Interview

Wie, wo und wann sich eine Asien-Expansion für Startups wirklich auszahlt

Lisa Stöger und Fabian Gems. © GIN Austria, Unsplash / Montage Trending Topics
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Kürzlich haben wir im großen Interview mit Jan Bruckner darüber geschrieben, wie man es am besten angeht, um in die USA zu expandieren. Aber die Ausweitung der Geschäftstätigkeit geht natürlich auch in die andere Richtung: Asien. Der Mega-Kontinent bietet enorm viele Chancen auch für Startups, um riesige neue Märkte für ihre Produkte und Dienste zu erschließen. Doch wie startet man, und wo genau?

Lisa-Maria Stöger vom Global Incubator Network Austria (GIN Austria) und Fabian Gems, der lange Jahre für die Aussenwirtschaft Austria in China tätig war, helfen Gründern bei der Erschließung von Asien – und haben dazu einen eigenen Podcast namens „Asia. Expansion. Explained.“ gestartet, um Know-how weiter zu geben. Im Interview geben die beiden Einblicke in die besten Landing Hubs, die Kosten und die Fallen, die sich Startups in Asien ergeben können.

Trending Topics: Die meisten Startups in Europa fokussieren sich auf den Heimatmarkt, Nachbarländer und die EU. Warum sollte man auch Asien in Betracht ziehen? Die Märkte dort sind sowohl ökonomisch als auch gesellschaftlich und politisch sehr anders.

Lisa Stöger: Gerade in Zeiten, wo Europas Wirtschaftsmotor COVID-19 bedingt noch stottert, läuft er in großen Teilen Asiens bereits wieder auf Hochtouren und das teils mit Rekordwachstumsraten, wie man am Beispiel von China sieht. Asien ist generell besser durch diese Krise gekommen, und die dortige Wirtschaft durstet nach innovativen Produkten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Das bietet gerade jetzt für österreichische Jungunternehmer:innen Chancen und es kann lohnend sein, bereits in früheren Stadien auf diese Fernmärkte zu blicken.

Fabian Gems: Es gibt einen Grund, warum beispielsweise WeRide in China und nicht im Silicon Valley gegründet wurde, und auch dort ihre autonomen Testfahrten in einer 12-Millionen-Stadt wie Guangzhou durchführt. Die Offenheit und der Pragmatismus asiatischer Regierungen gegenüber neuen Technologien ist etwas, was man in den westlichen Medien nicht so oft liest, aber durchaus ein Plus für diese Standorte ist.

China, Japan, Indonesien, Russland – wie entscheidet man sich für das richtige Land? Wo gibt es die besten Erfahrungen, die Erfolg versprechendsten Landing Hubs?

Fabian: Ein Patentrezept dafür gibt es nicht – die richtige Vorbereitung auf Fernmärkte ist das Um und Auf, um sich weder finanziell noch personell zu übernehmen. Auch wenn Hongkong und Singapur als „Soft Landing Spots“ in und für Asien angesehen werden, kann es durchaus Sinn machen, mit innovativen Technologien in Inkubatoren in Shenzhen, Seoul oder Tokio Fuß zu fassen.

Lisa: Egal für welchen Markt man sich nach eingehender Marktrecherche entscheidet, schlussendlich kommt es auf die richtigen Partner an. Dafür gibt es Organisationen, wie die Aussenwirtschaft Austria, die auf ein breites Netzwerk zurückgreift. Sie sind ebenso Kooperationspartner von GIN sowie viele weitere internationale Partner, die fest verankert sind in den asiatischen Startup Ökosystemen. Mit den GO ASIA Internationalisierungsprogrammen möchten wir genau bei diesen  ersten wichtigen Schritten helfen, um vermeidbaren Fehlern aus dem Weg zu gehen und auf bestehenden Netzwerken aufzubauen. 

China ist ein riesiger Markt – aber kann man als kleines österreichisches Unternehmen dort überhaupt Fuß fassen? Welche Branchen funktionieren, welche nicht?

Fabian: Gut, dass du die Frage so stellst. Oft wird China als Schlaraffenland mit 1,4 Milliarden Einwohner:innen dargestellt, wo du nur deine Produkte vor die Bürotür stellen musst, bevor sie dir aus den Händen gerissen werden. Dabei ist gerade China ein Land, wo aufgrund seiner Geschwindigkeit und der Größe die optimale Marktvorbereitung eine noch zentralere Rolle spielt. Was ich empfehle ist ein Blick in bestehende Ziele und Programme der Regierung, um mit Lösungen vorstellig zu werden.

Man hat in Europa einen falschen Eindruck vom Fünfjahresplan. Hier findet sich eine KPI-Liste der einzelnen Provinzen und Städte, die bis auf Stadtteile heruntergebrochen wird. Wenn zum Beispiel in Huangpu, einem der bedeutendsten wirtschaftlichen Stadteil in Guangzhou, Ziele zu Medizintechnik oder künstlicher Intelligenz formuliert sind, dann kann man sein eigenes Produkt oder die Dienstleistung genau mit den bestehenden Interessensgebieten abstecken.

Lisa: Genauso wichtig ist es, beispielsweise im B2C-Segment seine Zielgruppe zu kennen, welche Interessen und Vorlieben diese hat, und wie man sie bestmöglich erreichen kann. China ist ein „mobile-only“ Markt – gekauft wird vom Handy, gezahlt wird vom Handy, gebucht wird vom Handy. Das bedeutet, man braucht eine durchdachte und starke digitale Präsenz und natürlich müssen  die entsprechenden  Marketingkanäle und Zahlungsmodalitäten in die Chinastrategie aufgenommen werden.

Singapur ist als Fintech-Hub bekannt – welche Hubs sind für welche Sektoren die wichtigen und richtigen?

Fabian: Nicht nur Singapur, sondern auch Hongkong, Shanghai, Shenzhen oder sogar Tokio haben spezielle FinTech-Hubs, oftmals in Verbindung mit Regierungsprogrammen, erfolgreich entwickelt und umgesetzt. Selbstverständlich gibt es prädestinierte Standorte wie Shenzhen als Hardware-Mekka, aber ansonsten ist es eher ein Product-Market-Fit und die darauf fußende und umzusetzende Marktstrategie des Unternehmens, welche den Ausschlag über Erfolg oder Misserfolg gibt.

In welcher Phase ist der richtige Zeitpunkt, um sich einem asiatischen Markt zu widmen?

Lisa: Generell gelingt die Expansion in einen Fernmarkt nicht im Vorbeigehen. Es benötigt schon ein gewisses Level an Erfahrung und entsprechende Ressourcen. Daher fokussieren wir uns bei  unseren GIN GO ASIA Programmen vorrangig auf Later-Stage-Startups, wo bereits Umsatz als auch Kundschaft vorhanden sind. Asiatische Märkte sind außerdem auch oft CEO-Märkte, wo Gründer:innen und CEOs eine entscheidende Rolle spielen müssen, um auch das notwendige Gewicht in den Verhandlungen mit asiatischen Partner:innen zu signalisieren. Wenn diese noch mit den zu Beginn anstehenden „Gründungswehwehchen“ beschäftigt sind, haben diese auch oft nicht die finanziellen und personellen Ressourcen, um Mitarbeiter:innen für die Expansion nach Asien abzustellen. Fernmärkte generell aber insbesondere die asiatischen Märkte sind definitiv keine Märkte zum  „Einsammeln“. Sie müssen ein integraler Bestandteil der Firmenstrategie sein.

Fabian: Dazu kommt noch, dass asiatische Geschäftspartner:innen genau darauf schauen, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung funktioniert. Da sind Referenzen in europäischen Ländern ein gutes Signal, um eine gewisse Vertrauensbasis zu schaffen. Eines muss europäischen Startups aber klar sein: in Asien wartet keiner auf uns.  Insofern ist es auch notwendig, mit dem nötigen Maß an Respekt an die Vorbereitungen heranzugehen und sich in die Geschäftskultur einzulesen. „Made in Austria“ wird zwar oft mit hoher Qualität in Verbindung gebracht, aber darauf allein darf man sich nicht ausruhen. 

Marketing, Mitarbeiter, Lebenshaltungskosten, etc. – Expansionen sind auch kostspielig. Wie viel Geld sollte man beim Fundraising für die Asien-Expansion einplanen?

Lisa: Die finanzielle Komponente ist sicherlich auch ein wichtiger Teil einer jeden Expansion. Wir kennen auch Startups, die eigens für ihre Asienexpansion geraised haben. Jedoch muss man aber jetzt nicht eine Million Euro an frischem Kapital mitbringen, wenn man nach Asien internationalisieren möchte. Eine nachhaltige Internationalisierung beginnt oft mit der Suche nach entsprechenden Partner:innen vor Ort – dies kann mit einfachen Vertriebspartnerschaften starten und bis zu Joint-Venture Gründungen führen. Und eine erhöhte Reisebereitschaft sollte vorhanden sein, um auch selbst vor Ort Gesicht zu zeigen – gerade in Japan aber auch in China spielt die Corporate-Presence eine wichtige Rolle. Selbst die beste lokale Vertretung kann die eigene Präsenz nicht ersetzen.

Fabian: Kostspielig wird es vor allem, wenn man zunächst an den „Basics“ spart, etwa bei guten Beratungsleistungen für Verträge, Firmengründung, Steuern und ähnliches. Das habe ich in meiner Zeit in Südchina leider sehr oft miterleben müssen. Die Frage nach „günstigen“ Beratungsfirmen kommt zwar oft, ist aber bereits ein Indiz dafür, dass man Gewicht und Komplexität des Marktes unterschätzt.

In Asien gibt es nicht nur demokratische Marktwirtschaften. Wie geht man mit autoritären Staaten um? Wie sichert man sich rechtlich am besten ab?

Lisa: Andere Länder, andere Sitten, und dabei geht es nicht nur um die rechtlichen Besonderheiten der jeweiligen Länder bezüglich Markenschutzes oder der Durchsetzbarkeit von Forderungen vor Gericht. Der beste Weg ist, den gesamten Produktions- oder Verkaufszyklus durchzudenken, Risiken zu analysieren und diese so gut es geht zu minimieren. Wenn man beispielsweise ein innovatives Produkt in Festland-China fertig, ist es ratsam, nicht das gesamte Know-How an einen Produzenten abzugeben. Ansonsten läuft man schnell in die Gefahr, sein Alleinstellungsmerkmal zu riskieren. Leider sehen wir, dass diese Vorgehensweise teilweise immer noch nicht in den Köpfen von Jungunternehmer:innen angekommen ist.

Fabian: Das stimmt. Ich führe sicherlich einmal im Monat Gespräche mit teils sehr erfahrenen österreichischen Unternehmer:innen, die mir vom nächsten großen Wurf aufgrund eines Kontaktes aus Fernost berichten. Ein wichtiger Tipp: Lasst euch von den Marktgrößen und -chancen nicht blenden, und fallt auch nicht – im symbolischen Sinn – über den roten Teppich, der euch ausgerollt wird. Die Gastfreundschaft ist ein integraler Bestandteil des Geschäftemachens in Asien, heißt aber zugleich nicht, dass ihr eure Scheukappen aufsetzen könnt. Jede Art von Geld, Zeit oder personeller Ressource, die ihr einsetzt, sollte gut überlegt sein.

Welche Unterstützungsmöglichkeiten bietet ihr österreichischen Startups beim Markteintritt und der Expansion vor Ort?

Lisa: Das Global Incubator Network Austria – kurz GIN – ist das Bindeglied zwischen Österreich und Asiens innovativsten Märkten (Hongkong, Singapur, Festland-China, Japan, Südkorea und Isreal) und bietet unterschiedliche Services für Startups, Investor*innen, Inkubator und Akzeleratoren, die gemeinsam von der aws und der FFG co-gemanagt werden. Für österreichische Start-ups, die eine Expansion nach Asien anstreben, sind wir die erste Anlaufstelle, um bei den ersten Schritten und auch Hürden zu unterstützen und zu begleiten. Mit GO ASIA profitieren die Start-ups von 1-2 wöchigen Acceleration-Programmen im jeweiligen asiatischen Markt. Neben Einführungen in den Markt per se, bekommen sie einen fundierten Überblick zu den Tax & Legal Aspects, Marketing & Sales Taktiken, aber auch welche Expansionsstrategie basierend auf deren Businessmodell am sinnvollsten ist. Außerdem werden individuelle Firmentermine und diverse Pitch- und Networking-Events organisiert, um erste Kontakte knüpfen zu können. Für diese Ökosystemreise gibt es auch einen finanziellen Zuschuss von bis 7.000,-€ pro Start-up für die Reisekosten. Im Fokus der GO ASIA Programme steht die gezielte Vernetzung mit internationalen Stakeholder. Als Matching-Service der Austria Wirtschaftsservice ist das Global Incubator Network Austria zudem Teil von aws Connect, die neutrale Online Plattform für Kooperationen, Investments und Internationalisierung.

Fabian: Wer wissen will, ob er oder sie für Asien bereit ist, kann sich gerne auch bei mir direkt melden. Mit einem selbst entwickelten Asia Readiness Index können wir bestehende Unternehmen analysieren und auf ihre Asientauglichkeit überprüfen. Sollten noch wichtige Bausteine fehlen, kann in entsprechenden Modulen nachgeschärft werden.   Zusätzlich haben wir die Pandemie-bedingte Reisepause genutzt, um den Informationsaustausch mit österreichischen Start-ups zu intensivieren. Mit Asia Expansion Explained haben wir im Juni des Vorjahres einen Podcast gestartet, um die oben genannten Zielregionen von GIN zu beleuchten. Wir haben eine Bedienungsanleitung für die jeweiligen Märkte kreiert, die Start-ups  dabei helfen soll alles wissenswerte und notwendige an Informationen, Facts und Insights zu erhalten, um die ersten Schritte nach Asien zu wagen. Dabei interviewen wir  Marktexpert*:nnen, die spannende Tipps und Tricks zu Vertrieb, Marketing, Personalführung sowie den Business Do‘s and Don’ts geben. Wer die Antworten zu den Quiz-Fragen wissen will, der hört am besten gleich rein. Jeden Freitag gibt es eine neue Folge!

Der Podcast ASIA EXPANSION EXPLAINED ist eine Kooperation zwischen gemsolutions Unternehmensberatung und dem Global Incubator Network Austria, ein Förderungsprogramm der Austria Wirtschaftsservice GmbH und der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft.

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