Autofreier (Sonn)Tag? Für Österreich wenig hilfreich
Die internationale Energieagentur (IEA) hat jüngst einen 10-Punkte-Plan vorgestellt, durch welchen man in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften die Ölnachfrage innerhalb der nächsten vier Monate um 2,7 Millionen Barrel pro Tag senken können soll, wir berichteten. Einer dieser zehn Punkte: die Einführung eines autofreien Sonntags in (Achtung!) Städten. Schnappatmungsanfällen, wegen der so verlorenen Mobilität für die Menschen am Land, wurde so direkt vorgegriffen.
Die Idee eines autofreien Sonntags ist dabei natürlich gar nicht ganz so neu. Zumindest nicht hierzulande. Bereits im Januar 1974 wurde aufgrund der kletternden Treibstoffpreise wegen des Jom-Kippur-Kriegs im Nahen Osten ein autofreier Tag in Österreich eingeführt. Jede:r Bürger:in konnte sich selbst den autofreien Tag aussuchen und gab diesen mit einem Pickerl auf der Windschutzscheibe an. Diese Maßnahme wurde zwar bereits nach fünf Wochen wieder abgeschafft, ist damit aber ein Beispiel, wie so etwas gestaltet werden könnte.
Das ist die eine Seite unserer Kommentar-Serie „zweiseitig“. Jakob ist in punkto autofreiem Tag anderer Meinung, ihren Kommentar liest du hier:
Oh du dreckiger Verkehrssektor
Trotzdem bin ich heutzutage gegen einen autofreien (Sonn)Tag. Das bei aller Liebe nicht, weil ich eine fanatische Autoenthusiastin bin. Wie könnte ich auch, bei der bizarren Klimabilanz, welcher dieser Bereich aufweist. Seit 1990 sind die emittierten Treibhausgase durch den Verkehrssektor in Österreich um 74,4 Prozent gestiegen. Tendenz steigend. Im letzten Jahr vor den Pandemie-Einschränkungen hat der Verkehrssektor, wenig überraschend, das nationale Klimaziel für das Jahr 2019 deutlich verfehlt und die Mengen der emittierten Emissionen sind zum fünften Mal in Folge gestiegen. 30 Prozent der österreichischen Emissionen kommen aus dem Verkehr, der damit, nach der Energie und Industrie, den zweitgrößten Anteil an den nationalen Gesamtemissionen trägt.
Somit ist der Bedarf nach grundlegenden Änderungen, aber auch das Potenzial in diesem Bereich außerordentlich hoch. Ein, wahrscheinlich auch nur temporärer, autofreier Tag, wird vielleicht die Ölnachfrage kurzfristig senken, kann dem Klima aber nachhaltig nicht viel helfen. Vielleicht sogar schaden. Denn mit dieser Maßnahme würde, wieder einmal, das Schreckensgespenst „Verbot“ geweckt, dass für einige gleichzusetzen ist mit Klimaschutz und somit das Opfer, Auto, als Symbol für Freiheit und Selbstständigkeit, fordert. Verbote führen zu Ablehnung und das können wir uns im Kampf gegen die Klimakrise nicht leisten.
Autofrei ist in den Städten eh nichts neues
Zudem wäre die Wirkung bei einer Begrenzung nur auf Städte zumindest in Österreich verhältnismäßig gering. Im Vergleich zu anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften hat Österreich mit Wien nur eine Millionenstadt und in dieser haben laut einer VCÖ-Analyse von 2021 sowieso schon fast die Hälfe (47 Prozent) der Haushalte kein Auto. Und auch die restlichen 53 Prozent werden schätzungsweise ihr Auto sowieso nicht jeden Tag nutzen.
Somit, zumindest in Österreich, wenig Realwirkung bei vergleichsmäßig hoher Symbolkraft. Steigende Preise haben grundsätzlich sowieso zur Folge, dass der tatsächliche Bedarf an Autofahrten überdacht wird. Zudem könnte man statt einem autofreien Tag, einen Gratis-Öffi-Tag einführen. Die Stadt Graz macht das bereits seit Jahren in der Vorweihnachtszeit und holt so die Menschen zum Weihnachtsshopping in die Stadt. So bleibt die Wertschöpfung in den Städten, statt vielleicht im Universum des E-Commerce, und auch Fans des Individualverkehrs lernen die Vorzüge einer Parkplatzsuche-freien Fahrt in die Stadt kennen.
Fördern statt verbieten
Neben der Preisfrage, muss auch die Verfügbarkeit der Öffentlichen Verkehrsmittel gegeben sein. Denn was bringt mir eine Gratisfahrt, wenn die Anbindung nicht da ist? Da bietet sich eine noch viel verstärktere Förderung von Shared-Mobility-Lösungen an. Von der Förderung des Ride-Pooling-Konzeptes zu Kooperationen zischen Mikromobilitätsanbietern, wie E-Bike oder E-Scooter bis hin zum Shared Car, für die letzte Meile oder die Verbindung von Ortschaften zu Bahnhöfen. Fördern statt verbieten wäre die Devise. Denn am Ende ist ein autofreier Tag sowas von 70-er und somit 50 Jahre hinter der Zeit.