Armin Strbac von Shpock: „Der Zuzug aus anderen Ländern muss so unbürokratisch wie möglich sein“
Die Bundesregierung will im Rahmen der „Digital Roadmap“ Österreich zum Innovations-Leader in Europa machen und die Digitalisierung nutzen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Im Rahmen einer Online-Diskussion sind alle Bürger bis 13. März gefragt, sich mit ihren Vorschlägen einzubringen. Vertreter der österreichischen Start-up-Szene veröffentlichen hier ihre Ideen – heute ist Armin Strbac, Mitgründer der Flohmarkt-App Shpock, an der Reihe:
Was bringt eine „Digital Roadmap“, wenn wir als Gesellschaft versagen und vor dem Wandel der Zeit die Augen verschließen?
Die Diskussionen und Aussagen zum Thema Migration der letzten Wochen haben mich zutiefst erschüttert. Auch wenn es sich dabei nicht vordergründig um ein Thema einer „Digital Roadmap“ handelt, haben die Ergebnisse und Auswüchse dieser Diskussion enorme Auswirkungen auf die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit von Österreich, der EU und uns als Gesellschaft.
Wenn von politischen Interessensvertretern eine Eingrenzung der Personenfreiheit in der EU gefordert wird und eine Neiddebatte nach der anderen über Besitztümer von Flüchtlingen oder anderen Personengruppen geführt wird, dann ist die Frage unweigerlich: Was kann eine „Digital Roadmap“ ausrichten, wenn eine gesellschaftliche Roadmap als Basis fehlt?
Grenzen sind bedeutungslos
Aus technologischer Sicht sind nationale Grenzen bedeutungslos. Wenn ein User aus Deutschland Shpock nutzen möchte, so kann er das. Dasselbe gilt für Menschen aus England, Italien oder vom anderen Ende der Welt. Wenn dann einem dieser User die App so sehr gefällt, dass er sich dieser auch beruflich widmen möchte, dann sollte das genauso unkompliziert möglich sein. Die Grundfreiheiten der EU sollen immer gelten und nicht nur, wenn es uns gerade passt oder wir einen Vorteil dadurch haben. Genauso muss auch der Zuzug aus anderen Ländern problemlos, effizient und so unbürokratisch wie möglich sein. Die Zuteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte muss schnell entschieden sein, um Klarheit für Bewerber und Unternehmen zu schaffen. Gerade Österreich könnte sich hier als Tor zu Drittstaaten etablieren und dadurch sogar einen langfristigen Wettbewerbsvorteil erarbeiten. Dies wird aber nur funktionieren, wenn Personen aus diesen Ländern auch in der Gesellschaft willkommen geheißen werden.
Shpock besteht heute aus 70 Team-Mitgliedern aus 17 verschiedenen Nationen. Darunter finden sich viele EU-Länder, aber unter anderem sind auch Drittstaaten wie z.B. USA, Norwegen oder Serbien dabei. Als Team ist diese Vielfalt eine Bereicherung und eröffnet neue Blickwinkel. Sowohl in persönlicher als auch professioneller Hinsicht lernen wir alle von- und miteinander. Der Launch von Shpock in Italien letzten Herbst hat deswegen so gut funktioniert, weil mehrere italienische Team-Mitglieder hier in Wien dafür gesorgt haben, dass wir den richtigen „italienischen“ Touch in die neue App-Version bekommen.
Ebenso international wie unser Team ist jedoch auch der Wettbewerb. Wir messen uns am digitalen Weltmarkt mit Anbietern aus Asien, den USA und vielen anderen Ländern, die hungrig sind und vor „nationalen“ Grenzen mit ihren Produkten keinen Halt machen – alles Länder, die viel flexibler und schneller auf die Bildungs-, Kultur- sowie Technologieanforderungen und -veränderungen der heutigen Zeit reagiert haben.
Wir verlieren immer mehr an Boden
Wir verlieren nicht nur in der Forschung, sondern auch bei vermarktungsfähigen Produkten immer mehr an Boden auf den Mitbewerb. Eine nach der anderen einst großen, europäischen Marken verschwindet entweder in der Bedeutungslosigkeit oder wird von Unternehmen aus eben genannten Regionen übernommen. Diesem Trend können wir nur entgegenwirken, wenn wir frühzeitig in die (Aus-)Bildung kommender Generationen investieren. Junge Menschen müssen (kulturell) gerüstet sein, um sich diesen Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu stellen und den Drang zu entwickeln, etwas international auf die Beine zu stellen.
Ebenfalls hinderlich in unserem Wachstum ist die „Neid“-Debatte zur Anreizsetzung für Investoren. Österreich ist in der glücklichen Position, einige vermögende Personen zu beheimaten. Diese legen ihr Geld meist äußerst konservativ an. Die Bemühungen und Erfolge von Hansi Hansmann, der AWS, der Speedinvest und anderen bewegen zwar immer mehr Leute dazu, sich mit dem Thema Start-up-Investments auseinanderzusetzen, jedoch würde ein steuerlicher Impuls diesen Trend deutlich verstärken. Vermehrte Investments würden zu mehr Menschen führen, die es wagen, ein Unternehmen zu gründen. Dies wiederum führt zu mehr Arbeitsplätzen. Und auch wenn manche Start-ups scheitern, wird ein großer Teil bestehen bleiben und in weiterer Folge seinen Beitrag dazu leisten, unsere Gesellschaft langfristig wettbewerbsfähig zu machen. Selten war für mich ein Multiplikatoreffekt so offensichtlich.
Das alles kann aber nur funktionieren, wenn man als Gesellschaft einheitlich an einem Strang zieht und bereit für diese Diskussion ist. Dass dies keine leichte Aufgabe wird, sieht man bereits an den sehr unterschiedlichen Positionen von Harald Mahrer und Sonja Steßl, die gemeinsam an der „Digital Roadmap“ arbeiten.
Wenn auch du dich mit deinen Ideen für Österreichs Digital Roadmap in Form eines Gastbeitrags einbringen willst, dann schreib eine Mail an feedback@trendingtopics.at.