeitsmanagement und empfiehlt Unternehmen, authentisch und transparent zu bleiben. „Die Täuschung von Konsumenten ist strikt abzulehnen. Vielmehr sollten sich Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung ausgehend vom Kerngeschäft bewusst werden und in diesem Bereich (Gegen-)Maßnahmen setzen.“