Amazon: Drohnendienst „Prime Air“ in UK vor dem Kollaps
Lieferungen per Drohne sind schon seit mehreren Jahren ein großes Thema im Bereich E-Commerce. Vor allem der Branchengigant Amazon will mit seinem Service Prime Air in Zukunft Zustellungen durch unbemannte Flugobjekte bieten. Im Jahr 2013 hat Amazon diese Neuerung schon angekündigt. Jedoch hat der Konzern bis heute noch keine Lieferungen getätigt. In Großbritannien steht das dort im Jahr 2016 begonnene Projekt jetzt sogar vor dem Kollaps, besagt ein Bericht von Wired. Dem Magazin zufolge hat Prime Air dort in den vergangenen Jahren schon über 100 Angestellte verloren. Insider berichten über eine desaströse Organisation und eine schlechte Firmenkultur.
Prime Air ist „organisiertes Chaos“
Ehemalige Angestellte haben gegenüber Wired angegeben, dass Prime Air in Großbritannien „dysfunktional“ sei und eher „organisiertem Chaos“ als einem strukturiertem Projekt ähnle. Manager hätten teilweise so wenig über das Projekt gewusst, dass sie grundlegende Arbeitsfragen nicht beantworten konnten. Vor allem Ende des Jahres 2019 habe es eine konstante Fluktuation gegeben, sowohl beim Personal als auch bei Führungskräften. Ein Insider meint, er hätte in einem Monat unter drei verschiedenen Managern gearbeitet.
Diese Arbeitskultur war für das Drohnenprojekt ein großes Problem, vor allem weil sich Amazon damit sehr viel vorgenommen hat. Andere Drohnen-Unternehmen zielen darauf ab, Pakete aus mehreren Metern Höhe oder mit Fallschirmen aus noch größerer Höhe abzuwerfen. Amazons Ingenieur:innen mussten dagegen herausfinden, wie man die Maschinen dazu bringen kann, vor Häusern zu landen und ein Paket knapp über dem Boden abzulegen. Sie sollen außerdem ohne Sichtkontakt zu den Pilot:innen fliegen. Diese sollen sich auf das Videomaterial und die Künstliche Intelligenz der Drohnen verlassen. Durch Machine Learning soll das System Menschen, Objekte und Tiere erkennen.
Für die Ausbildung der KI braucht es eine große Sammlung an visuellen Daten. Hier gab es laut Wired jedoch wiederum Probleme. Amazon soll eine Arbeitsgruppe geschlossen haben, die das Bildmaterial der Drohnen auswertete, nur um einige Monate später wieder eine vergleichbare Gruppe zu gründen. Auch berichten die ehemaligen Angestellten von einem Prüfer, der die Bestätigungstaste für die Auswertung festgeklebt haben soll, sodass das gesamte Material durchgewunken wurde. Eigentlich sollten die Daten zum Vermeiden von Gefahren dienen.
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PR-Kampagne von Amazon verläuft sich im Sand
Noch vor fünf Jahren stand der Betrieb von Prime Air im Vereinigten Königreich im Mittelpunkt einer gewaltigen PR-Kampagne. Führungskräfte behaupteten, Amazon könne Pakete innerhalb weniger Jahre mit Drohnen ausliefern. Das Unternehmen bot örtlichen Schulen Führungen durch sein Drohnenlabor an, eröffnete ein riesiges neues Büro in Cambridge und veröffentlichte eine Reihe von Werbevideos für die Flüge, die Millionen von Klicks erhielten. Die britischen Aufsichtsbehörden beschleunigten auch die Genehmigungen für Drohnentests.
Doch seither hat Amazon die Touren eingestellt, die Werbevideos von seinem YouTube-Kanal entfernt, und abgesehen von gelegentlichen Versprechungen von Führungskräften verlief sich die PR-Kampagne im Sand. Amazon sagt laut Wired, dass es immer noch Angestellte für Prime Air in Großbritannien gibt, weigert sich aber, deren Anzahl zu bestätigen. Das Projekt existiere noch, jedoch ist unklar, woran das Personal momentan arbeitet. Der E-Commerce-Konzern gibt keine konkreten Angaben zu den momentanen Tätigkeiten von Prime Air in Großbritannien. In den USA hat der Konzern im vergangenen Jahr die Erlaubnis bekommen, den Flugbetrieb aufzunehmen. Ob es auf diesem Markt die gleichen Probleme gibt, ist laut Wired unklar.