Atom und Gas kriegen Öko-Label von der EU – Umweltschützer:innen klagen
Noch im Juni haben wichtige EU-Ausschüsse gegen die „grüne“ Einstufung von Atomkraft und Gas gestimmt, doch heute ist alles anders. Es war eine hitzige Debatte, doch nun hat das EU-Parlament eine Entscheidung zum Thema Taxonomie-Verordnung gefällt, die vielen Klimaaktivist:innen sauer aufstoßen wird. Denn laut der Entscheidung vom Mittwoch soll es künftig möglich sein, Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke als klimafreundlich einzustufen.
Im Europaparlament gelang es Gegnern am Mittwoch nicht, die entsprechenden Pläne mit einer Abstimmung zu stoppen. Statt der erforderlichen 353 Abgeordneten wählten in Straßburg nur 278 gegen den Rechtsakt zur Taxonomie. Mit der Verordnung sollen Investitionen in grüne Technologien gefördert werden. Mithilfe dieses Klassifizierungssystems sollen Zukunftstechnologien, die zur Erreichung des Green Deals und der Klimaziele notwendig sind, finanziellen Rückenwind erhalten. Die EU-Taxonomie ist seit Anfang des Jahres in Kraft, jetzt ist auch der Weg frei, dass ab Jänner 2023 Investments in Kern- und Gaskraftwerke als klimafreundlich vermarktet werden können. Der EU-Rat der Mitgliedstaaten muss noch zustimmen, was als sehr wahrscheinlich gilt.
Dass fossiles Gas und Atomkraft als grüne Investments zulässig sind, sorgt bei vielen für Entrüstung. Eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung spielte Frankreich. Dort gilt Atomkraft als eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie zu erneuerbaren Energien ein. Konkret sehen die Pläne der EU-Kommission vor, dass in Ländern wie Frankreich, Polen und den Niederlanden geplante Investitionen in neue Atomkraftwerke als nachhaltig klassifizierbar sind, wenn die Anlagen den neuesten Technik-Standards entsprechen und ein konkreter Plan für eine Entsorgungsanlage für hoch radioaktive Abfälle spätestens 2050 besteht.
„Gesetz ist legalisiertes Greenwashing“
Erwartbar heftige Kritik zu der Entscheidung im EU-Parlament kommt sofort von Umewltschützer:innen. „Das ist ein herber Rückschlag für die europäische Klimapolitik“, so Jakob Mayr, Experte für nachhaltige Finanzen beim WWF Österreich. „Zusätzliche Milliarden werden in klimaschädliche Industrien fließen und uns damit in eine fatale Sackgasse bringen. Klimaziele und Energie-Unabhängigkeit geraten in weite Ferne – dieses Gesetz ist legalisiertes Greenwashing.“ Besser wäre, wenn mehr in Energiespar-Programme und naturverträgliche erneuerbare Energieträger investieren würde. Der WWF prüfe rechtliche Schritte gegen die Entscheidung.
Die Klage wird bei Greenpeace bereits vorbereitet. „Das ist ein skandalöses Ergebnis, gegen das wir vor Gericht ankämpfen werden. Die Gas- und Atomlobby wird sich nicht durchsetzen. Wir sind zuversichtlich, dass die Gerichte dieses politisch motivierte Greenwashing zu Fall bringen werden. Die große Mobilisierung von Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten hier in Straßburg diese Woche haben uns in dieser Entscheidung noch bestärkt. Menschen aus ganz Europa haben ihre Stimme erhoben, um die schlichte Wahrheit zu sagen: Gas und Atomkraft sind nicht grün“, sagt Lisa Panhuber, Sprecherin bei Greenpeace Österreich.
Auch Österreichs Umweltschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) hat bereits im Februar 2022 angekündigt, dass sie gegen dieses „Greenwashing für Atomkraft und Erdgas“ mit einer Nichtigkeitsklage vorgehen werde. Österreich und andere Länder wie Deutschland sind stark gegen Atomkraft, während die Energiequelle etwa in Frankreich weit verbreitet ist und ausgebaut werden soll.
Im Vorfeld der Abstimmung im EU-Parlament warnte bereits die Umweltschutzbewegung Fridays for Future (FFF). „Diese Taxonomie ist nichts anderes als ein Greenwashing-Instrument für schmutzige und gefährliche Energien. Als französische Bewegung sind wir wütend über die starke Lobbyarbeit der französischen Atomindustrie, die die Atomkraft in den Text aufgenommen hat. Wir können die Heuchelei Macrons nicht ertragen, der sich als Klimaschützer ausgibt, während er auf die Aufnahme von Gas drängt, um Unterstützung für die Atomkraft zu bekommen“, so Joël Domenjoud, Co-Vorsitzender des französischen Antiatom-Netzwerks „Sortir du nucléaire“.
Gewessler: Österreich wird gegen „Greenwashing der Atomkraft“ klagen