Bäume pflanzen, aber richtig: Worauf es bei Aufforstungsprojekten ankommt
CO2-Zertifikate aus Aufforstungsprojekten sollen die Klimabilanzen von Unternehmen schön rechnen. Doch nicht nur sie sind problematisch – am Ende geht es auch um den Preis.
Es wäre ja schön, wenn es so einfach funktionieren würde. Ein Unternehmen emittiert durch seine Produkte und Services CO2. Und um dieses CO2 wieder aus der Welt zu kriegen, pflanzt es Bäume in Afrika, Asien oder Südamerika, die es in sich aufnehmen. Pflanzt man genug Bäume, kann man den CO2-Zähler auf Null setzen und behaupten: Meine Firma ist klimaneutral!
Von großen Finanzinstituten über führende Software-Unternehmen im Silicon Valley bis hin zu jungen Startups in Europa sieht man es immer öfter: Wir finanzieren Aufforstungsprojekte. Dahinter ist eine ganze Industrie entstanden. Organisationen wie One Tree Planted, Eden Reforestation Projects, Treedom oder Click A Tree bieten Unternehmen die einfache Möglichkeit, via Internet Geld einzuzahlen und Aufforstungen finanziell zu unterstützen. Im Gegenzug bekommt man in Bildern, Grafiken und auf Karten dokumentiert, wo die Bäume gepflanzt werden, wie viele Jobs man dadurch schafft – und wie viel CO2 die Wälder binden. Mit diesen Zahlen wird auch kräftig PR gemacht – so viel PR, dass es manchen zu viel wird.
Denn der Konsument:innenschutz in Deutschland hat dieses Jahr eine Reihe von Unternehmen, die Refurbished-Plattformen betreiben, ins Visier genommen – darunter Refurbed aus Österreich und Back Market aus Frankreich. Sie verkaufen generalüberholte Technik, etwa Smartphones und Laptops. Ausgerechnet sie, die sich stets einen nachhaltigen Anstrich durch Recycling und Kreislaufwirtschaft verpassten, mussten sich Greenwashing „mit fragwürdigen Umweltaussagen“ vorwerfen lassen. Nach einer Abmahnung vermarktet sich Refurbed aus Wien nicht mehr als „klimaneutral“, Back Market wurde gar geklagt.
Kritisches Offsetting
Dass die CO2-Emissionen von Unternehmen mit der vermeintlichen Kompensation durch Bäumepflanzen schöngerechnet wurden, kommt bei Umweltschützer:innen natürlich nicht gut an. Vielmehr sehen sie es kritisch. Egal, wen man in der Branche fragt – weder bei WWF, noch bei Greenpeace, noch bei Global 2000 sieht man solche Vorgänge positiv. „Es ist zwar sinnvoll, wenn Unternehmen in Klimaschutzprojekte investieren, und Aufforstungsprojekte können wichtige Klimaschutzimpulse setzen, aber dass sich Unternehmen mit Offsetting als klimaneutral bezeichnen, sehen wir aus mehreren Gründen kritisch“, sagt etwa Johannes Wahlmüller von Global 2000. „Bei Aufforstungsprojekten ist zu beachten, dass Bäume CO2 speichern, was sich auch berechnen lässt. Es dauert allerdings lange, bis die Wälder, mit denen Offsetting betrieben wird, wieder nachwachsen, während das CO2 gleich in der Luft ist.“ Zudem kann niemand garantieren, dass die Bäume das CO2 längerfristig binden – durch Waldbrände und Rodungen kann es wieder freigesetzt werden.
GoGreen! Trending Topics launcht Magazin mit Nachhaltigkeitsschwerpunkt
Dass CO2-Offsetting eigentlich nicht mehr wirklich funktioniert, hat folgenden Hintergrund: Unter dem Kyoto-Protokoll von 2005 ging es noch rechnerisch, dass CO2, das in dem einen Land verursacht wird, in einem anderen Land (z.B. durch Wälder) reduziert wird. Damals verpflichteten sich nur die Industrieländer zur CO2-Reduktion. Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2016 aber sollen nahezu alle Staaten der Welt CO2 abbauen. Das birgt die Gefahr, dass CO2 doppelt gerechnet wird – unterm Strich lügt sich die Menschheit so nur in die eigene Tasche.
Wenn Klimabilanzen in die Irre führen
Doch das Bäumepflanzen kommt nicht aus der Mode, vielmehr gehört es bei Online-Shops mit grünem Anstrich zum guten Ton. „Der Kauf von CO2-Ausgleichszertifikaten wird zunehmend von Unternehmen verwendet, um sich ein grünes Image zu verpassen und Kund:innen über die eigene Klimabilanz in die Irre zu führen. So wird nach dem Ausgleich der eigenen Emissionen mittels Spottpreis-Zertifikaten suggeriert, dass das Unternehmen oder das Produkt nun ‚klimaneutral‘ sei – also ohne schlechtes Gewissen zu konsumieren wäre“, sagt Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich.
Der Deutsche Chris Kaiser, der lange in Thailand lebte und dort das Problem der Entwaldung hautnah miterlebte, will es mit seinem Startup Click A Tree besser machen als so manch andere Organisation. Auch er sagt: CO2-Kompensation durch Bäume, das geht nicht. „Das bewegt Firmen oder Menschen leider oftmals dazu, so weiter zu machen wie bisher. Man kann nicht sagen: Ich hab soundso viele Emissionen, ich pflanze jetzt ein paar Bäume, und damit ist der Drops gelutscht“, sagt Kaiser. „Deswegen geben wir auch keine CO2-Zertifikate aus oder bestätigen unseren Partnern auch nicht, dass sie klimaneutral sind.“
Eine Frage der Preise
Die angesprochenen Spottpreise sind in der Branche der Baumplanzer ein bekanntes Problem. Während Anbieter wie Eden Reforestation Projects weniger als einen Dollar oder manchmal sogar nur einige Cent pro Baum verrechnen, verlangt Kaisers Firma Click A Tree zwischen 9 und 22 Euro je Baum. Mit diesem Geld wären Baumprojekte in Europa wegen der hohen Grundpreise nicht möglich. Dass vorwiegend in Asien, Afrika oder Südamerika gepflanzt wird, hat mehrere Gründe. So sind Arbeitskräfte dort günstiger, aber auch: Bäume in tropischen Regionen wachsen schneller und entfalten so auch schneller ihre volle CO2-Leistung.
Damit könne man wirklich vor Ort Arbeitsplätze schaffen und Wälder schützen. Wolle man lediglich CO2 kompensieren, gebe es auch andere Wege. Er betreibt die Aufforstungsprojekte wegen des ganzheitlichen Aspekts. „Bäume sind ein gutes Mittel, weil sie an vielen Dingen ansetzen. Sie binden nicht nur CO2, sie schaffen auch Lebensraum für Tiere und Arbeitskräfte vor Ort.“ Auch wenn sich Firmen bei ihm keine CO2-Zertifikate holen können, ermutigt er natürlich weiter, Aufforstung finanziell zu unterstützen. „Es geht nicht nur drum, klimaneutral zu werden, wir müssen alle überkompensieren, um einfach wettzumachen, was in den letzten Jahrzehnten falsch gelaufen ist.“
Diese Story stammt aus dem unserem neuen Magazin „GoGreen“. Das ist hier kostenlos als Download abrufbar.