Gastbeitrag

Anonymität, Privacy und Cypherpunk Ideale: „Bitcoin-Evangelist“ Antonopoulos im Gespräch mit RIAT

Andreas Antonopoulos im Gespräch mit RIAT. © Riat
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#HODL,#BUIDL,#SPEDN: Matthias Tarasiewicz und Daniel Pichler vom RIAT Institute for Future Cryptoeonomics sprachen mit dem bekannten „Bitcoin-Evangelisten“ und Autoren Andreas Antonopoulos auf dem WeAreDevelopers World Congress in Wien über Anonymität, Privacy und die veränderte Stimmungslage in der Kryptosphäre. Interview im OT ist hier nachzulesen.

Cypherpunk, Bitcoin und der heutige Mainstream

Der Ursprung von Cypherpunk liegt in den Ursprüngen des Internets, ein Begriff der in den späten 1980ern geprägt wurde. Eine Ideologie, die den jungen Andreas Antonopoulos auf Anhieb beschäftigte. “Ich war fasziniert von der Anwendung der Kryptographie auf die Sozialwissenschaften und deren Einfluss auf politische Bewegungen”, erzählt er. Fünfzehn Jahre später tauchte das Whitepaper von Satoshi Nakamoto im Internet auf, welches Antonopoulos Anfangs kaum beachtet hat, jedoch durch Zufall und nach einer Weile wieder entdeckte und erkannte, was dieses besagte Whitepaper wirklich beinhaltet. “Ich erkannte, dass Bitcoin ein sehr leistungsfähiges und dezentral distribuiertes System mit einer Sicherheitsgrundlage war, die auf Kryptographie basierte, und tatsächlich umfasste das gesamte Konstrukt alle diese Cypherpunk-Ideale, an die ich fest glaubte”, so Antonopoulos.

Seitdem hat sich viel verändert, vor allem die Akteure in der Kryptowelt und wie sie miteinander interagieren.

Viele Menschen haben sich diesem ganzen Raum in den letzten Jahren angeschlossen und dadurch in den Mainstream gezogen, was laut Antonopoulos zu einer Verwässerung der Grundprinzipien in der Kryptowelt führte. “Die Leute vergessen, warum Bitcoin überhaupt geschaffen wurde. Aber das ist in Ordnung, denn eines der interessanten Dinge ist, dass in vielen früheren Technologien neue Leute reinkommen, die die ursprünglichen Prinzipien nicht verstehen, nicht über sie Bescheid wissen oder ihnen sogar glauben. Sie verändern die Technologie, um ihre neuen, eigenen Interessen zu erfüllen.”

Blockchain, Trust-Machines, Dezentralität und Nischenmärkte

Bitcoin, die Blockchain und Kryptowährungen haben nicht nur einen Anwendungsfall. Ein Großteil der User kennen gar nicht die sich hinter Bitcoin befindenden Ideale und Ideen von Dezentralisierung und Empowerment. Es ist hier wichtig auf die Kultur von Open Source und die Vielfalt der Standpunkte und die Vielfalt der Interessen, die in dem Raum Blockchain hineinreichen hinzuweisen, so Antonopoulos. “Es geht immer um die Wahl. […] Deine App wirst Du nicht auf Facebook bringen können, es sei denn, sie erreicht einen sehr, sehr großen Markt. Es ist kein offenes System, und total zentralisiert. Das Schöne an Kryptowährungen und offenen Plattformen ist, dass der Markt, den du benötigst, um eine Anwendung auszuführen, nur aus zwei Personen bestehen kann. Du und die andere Person, und solange Ihr zwei daran interessiert seid, eine Anwendung zu schreiben und Blockchain als Trust-Plattform dahinter zu verwenden, könnt Ihr eure Anwendung ausführen. Wenn niemand sonst an dieser Anwendung interessiert ist, läuft sie immer noch, sie erhält immer noch die gleiche Priorität im Netzwerk, sie wird von der Plattform neutral behandelt und sie kann auch nicht zensiert werden, denn Bitcoin ist dezentral.”

Nutzbarkeit von Kryptowährungen: Mainstream Adoption

Blockchain hat nicht nur den einen Anwendungsfall von Kryptowährungen – und dennoch gibt es innerhalb Cryptocurrencies unterschiedliche Ansätze in Bezug auf den Payment-Aspekt: Bitcoin ist deflationär (es gibt eine limitierte Anzahl von Units), Forks von Bitcoin versuchen spezifische technische Limitierungen anders zu lösen, am Beispiel von Bitcoin Cash oder der vielen anderen “chain forks”.

Jedoch gibt es dennoch eine Menge Diskussionen darüber, ob Bitcoin den Cash-Aspekt nicht erfüllt, alternative Kryptowährungen versuchen hier die als Limitierungen wahrgenommenen Probleme von Bitcoin aufzugreifen. Argumente dafür sind einerseits, dass Bitcoin nicht anonym, sondern pseudonym ist, und sich hier sogenannte “privacy-focused coins” wie etwa ZCash, Dash oder Monero positionieren. Ein anderes Problem sind die andauernden Diskussionen zur Skalierung des Bitcoin Netzwerks, sowie der steigenden Transaktionskosten, die von SegWit und Lightning größtenteils gelöst wurden. Bitcoin als Cash-Ersatz könnte gescheitert sein, so Tarasiewicz.

Müssen nicht alle Probleme mit einer Kryptowährung lösen

“Wofür ich Bitcoin benutze ist nicht das, wofür sonst jeder Bitcoin benutzt, und das ist in Ordnung. Ich glaube nicht, dass wir die Tür zur Verwendung dieser Technologie als Bargeld geschlossen haben. Zu sagen, dass es auf die eine oder andere Weise sein muss, ist anmaßend und ich denke nicht, dass wir versuchen sollten, vorherzusagen, auf welche Weise es genutzt wird”, so Antonopoulos.

“Ich nehme auch eine breitere Sichtweise ein, nämlich dass wir nicht alle Probleme mit einer Kryptowährung lösen müssen. In der Tat denke ich, wenn wir eine Zukunft haben, in der man eine Kryptowährung in Millisekunden verschicken, für Milli-Satoshis-Werte und man mit nahezu Null-Kosten und fast Null-Zeit zwischen der einen und der anderen Kryptowährung wechseln kann – wieso sich dann nur einer Kryptowährung verschreiben?”

Vom Mainstream zurück zu Privacy

Bitcoin sei schon lange nicht mehr anonym, und erfüllt nicht mehr Privacy-Aspekte, die den Cypherpunk-Idealen entsprechen sollten, betont Pichler.

Antonopoulos meint hierzu, dass die Anwendung von Privacy und Anonymität für jede Blockchain essentiell sein wird. “Wenn Du die Freiheit hast, mit jedem Transaktionen zu tätigen, aber alle Deine Transaktionen für alle sichtbar sind, könntest du bestraft werden, wenn du mit den falschen Leuten handelst, was dich im Grunde genommen von deiner Freiheit des Handelns per se befreit. Wir müssen erkennen, dass Privatsphäre ein grundlegendes Menschenrecht ist […].”

Aktuelle Weiterentwicklungen und Ansätze für Anonmyität und Privacy sind im Bitcoin und Blockchain-Space zu beobachten: Confidential transactions, joined-transactions, Ring Confidential Transactions, schnorr-signatures, aggregated signatures, lightning network, onion routing, dandelion routing, wären einige davon und sind bereits in unterschiedlichen Kryptowährungen im Einsatz.

Die Frage von Privacy ist heftig debattiert, vor allem seit dem Inkrafttreten der DSGVO, und seitdem der Facebook-Datenschutz-Prozess rundum Mark Zuckerberg in der Öffentlichkeit stark mitverfolgt wurde. Bitcoin könnte hier womöglich eine transparente Gesellschaft geschaffen haben, die für Endnutzer und Ihrer Privatsphäre problematisch sein könnte, betont Tarasiewicz.

Bargeld ist nicht anonym

Anonymes Bargeld ist derzeit nicht der Status Quo, sondern sehr überwachte Finanztransaktionen, meint Antonopoulos. Das bedeutet, dass wir nicht nur für jede einzelne unserer Finanztransaktionen unter ständiger totalitärer Überwachung stehen, und das nicht nur einer einzigen Instanz, denn die Geheimdienste teilen Informationen untereinander, meint Antonopoulos. “Den europäischen Geheimdiensten ist es verboten, Europäer auszuspionieren, also überlassen sie das den Amerikanern, den Amerikanern ist es untersagt, Amerikaner auszuspionieren, also lagern sie das an die Europäer aus”, betont Antonopoulos.

Antonopoulos skizziert hier die Rolle von Machtapparaten dystopisch: “Eure Rechte sind bedeutungslos. Rechte sind wie Muskeln, man trainiert sie oder sie verkümmern. Und Sie fragen nicht nach Rechten, Sie ergreifen sie, und wenn Sie müssen, greifen Sie sie mit Gewalt an. Ich würde es vorziehen, sie mit der Kraft der Kryptographie zu ergreifen, und wenn Ihr erkennt, dass Eure Gesellschaft Ihre fundamentalen Menschenrechte aufhebt, repariert eure Gesellschaft, gebt nicht auf.”

Anschließend betont Antonopoulos die Wichtigkeit von Kryptowährungen als eine Art Lackmus-Test für Staaten und ihrer Positionierung auf der Landkarte der individuellen Freiheit. “Denn wenn Staaten den Lackmus-Test nicht bestehen, versuchen sie, Kryptowährungen aus ihrem Land zu entfernen, […] Sie entfernen sich aber hiermit von der Innovation, Wachstum und Möglichkeiten, schließlich entfernen sie sich von der Freiheit. Und das ist in Ordnung. Weil es Kryptowährungen nicht beeinflusst. Sie werden einfach weiter passieren, und das im Untergrund”, so Antonopoulos hoffnungsvoll.

“Letzten Endes müssen Gesellschaften raus aus der Komfortzone, um zu entdecken, dass Alternativen benötigt werden. Ich bin daran interessiert sicherzustellen, dass diese Alternativen existieren, wenn Menschen sie brauchen. Heute ist es Venezuela, hoffen wir, dass es nie Österreich sein wird.”


Übersetzung von Aleksandar Vrglevski – Forscher bei RIAT.

Die Originalfassung des Interviews ist in Englisch nachzulesen: “Hodling, Buidling, Spedning: Andreas Antonopoulos about anonymity, privacy and sentiment changes in the cryptosphere”.

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