Anyline: Das Wiener OCR-Startup holt 10,8 Millionen Euro Investment
Als die Wiener OCR-Firma vor ziemlich genau einem Jahr eine Finanzspritze von 2 Millionen Euro holte (Trending Topics berichtete), da fiel auch das Wörtchen „Zwischendurch-Investment“. Jetzt, Anfang 2020, ist klar, warum. Denn Anyline, seit 2013 auf so genannte OCR-Technologie spezialisiert (Optical Character Recognition, Texterkennung, Anm.) hat sichbei neuen und bestehenden Investoren satte 12 Millionen Dollar (10,8 Mio. Euro) geholt. Mit der so genannten Series-A-Finanzierung soll auch die Expansion in die USA, wo bereits eine Tochterfirma errichtet wurde, finanziert werden.
Anyline bietet anderen Unternehmen die Möglichkeit, Text-Scannen in deren Smartphone-Apps und mobile Webseiten mittels SDKs zu verbauen. Kunden sind neben große Brands wie PepsiCo, Porsche, Toyota oder die UNO mittlerweile auch einige Polizeiorganisationen (Bayern, Nordrhein-Westfalen, Österreich), die die Technologie etwa zum schnellen Erfassen von Nummernschildern an Autos oder Ausweisen verwenden. Insgesamt haben Investoren nun bis dato rund 17 Millionen Dollar in Anyline gesteckt, das 2013 gegründet wurde.
Neuer Lead-Investor aus Berlin
Diese Technologie und das Potenzial zum weiteren Ausbau (Millionenumsätze macht Anyline bereits) hat jetzt neben den bestehenden Investoren (Push Ventures, Business Angel Hansi Hansmann, die Gernot Langes-Swarovski Stiftung, Hermann Hauser, Senovo) nun auch den Berliner VC Project A davon überzeugt, bei Anyline einzusteigen. Der neue deutsche Lead-Investor hat unter anderem auch schon beim E-Scooter-Verleiher Voi investiert und macht Runden zwischen 500.000 und fünf Millionen Euro.
Das frische Kapital wird Anyline vorrangig in die Erweiterung des Teams (von derzeit 60 auf etwa 100 Mitarbeiter) und in den neuen US-Firmensitz in Boston gesteckt, der Anfang 2020 eröffnet wurde. „Unser Ziel ist, Weltmarktführer bei mobiler Texterkennung zu werden“, sagt Anyline-Mitgründer und CEo Lukas Kinigadner im Interview mit Trending Topics. „Da sind die zwölf Millionen Dollar genau das Richtige. Das ist eine klassische Wachstumsfinanzierung, wir versuchen nun, unsere Technologie noch breiter im Markt verfügbar zu machen.“
Im neuen Büro in Boston wurden für die US-Expansion die ersten drei Mitarbeiter eingestellt. „Wir investieren aber auch in Europa kräftig, sowohl in Vertrieb und Marketing als auch in die Produktentwicklung“, sagt Kinigadner. Insgesamt soll Anyline von derzeit rund 60 auf etwa hundert Mitarbeiter wachsen. Spannend wird für das Startup auch sein, mit Smartphone-Herstellern oder großen Software-Anbietern in Kontakt zu treten, um die OCR-Technologie direkt in das Betriebssystem eines Handys zu integrieren. „Europa braucht eigene relevante Technologie-Unternehmen, um sich hinsichtlich der Dominanz amerikanischer und asiatischer Technologiekonzerne zu behaupten. Diese Herausforderung nehmen wir an“, so der CEO.
+++ Anyline-CEO Lukas Kinigadner: „Im Jahr 2016 haben wir die Notbremse ziehen müssen“ +++
„Wir wollen die Börsenglocke läuten“
„Wir haben nicht das Ziel, einen Exit zu machen, wir wollen einen Marktführer bauen“, sagt Kinigadner. „Und das würde heißen: ein IPO. Die Traumvorstellung von uns ist, dass wir die Börsenglocke läuten und das Ding an die Börse bringen.“ Immer gut gelaufen ist es bei Anyline aber nicht. Wie Kinigadner auch in einem sehr offenen Gastbeitrag auf Trending Topics schrieb, hat man im Jahr 2016 die Notbremse ziehen müssen. Danach wurde das Team umgebaut, erfahrene Manager geholt und das B2B-Sales gestärkt.
Diese offene Kultur wird im Anyline-Team täglich gelebt. „Wir haben die Mitarbeiter während dem Fundraising immer über den Prozess informiert, haben ihnen gesagt, welche Investoren Interesse haben und sie zum Teil auch mitentscheiden lassen“, sagt Kinigadner. Die offene Kultur sehe man auch im Office. „Bei uns hat niemand ein eigenes Büro, wir sind in drei großen Räumen.“
Für die österreichische Startup-Szene wünscht sich Kinigadner in der aktuellen Debatte rund um politische und regulatorische Maßnahmen vor allem eines: „Es müssen viel mehr junge Menschen gründen und ihre eigenen Ideen in die Realität umsetzen. Es ist nicht nur die Regierung, es braucht auch viel mehr Qualität bei den Startups, viel mehr tolle Gründer.“