„Anti-CO2-Züge“ sollen Kohlenstoff-Emissionen aus der Luft ziehen
CO2-Emissionen aus der Atmosphäre zu entfernen, ist angesichts der sich immer weiter verschärfenden Klimakrise das Gebot der Stunde. Das Konzept „Direct Air Capture“ treibt derzeit unter anderem das Schweizer Unternehmen Climeworks stark voran. Die Firma zieht CO2 durch Filterapparate aus der Atmosphäre und speichert es in unterirdischem Gestein auf Island. Doch die Apparate brauchen riesige Ventilatoren und damit viel Energie. Nun arbeitet ein Team um den Chemiker Geoffrey Ozin von der Universität Toronto an einem Konzept, das Direct Air Capture mit deutlich weniger Energieverbrauch möglich machen soll: Eisenbahnwaggons, die Kohlendioxid aus der Luft filtern und Energie aus den Bremsen gewinnen.
Climeworks: CO2 mit Direct Air Capture aus der Atmosphäre holen
CO2-Speicherung aus Fahrtwind
Das Forschungsteam hat das Konzept der klimapositiven Züge in der Fachzeitschrift „Joule“ erläutert. Spezielle Eisenbahnwaggons sollen an regulär fahrenden Züge angehängt werden und die Luftströmung während der Fahrt nutzen. Der Fahrtwind soll in das Innere der Waggons strömen. Dort soll es möglich sein, das CO2 in einem chemischen Prozess abzuscheiden und die nun kohlendioxidfreie Luft wieder auszustoßen. Sobald der Waggon eine bestimmte Menge an CO2 gesammelt hat, wird dieses konzentriert und in flüssiger Form in einem Behälter gesammelt. Dadurch lässt es sich als Rohstoff nutzen oder speichern.
„Die Technologie wird bedeutende CO2-Mengen zu weitaus geringeren Kosten ernten und hat das konservativ geschätzte Potenzial, bis 2030 eine jährliche Produktivität von 0,45 Gigatonnen, bis 2050 von 2,9 Gigatonnen und bis 2075 von 7,8 Gigatonnen zu erreichen, wobei jedes Fahrzeug in naher Zukunft eine jährliche Kapazität von 3.000 Tonnen CO2 haben wird, die mit dem Fortschreiten der Technologie steigen wird“, heißt es von den Forschenden.
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Erste Züge für kommendes Jahr geplant
Ein besonderer Vorteil der klimapositiven Züge soll sich speziell im Energieverbrauch zeigen. Denn der Strom für den chemischen Filterprozess soll aus der Bewegung der Züge selbst kommen, speziell aus den Bremsvorgängen. Es handelt sich hier laut dem Forschungsteam um eine bereits bekannte Technologie. Sogenannte regenerative Bremsen könnten Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandeln. „Jedes vollständige Bremsmanöver erzeugt genug Energie, um 20 durchschnittliche Haushalte einen Tag lang mit Energie zu versorgen“, sagt Eric Bachman, Koautor der Studie und CEO der CO2Rail Company in Texas.
CO2Rail Company will im kommenden Jahr erste „Anti-CO2-Züge“ bauen. Es soll möglich sein, die speziell entwickelten Waggons an vorhandene Züge anzuhängen. Die bestehende Bahninfrastruktur sei bereits jetzt ideal, um einen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele zu leisten. „Man müsste nur nutzen, was schon existiert“, sagt der Chemiker Geoffrey Ozin. Im Vergleich zu anderen Direct Air Capture-Methoden soll es möglich sein, Energiekosten von mehr als 24 Milliarden Dollar pro Gigatonne CO2 einzusparen. „Wir sollten diese Lösung vom Reißbrett in die Realität umsetzen und so viel wie möglich von dieser einzigartigen, aber nichtsdestotrotz bedeutenden Quelle nachhaltiger Energie ausschöpfen“, so das Forschungsteam.