Werner Wutscher und Matthias Berger

Ausbruch aus dem Elfenbeinturm

Werner Wutscher (CEO) von New Venture Scouting © Luiza Puiu
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Zur Person: Werner Wutschers New Venture Scouting ist an der Schnittstelle zwischen Startups und etablierten Unternehmen tätig. Ziel ist, die Lücke zwischen akademischer Forschung und der Geschäftswelt zu schliessen.

Österreich hat eine hohe Forschungsquote, muss aber die Zahl der universitären Spinoffs in den nächsten Jahren deutlich steigern. Wir zeigen den Weg, wie aus Wissenschafter:innen Gründer:innen werden.

Akademische Spinoffs sind Unternehmensgründungen, die aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen heraus entstehen. Spinoffs sind der Schlüssel, um Forschung in die Realität zu überführen und der Gesellschaft zugänglich zu machen. Sie übertragen wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis und lösen damit gesellschaftliche Herausforderungen. Der Austrian Startup Monitor unterscheidet zwischen Gründungen, die im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses entstehen (Ausbildungs-Spinoffs), und Gründungen, die im Rahmen eines Dienstverhältnisses entstehen (Forschungs-Spinoffs).

Im Gegensatz zu Ausbildungs-Spinoffs basieren Forschungs-Spinoffs im Regelfall auf geistigem Eigentum, das im Sinne einer Diensterfindung der Hochschule oder Forschungseinrichtung gehört. Das macht den Ausgründungsprozess durchaus komplex.

Der folgende kurze Guide ist ein Fahrplan für Forschungs-Spinoffs. Wir begleiten dich Schritt für Schritt und geben dir eine kurze Übersicht über die wesentlichen Schritte im Spinoff-Prozess. Mache deine Forschung zu einem marktfähigen Unternehmen!

Ist Spinoff das Richtige für dich?

Deine Forschung hat Potenzial, aber ist ein Spinoff der richtige Weg? Das Produkt muss bestehende Lösungen signifikant verbessern oder traditionelle Geschäftsmodelle disruptieren, damit es sich lohnt, diesen Weg einzuschlagen. Gibt es dafür einen Markt? Sprich mit potenziellen Kunden, um deine Annahmen zu validieren und Feedback zu erhalten. Im besten Fall gibt es an deiner Hochschule eine Ansprechperson, die dich auch bei der Technologiebewertung unterstützt. Ein starkes Team ist entscheidend – bist du allein oder sind alle bereit für den Sprung? Wäge ab, ob die Ausgründung der schnellste Weg ist, deine Innovation voranzubringen.

Ein Spinoff erfordert vollen Einsatz. Du solltest dir sicher sein, dass Unternehmertum als Karrierepfad für dich in Frage kommt. Ein alternativer Ansatz ist, deine Forschungsergebnisse durch das Technologietransfer Office (TTO) der Hochschule zu verwerten, indem die Technologie z. B. einem Unternehmen zur Kommerzialisierung verkauft oder lizenziert wird. Als Erfinder:in wirst du im Normalfall an den Einnahmen daraus beteiligt, allerdings wird ein Großteil des geistigen Eigentums nicht verwertet, da TTOs nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung haben und Forschungsergebnisse ohne ein motiviertes Team im Hintergrund noch kein marktreifes Produkt ausmachen.

Wenn dir der Impact deiner Forschungsergebnisse wichtig ist, solltest du die Kommerzialisierung selbst in die Hand nehmen! Denk groß und entwickle eine Vision: Was willst du mit deinem Projekt erreichen?

Aufbau des Gründungsteams

Ein starkes Team ist das Fundament jedes Spinoffs und oftmals entscheidender für den Erfolg als die zugrundeliegende Erfindung oder Technologie. Brauchst du Mitgründer? Nicht zwingend, aber es erleichtert vieles! Finde jemanden, der deine Vision teilt, dich ergänzt und den gleichen Drive hat. Idealerweise ist dein Team divers und die Teammitglieder bringen verschiedene Kompetenzen ein. Es ist nicht von Nachteil, wenn du die anderen bereits kennst und mit ihnen zusammengearbeitet hast. Nutze dein Netzwerk und bitte um Empfehlungen.

Wichtig ist, dass ihr miteinander arbeiten könnt; teste dies in gemeinsamen Projekten. Die Aufteilung der Unternehmensanteile (Equity) sollte von Anfang an fair und transparent, abhängig vom individuellen Einsatz sein. Bitte keine Zuteilung aufgrund von Freundschaftsverhältnissen ohne sachliche Begründung – dies führt sicher zu Konflikten. Außerdem kann es sinnvoll sein, erfahrene Führungskräfte ins Team zu holen, die die wissenschaftliche Expertise ergänzen. Essenziell ist es, einen vertrauensvollen Mentor:in zu suchen, der/die das Spinoff mit Erfahrung und Netzwerk unterstützt. Es gibt viele Programme, die Mentor:innen zur Seite stellen (siehe Conclusio).

Der Transferprozess

Geistiges Eigentum (Intellectual Property) ist meist das Herzstück eines akademischen Spinoffs. In der Regel gehört dieses IP der Universität, da es im Rahmen eines Dienstverhältnisses entstanden ist. Hier kommt das TTO ins Spiel: Es ist dafür zuständig, Patente anzumelden, zu lizenzieren und zu verwalten.

Der erste Schritt? Sprich mit deiner betreuenden Professorin oder deinem betreuenden Professor und dem TTO. Deren Unterstützung ist für den Prozess entscheidend. Melde dann die Erfindung mithilfe einer Erfindungsmeldung beim TTO. Bereite dich auf detaillierte Fragen zu Erfindung, Patentierbarkeit, Marktpotenzial und Team vor. Das TTO prüft, ob eine Patentierung sinnvoll ist – falls nicht, kannst du in seltenen Fällen eine Übertragung der IP-Rechte beantragen.

Bedenke, dass die Universität angemessene Anteile am Spinoff erwartet, da sie Ressourcen und Infrastruktur bereitstellt. Bei der Ausgestaltung dieser Anteile müssen sowohl vorangegangene Investitionen als auch die zukunftsorientierten Beiträge aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden. Eventuell müssen auch die Interessen zukünftiger Investorinnen und Investoren berücksichtigt werden, abhängig davon, wann du sie an Bord holen willst.

Vorbereitung des Spinoffs

Die Vorbereitung ist entscheidend. Ein wichtiger erster Schritt ist die Suche nach einem/r erfahrenen Mentor:in, der/die dein Spinoff während des gesamten Prozesses begleitet. Ideale Mentor:innen verfügen über eigene Gründungserfahrung oder Expertise in deiner Branche und können dich sowohl beim Spinoff-Prozess als auch bei der späteren Kommerzialisierung unterstützen. Sie können wertvolle Kontakte vermitteln und dir bei wichtigen strategischen Entscheidungen zur Seite stehen. Einige TTOs verlangen in dieser Phase die Erstellung eines groben Business Plans, wobei sie dich auch unterstützen.

Über die folgenden Punkte solltest du dir in diesem Rahmen Gedanken machen: Technologie, Markt, Team, Finanzen und Timeline bzw. Meilensteine. Das TTO benötigt einen Plan, der die Tragfähigkeit und Kommerzialisierung deiner Technologie darlegt. Marktforschung hilft, die Bedürfnisse deiner Kunden zu verstehen, und wird vom TTO unterstützt.

Im Kontext der Finanzierung bieten sich in einer frühen Phase öffentliche Förderprogramme an (z. B. FFG Spinoff-Fellowship, aws PreSeed Funding). Erst in einer späteren Phase sollten Business Angels oder Venture Capital Fonds angedacht werden. Auch hier gilt: Das TTO kann dich dabei beraten und Kontakte vermitteln.

Verhandlung der Lizenz

Die Lizenzverhandlung mit dem TTO ist ein zentraler Schritt vor Gründung des Spinoffs. Im Normalfall gewährt die Hochschule eine (exklusive) Lizenz an das Spinoff für die Nutzung des geistigen Eigentums (IP). Dafür erhält sie eine Beteiligung am Spinoff oder Lizenzgebühren, womit sie am Erfolg des Spinoffs partizipiert. Die Höhe der Gegenleistung für die Lizenz steht im Zentrum der Verhandlung.

Die Partizipation am Spinoff erfolgt typischerweise mittels einer oder einer Kombination der folgenden Arten:

  • Beteiligung (Equity) – die Hochschule erhält Anteile an der Gesellschaft
  • Lizenzgebühren (Royalties) – die Hochschule erhält einen Prozentsatz der Einnahmen
  • virtuelle Beteiligung (Phantom Shares) – die Hochschule erhält virtuelle Anteile an der Gesellschaft (keine Stimm- und Mitwirkungsrechte)

Des Weiteren werden häufig Konditionen zu Unterlizenzierung, Meilensteinzahlungen, Patentierungskosten, Übertragung des geistigen Eigentums und Verwässerung (im Fall von Beteiligung) verhandelt. Bei der Verhandlung solltest du darauf achten, dass ebenfalls die Nutzung von universitären Ressourcen (z. B. Infrastruktur) geklärt ist, falls dies für dein Spinoff erforderlich ist.

Die Partizipationshöhe der Hochschule hängt stark von der individuellen Situation deines Spinoffs ab. Die Höhe wird beeinflusst von der Branche, dem Entwicklungsstadium deines Spinoffs, dem (finanziellen) Beitrag der Hochschule, dem Marktpotenzial und natürlich den Gesamtkonditionen des Lizenzvertrags.

Der Ausgründungsrahmen für österreichische Hochschulen und Forschungseinrichtungen nennt die folgenden üblichen Bandbreiten:

  • Lizenzgebühren zwischen 2 % und 5 % der Umsatzerlöse
  • Beteiligung zwischen 5 % und 20 %

Der Verhandlungsprozess kann mehrere Monate dauern (in Österreich durchschnittlich elf Monate) – bleib also dran und arbeite parallel weiter an deinem Spinoff!

Verhandlungstipps

Das TTO ist nicht dein Feind – im Normalfall achten TTOs auf gründungsfreundliche Konditionen, denn nicht nur die Gründer:innen, sondern auch die Hochschule profitieren vom Erfolg deines Spinoffs. Dennoch muss das TTO die Interessen der Hochschule angemessen vertreten und auch gesetzliche Anforderungen wie Marktüblichkeit einhalten.

Beachte deshalb die folgenden Tipps:

  • Vergleichsdaten nutzen – recherchiere über übliche Konditionen in Datenbanken und bei Anwält:innen.
  • Mit erfahrenen Personen austauschen – sprich mit erfahrenen Spinoff-Gründer:innen oder möglicherweise auch Investor:innen über den Verhandlungsprozess und die Konditionen.
  • Professor:in mit einbeziehen – dein:e Professor:in kann als Fürsprecher:in beim TTO auftreten und Druck ausüben.
  • Hartnäckig bleiben – bei langen Reaktionszeiten des TTO bleibe hartnäckig und frage regelmäßig nach.
  • TTO-Anreize verstehen – dem TTO sind im Normalfall vor allem Lizenzgebühren und erfolgsabhängige Zahlungen wichtig.

Conclusio

Akademische Spinoffs haben enormes Potenzial, Forschungsergebnisse in die Gesellschaft zu tragen und die Welt zu verändern. Dieser Guide und die Expertise deines TTO unterstützen dich auf diesem Weg. Der Spinoff-Prozess ist komplex, aber in Österreich gibt es zahlreiche Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten.

Es gibt sowohl Angebote zur finanziellen Förderung, aber auch Incubation- und Acceleration-Programme, die dich mit Expertise ausstatten und dir Mentor:innen zur Verfügung stellen (z. B. AplusB-Zentren). Ein guter Startpunkt, um solche Angebote zu finden, ist der Startup-Navigator (startup.usp.gv.at/startup). Nutze diese Angebote. Wir wünschen dir viel Erfolg bei der Umsetzung deiner Vision und dem Aufbau deines Unternehmens!

Info: Schritte zur Teambildung und Co-Founder-Suche

Schritt 1: Definiere dein „perfektes“ Co-Founder-Profil. Liste die benötigten Fähigkeiten, Erfahrungen, Charaktereigenschaften und die Übereinstimmung in der Vision auf; achte darauf, dass sich das Profil mit deinem ergänzt und nicht übereinstimmt.

Schritt 2: Entwickle eine klare Geschichte. Erarbeite deine „Story of Self“ und definiere die Vision und Mission deines Startups. Übe die Kommunikation dazu, um Kandidat:innen zu begeistern.

Schritt 3: Durchsuche dein Netzwerk. Gehe systematisch deine Kontakte durch und bitte um Empfehlungen in deinem Umfeld.

Schritt 4: Erstes Kennenlernen und Zusammenarbeit testen. Führe Gespräche, stelle „Gründerfragen“, initiiere ein gemeinsames Testprojekt (zum Beispiel Prototypenbau oder Förderantrag) und prüfe auf Kompetenz, Werte, Kommunikation etc.

Schritt 5: Stresstest für die Beziehung. Plane eine intensive, gemeinsame Herausforderung, die über mehrere Tage geht und lange Arbeitszeiten erfordert – zum Beispiel die Beantragung eines Grants oder die Festlegung eines Gründervertrags.

Info: Relevante Arten geistigen Eigentums

  • Patente und Gebrauchsmuster
  • urheberrechtlich geschützte Werke (inklusive Software)
  • Marken und Designs
  • Know-how und Geschäftsgeheimnisse

Dieser Artikel ist bereits im Trending Topics Founders Guide 2025 erschienen. Das komplette Magazin findest du hier

Spinoff Factory: Österreich bekommt erstes landesweites Spin-off-Ökosystem

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