Interview

„Besser die GmbH reformieren, als eine Austria Limited oder kleine AG einführen“

Keyvan Rastegar, Anwalt und Profi für Gesellschaftsrecht. © Keyvan Rastegar
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Eine neue Gesellschaftsform, um Gründungen in Österreich einfacher und attraktiver zu machen, wurde schon im Programm der türkis-grünen Regierung angekündigt. Nun, durch eine drohende Wirtschaftskrise und einer damit einhergehenden Konkurswelle angetrieben, wird das Versprechen konkret. Der Regierung und Sebastian Kurz gelten Neugründungen als Mittel, um der Arbeitslosigkeit Herr zu werden.

Vorschläge zur Austria Limited liegen bereits auf dem Tisch. Das Wirtschaftsministerium will, dass man eine Firma schon mit 5.000 Euro Mindestnennkapital gründen kann, dass Anteile einfach an Mitarbeiter vergeben werden können und dass der Gründungsvorgang digital abgewickelt werden kann.

Der Wiener Rechtsanwalt Keyvan Rastegar, Gründer der Kanzlei RPCK Rastegar Panchal, ist ein ausgemachter Experte, wenn es um Themen wie Gesellschaftsrecht, M&A, Venture Capital und Startups geht. in diesem Interview liefert er seine Einschätzung dazu ab, was eine neue Gesellschaftsform in Österreich können muss, um sowohl für Startups im Inland als auch für Investoren im Ausland attraktiv zu sein.

Trending Topics: Die österreichische Bundesregierung plant eine neue Gesellschaftsform, die unter dem Schlagwort „Austria Limited“ diskutiert wird und zu der ein Vorschlag des Wirtschaftsministeriums vorliegt. Dem Vorschlag zufolge soll es zur Gründung kein Stammkapital mehr brauchen, sondern nur mehr ein Mindestnennkapital von mindestens 5.000 Euro. Wie bewerten Sie den Vorschlag?

Keyvan Rastegar: Ich bin vorsichtig optimistisch, dass hier endlich Schritte in die richtige Richtung gesetzt werden. Auf der Basis unserer Studie 2017 hat der Rat für Forschung und Technologieentwicklung bereits 2018 die für die Bundesregierung verbindliche Empfehlung ausgesprochen, dass dringender Reformbedarf bei den Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen besteht.

Es ist kein Geheimnis, dass unser Gesellschaftsrecht dringend reformbedürftig ist. Es besteht seit langem Einigkeit, dass hier viel gemacht werden muss, so auch die Reform der GmbH, der AG, des Steuerrechts, des Firmenbuchs, neue Rechtsformen, usw. Die offene Frage ist: Was machen wir angesichts des Reformstaus zuerst? Von mir aus eine neue Rechtsform – Hauptsache irgendetwas geschieht endlich.

Unsere Bürokratie und Formhürden sind international absurd. Das beginnt damit, dass jedes Unternehmen von der Gründung bis zur Löschung im Teufelskreis zwischen willkürlicher Firmenbuchpraxis und sinnlosen wie kostspieligen notariellen Formvorschriften – man muss diese Dinge deutlich aussprechen – laufend schikaniert und „gemolken“ wird.

Durch die Digitalisierung dieser Prozesse könnte man Hürden abbauen.

Achtung: Diese vielen analogen Bürokratien mit digitalen zu ersetzen ist ein schwerer Fehler. Man muss die sinnbefreiten Teile der Bürokratie ersatzlos abschaffen, nicht digitalisieren – der Gegenwind ist vorprogrammiert. Wichtig wäre daher auch bei einer neuen Rechtsform, dass sie nicht von den „special interests“ einzelner Berufe und Behörden unter dem Vorwand der „Rechtssicherheit“ wettbewerbsunfähig wird. Man könnte genauso die sinnlosen Teile der Bürokratie bei der GmbH und AG abschaffen.

Anteilsklassen sind sowohl bei der GmbH und der AG unflexibel und damit ist die Vergabe von Anteilen an Investoren und Mitarbeiter umständlich und außerdem steuerlich unfair. Die flexible Gestaltung der Anteilsklassen einer Limited nach angloamerikanischem Vorbild (etwa den „Particulars of a Class“ bei der englischen Limited, oder etwa der wunderbar flexiblen US-amerikanischen LLC) ist tatsächlich eine der Stärken der Limited. Es wäre natürlich toll, wenn hier das entsprechende Know-How zusammengetragen wird und bei einer Austrian Limited umgesetzt wird. Dann wäre ein logischer zweiter Schritt, endlich die GmbH und AG zu liberalisieren.

Unter dem Vorwand der „Amtssprache“ muss trotz Europäischer Union (wo bekanntlich die Arbeitssprache unserer Politiker vor allem Englisch ist) jedes englischsprachige Dokument mühevoll und kostspielig übersetzt werden. Es gehört also das Firmenbuch reformiert – die neue Rechtsform allein genügt nicht. Es wäre der englische Name „Austria Limited“ ironisch, wenn beim Firmenbuch Englisch unzulässig bleibt.

Sprache ist die eine, Steuern eine andere Sache. Diese werden von vielen als größere Hürde erachtet.

Auch unser Steuersystem kennt keine funktionierenden und relevanten Anreize für Venture Capital und Investitionen in der Frühphase, geschweige denn VC-Fondsgründungen oder grenzüberschreitende Investitionen. Hier hilft die neue Gesellschaftsform nur bedingt und wird für sich allein genommen auch keine notwendigen Anreize schaffen. Es gehört also auch in weiterer Folge das Steuerrecht reformiert.

Treffend hat jüngst Berthold Baurek-Karlic bei Trending Topics und in der Financial Times einige Vorschläge gemacht. Die Financial Times hat unsere geteilte Befürchtung eingefangen, dass nämlich nach den politischen Turbulenzen der letzten Jahre jetzt wieder COVID-19 die Aufarbeitung des Reformstaus noch weiter verzögert.

Denn es ist Feuer am Dach. Wir vergraulen täglich talentierte österreichische Startups und Investoren ins Ausland und schrecken gleichzeitig internationale Investoren, Co-Founder und Talente ab. Einige Unternehmer und Business Angel sind trotzdem manchmal erfolgreich, und sie verdienen unsere Anerkennung. Denn sie sind es trotz – und nicht Dank – der Rahmenbedingungen.

In den jeweiligen Rankings sowie im internationalen Benchmarking belegen wir bestenfalls das Mittelfeld und regelmäßig sogar die hinteren Plätze, daran hat sich seit unserer Studie nichts Wesentliches geändert. Dass sich manche, wie Michael Eisler in seinem jüngsten Beitrag bei Trending Topics, mit dem Status Quo abfinden könnten, stimmt mich ein wenig traurig.

Im Übrigen: Das Mindeststammkapital, ob keines, 5.000 Euro, oder gründungsprivilegierte 10.000 Euro, oder einfach 35.000 Euro –  ist im Vergleich zu den sonstigen offenen Themen eigentlich ein Randthema. Das ganze Konzept des „Stammkapitals“ ist ein historisches Relikt und darf uns nicht vom umfassenden Reformstau ablenken. Daher – ob eine Austria Limited, reformierte GmbH oder kleine AG: Hauptsache Fortschritt.

Sie sind neben Wien auch in New York tätig. Wäre eine solche „Austria Limited“ attraktiv für internationale Investoren bzw. was braucht eine Gesellschaftsform, um für internationale Investoren attraktiv und verständlich zu sein?

Das kommt natürlich auf ihre Ausgestaltung ab. Es beginnt damit, ob Englisch beim Firmenbuch möglich wird, oder weiterhin mühevoll notariell beglaubigte Übersetzungen apostillierter, also im Ausland überbeglaubigter Dokumente und der Teufelskreis zwischen Bearbeitungsdauer beim Firmenbuch, willkürlicher Verbesserungsauftrag und weitere künstliche notarielle Schritte die Beteiligten monatelang aufhalten.

Meine Kollegen in unserem New Yorker Büro glauben mir bis heute nicht, dass man in Österreich physisch (oder jetzt von mir aus per Videokonferenz) anwesend sein muss, während jemand das Dokument vorliest. Das ist tatsächlich international absurd und schreckt jeden Investor ab, der richtigerweise wenig Zeit und Lust hat, sich mit den österreichischen althistorischen Formalismen auseinanderzusetzen.

Abgesehen von diesen Einstiegshürden muss man es möglich machen, dass die Gründer dem Investor eine eigene Klasse von Anteilen geben. Man muss bei einer modernen Gesellschaftsform unterschiedlichen Gruppen von Anteilsinhabern auch mit Rechtssicherheit unterschiedliche Rechte, etwa beim Abstimmen und bei der Gewinnverteilung, einräumen können.

Genauso den Mitarbeitern: Derzeit erhalten viele Arbeitnehmer Österreichs keine echten Anteile am Unternehmen, weil damit zwingend verbunden ist, dass sie auch wie ein Eigentümer abstimmen können. Stattdessen geistern zahlreiche komplizierte sogenannte „synthetische“ Beteiligungsprogramme mit diversen Namen wie Equity Incentive Plan, Virtual Share Program, Synthetic Employee Stock Option Plan oder ähnliches herum. Das ist alles viel zu kompliziert und unnötig aufwändig. Jedes Unternehmen sollte seinen Mitarbeitern Anteile geben können, ohne die Stimmverhältnisse ändern zu müssen. Und das muss natürlich steuerlich Sinn machen. In Deutschland wird das unter dem Begriff #ESOPasap diskutiert.

Michael Eisler von startup300 hat vorgeschlagen, die „kleine AG“ günstiger und einfacher zu machen als eine neue Gesellschaftsform zu schaffen. Wäre das nicht der einfachere Weg?

Der Vorschlag der kleinen AG nach dem Schweizer Vorbild ist schon länger im Umlauf und wurde bereits vor Jahren in Ministerium und Arbeitskreisen behandelt und verworfen, da das internationale Benchmarking gezeigt hat, dass die kleine AG empirisch kein besonderes Erfolgsmodell ist. Wie viele „kleine“ AGs kennen Sie? Natürlich gibt es erfolgreiche Schweizer AGs, sowohl kleine als auch große, aber das liegt nicht daran, dass sie „klein“ sind, sondern daran, dass das Schweizer Aktienrecht und überhaupt das gesamte Schweizer System vielfach vernünftiger ist. Wer zum Beispiel einmal beim ZEFIX (Anm: Schweizer Handelsregister) angerufen hat, weiß, wie kunden- und lösungsorientiert ein Firmenbuch sein kann.

Besser wäre meiner Meinung nach, die bestehende GmbH als beliebteste Kapitalgesellschaft zu reformieren, anstatt eine kleine AG oder Austrian Limited einzuführen, aber alle drei sind zumindest ein Schritt nach vorne. Es gibt derzeit ca. 1.300 Aktiengesellschaften in Umlauf und ihre Zahl schwindet. 2019 wurden nur sechs (!) Stück gegründet. Man könnte sagen: die AG ist derzeit praktisch obsolet. Hingegen ist die GmbH die mit Abstand beliebteste Rechtsform und nach dem Einzelunternehmen die beliebteste Unternehmensform in Österreich.

Das hat gute Gründe und der Markt hat gesprochen: Zwar ist die Aktiengesellschaft in manchen Punkten flexibler als die GmbH, aber sie ist die schwerfälligste und aufwändigste aller Rechtsformen. Das hat nicht nur mit dem Grundkapital von 70.000 Euro und der formalistischen Hauptversammlung zu tun, sondern die AG wurde für ein größeres Publikum, also viele Aktionäre konzipiert. Eine kleine AG ist daher ein struktureller Widerspruch in sich, und man müsste viel gegenüber der bestehenden Aktiengesellschaft ändern, beginnend mit ihrer Gründung und Löschung, aber auch ihre laufende Wartung, Aufsichtsrat, Entscheidungsfindung, zwingende Anteilsklassen, bis hin zum Insolvenzrecht.

Da kann man gleich die AG reformieren und das ist ein wichtiges Projekt, aber wird dauern. Im Vergleich dazu ist ein frischer Start mit einer „Limited“ oder wie auch immer sie heißen mag, der schnellere Weg zum Fortschritt. Man kann auch von mir aus die Austrian Limited später „kleine AG“ oder „Unternehmensgesellschaft“ (wie in Deutschland) oder sonst etwas nennen: Hauptsache, sie übernimmt nicht die vielen strukturellen Hemmnisse und Hindernisse der Aktiengesellschaft, die der Markt abgelehnt hat.

Gibt es internationale Vorbilder, an denen man sich orientieren sollte?

Natürlich, und dort sollten wir beginnen. Die mit Abstand besten Rechtsformen und Träger der erfolgreichsten Unternehmen sind die amerikanische Limited Liability Company (LLC) und Corporation (auch Corp. oder Inc. genannt), die einander zunehmend ähnlicher werden. Auch die Englische Limited und das Companies House ist unserer GmbH und unserem Firmenbuch weit voraus. Man sollte auch verstehen, dass die kurzfristige Welle an englischen Limited Anfang der 2000-er Jahre nach den EuGH Urteilen Centros, Überseering und Inspire Art aufgrund der mangelnden politischen Umsetzung der Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

Dafür kann aber die Limited nichts – sie ist gerade nach heutigem Stand nach dem Companies Act 2006 eine tolle Rechtsform. Im Vergleich dazu stammt unsere GmbH aus 1906 – man könnte etwas vereinfacht sagen, dass die englische Limited um 100 Jahre aktueller ist als unsere GmbH. Ein ganzes Jahrhundert – das sollte einem zu denken geben.

Ein wichtiger Punkt beim Gründen ist nicht nur der Gründungsprozess selbst, sondern das, was danach passiert. Gerade bei Startups verschieben sich die Anteile der Firma oft, wenn Investoren an Bord kommen oder wenn Mitarbeiter mit Anteilen incentiviert werden sollen. Wie kann man das rechtlich einfach machen?

Das beginnt mit der Flexibilisierung der Anteilsklassen. Am Beispiel der GmbH: Dort herrscht heute eine sogenannte Einklassengesellschaft. Das heißt, dass alle Gesellschafter grundsätzlich gleich sind, anstatt, dass man Gruppen an Gesellschaftern (Klassen) bilden könnte, und die ganze Gruppe einheitlich behandelt wird. Also zum Beispiel die Gruppe der Mitarbeiter, die Gruppe der ersten Investoren, der zweiten Investoren usw. Die Aktiengesellschaft ist nicht viel besser mit ihrer Zweiklassengesellschaft (Stamm- und Vorzugsaktien) und vielen Vorgaben.

Wie in unserer Studie ein erfolgreicher Gründer meinte: Bei uns ist es so, dass sich jeder Unternehmer ständig selbst klagen muss. Sobald er etwas an seinem Unternehmen ändert, also zum Beispiel Anteile verkauft oder eine Kapitalerhöhung durchführt, damit ein Investor einsteigen kann, muss er sich nachher selbst beim Firmenbuch „klagen“ – sprich einen Antrag ans Handelsgericht stellen, und hoffen, dass die hoheitliche Behörde ihm stattgibt. Rechtsmittel gibt es natürlich keine, denn wer hat die Zeit, jahrelang ein OGH-Urteil abzuwarten?

Das ist ein riesiges Problem, wenn man im Vergleich dazu in den USA eine Seite des Vertrags in einer halben Stunde ändert, das unterschreibt (natürlich ohne Notar) und das damit vollkommen rechtssicher für die größten Unternehmen der Welt Anteile zuweisen kann. In England kann man das zumindest online beim Companies House einreichen und es wird schnell eingetragen und nicht monatelang von Clerks hinterfragt.

Also flexible Klassen, unbürokratische Umsetzung, und schließlich: Steuerregelungen, die Sinn machen. Die tausenden Telefonkonferenzen und Beratungskosten, bei denen Gründer verzweifeln, ob sie einem Co-Founder Anteile geben können, ohne damit riesige Steuerbelastung auszulösen, oder wie man einem motivierten Mitarbeiter ein paar Prozentpunkte gibt, ohne volle Lohnnebenkosten und vielleicht sogar auch noch Kapitalertragsteuer beim Exit zu häufen, müssen endlich aufhören.

Die „GmbH light“ gab es vor einigen Jahren bereits, wurde dann aber wieder abgeschafft – auch, weil dem Fiskus damals einiges an Steuergeld drohte zu entgehen. Was würde eine „Austria Limited“ in punkto Steuern ändern?

Die Diskussion um die GmbH light und dann wieder Änderung in die gründungsprivilegierte GmbH war eine besondere Zeitverschwendung. Es geht nicht darum, ob man 10.000, 20.000 oder 30.000 Euro in sein Unternehmen stecken muss, und darum dreht sich die bedauerliche Debatte, weil das Kapital darf und wird rasch nach Gründung verbraucht werden, sondern ob man laufend Geld verbrennen muss, um die Bürokratie und Formalismen zu bedienen, die einem Unternehmer nicht nur nichts bringen, sondern bremsen. Das ist gerade etwa bei Technologieunternehmen mit Zug zum Markt erfolgsentscheidend, aber schadet auch allen anderen.

Volkswirtschaftlich sollte es um eine brummende Wirtschaft gehen, die viele Arbeitsplätze und Wohlstand schafft, nicht darum, bei vom System gehemmten und gebremsten Startups die Mindest-KöSt zu maximieren.

Für diejenigen, die ohne Mindest-KöSt nicht leben können: Die 500 Euro für die ersten fünf Jahre und 1.000 Euro für die nächsten fünf Jahre bei der gründungsprivilegierten GmbH könnten vom Fiskus auch bei der Austria Limited vorgeschrieben werden, egal wie hoch das Stammkapital ist. Mindest-KöSt und Stammkapital müssen überhaupt nichts miteinander zu tun haben.

Die eigentliche Frage ist also die steuerliche Behandlung der privaten Investitionen, die unsere Unternehmen finanzieren sollen. Kann ein Business Angel, der in 10 Unternehmen investiert, von denen eines aufgeht und erfolgreich verkauft wird, die Verluste der anderen 9 davon abziehen? Welche Rechtsform muss dann dieser Investor gründen? Kann ein anderer EU-Fonds in Österreich einen Venture Capital Fonds gründen oder ist das steuerlich prohibitiv? Das sind einige der wichtigen steuerlichen Fragen.

Die Tokenisierung ist auf dem Vormarsch. Auch Unternehmensanteile könnten mit Token auf der Blockchain abgebildet werden. Sollte man das nicht gleich für eine neue Gesellschaftsform mit berücksichtigen?

Innovationen wie die Blockchain sind grundsätzlich etwas Schönes. Auch die Abbildung von Unternehmensanteilen auf der Blockchain wäre leicht möglich – überhaupt bietet die Blockchain langfristig viele Möglichkeiten im rechtlichen Bereich.

Die engere Frage ist aber, welche Funktion die Blockchain einnehmen soll. So könnte man einen Unternehmensanteil als Token auf der Blockchain darstellen, um dessen Übertragung (vermutlich anstatt eines Notariatsakts) auf dieser zu ermöglich. Das ist aber genau das, was wir vermeiden sollten: ein analoges Hindernis (Notariatsakt) mit einem digitalen (Übertragung auf der Blockchain) zu ersetzen.

Man kann auch diskutieren, öffentliche Register wie das Firmenbuch und Grundbuch eines Tages statt bei Gericht auf einer Blockchain abzubilden. Die Blockchain löst aber das Problem des mangelnden Vertrauens, und trotz aller Baustellen ist ein solcher „lack of trust“ nicht das Problem bei unseren Registern, sondern das Gegenteil, nämlich hohe Bürokratie und Überregulierung.

Dabei entstehen freilich viele weitere Folgefragen, zum Beispiel ob man sich dann auf die „Publizität der Blockchain“ verlassen kann oder die Publizitätsvorschriften ändern muss, und wie das zivilrechtlich funktionieren soll, wenn unrichtige Angaben (wie der falsche Eigentümer) in der Blockchain abgebildet sind.

Die neue Gesellschaftsform soll dafür sorgen, dass mehr Menschen nach der Corona-Krise gründen. Politiker meinen, dass man so der drohenden steigenden Arbeitslosigkeit entgegenwirken könnte – quasi Entrepreneurship statt AMS. Ihre Meinung?

Natürlich schaffen Neugründungen Arbeitsplätze, was eines der vielen guten Dinge an einer florierenden Startup-Szene ist. Die wenigen Arbeitsplätze der Gründer verblassen aber im Vergleich zu den vielen Arbeitsplätzen, die ein wachsendes Unternehmen schaffen kann. Wir sollten nicht vergessen, dass das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft (wachsende) KMUs sind.

Arbeitsplätze werden geschaffen, wenn Unternehmen gut wachsen können, was der Fall ist, wenn sie gut kapitalisiert sind, also früh mit ausreichend Investitionen (wie zum Beispiel Eigenkapital von Business Angels oder Venture Capital Fonds) und Finanzierungen (wie zum Beispiel von Banken) ausgestattet sind. Und diese beiden Bereiche unterliegen ebenfalls dem Reformstau.

Für den Eigenkapitalbereich fehlen die besprochenen Rahmenbedingungen. Beim Fremdkapitalbereich fehlt uns das bereits 2008 diskutierte Mobiliarpfandregister. Kein Wunder, dass eine Bank einem KMU keinen Kredit gibt, weil es an Sicherheiten mangelt. Das liegt aber nicht am KMU oder der Bank, sondern am System. Wir haben nur ein Sicherheitenregister, nämlich das Grundbuch für Liegenschaften. Das Register für bewegliche Sachen fehlt. Stellen Sie sich eine Wirtschaft ohne Grundbuch vor – das wäre doch eine Katastrophe. Und genau diese Katastrophe erleben wir bei allen anderen Gegenständen, wie Inventar oder Maschinen oder Software. Denn nur wenige Unternehmen haben Liegenschaften und Banken können fast nur Liegenschaften als Sicherheiten nehmen. Ist das nicht absurd? Ein Mobiliarpfandregister sollte selbstverständlich sein und wir müssen endlich aufschließen.

Abschließend würde ich anmerken, dass man von Neugründungen zwar einen gewissen Effekt auf die Kurzzeitarbeitlosigkeit (COVID-19 bedingt oder sonst), aber nicht auf die Langzeitarbeitlosigkeit erwarten darf, und die ist bekanntlich das Kernproblem und bedarf anderer Lösungen.

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