Balkonkraftwerke: Solarstrom für zuhause erlebt Boom
Derzeit erlebt die Photovoltaik in Europa einen gewaltigen Boom. Aufgrund der Energiekrise will die EU den Ausbau dieser Erneuerbaren Energie stärker vorantreiben. Auch Privatpersonen setzen immer stärker auf Photovoltaik-Anlagen. Nicht nur auf Hausdächern lassen sich solche Anlagen installieren. Auch in einer Wohnung ist es möglich, Solarenergie effektiv zu ernten – vorausgesetzt, es gibt einen Balkon. Sogenannte „Balkonkraftwerke“ liegen in Deutschland bereits im Trend, während sie in Österreich auch auf dem Vormarsch sind, berichtet Vienna.at.
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Rahmenbedingungen in Österreich günstig
In Deutschland gibt es Schätzungen zufolge bereits bis zu eine halbe Million installierte Minisolaranlagen. Für Österreich gibt es keine aktuellen Angaben, man kann aber davon ausgehen, dass die Zahl hierzulande fünfstellig ist. Die Hersteller der Photovoltaik-Anlagen, die man auf dem eigenen Balkon installieren und an die eigene Steckdose anschließen kann, sind vielfach ausverkauft. Überall gibt es längere Lieferzeiten. Doch die Nachfrage bleibt hoch, unter anderem wegen der explodierenden Strompreise, der Umweltfreundlichkeit der Sonnenenergie und der Angst vor Blackouts.
Ein weiterer Faktor, der Balkonkraftwerke attraktiv macht, ist der relativ geringe Preis. Bereits ab 450 Euro lassen sich die Photovoltaikanlagen erstehen. Zudem gibt es oft Fördermöglichkeiten für sie. Die Stadt Graz etwa zahlt für die Anschaffung einer „Kleinst-Photovoltaikanlage“ für den Balkon 60 Prozent der Anschaffungskosten, bis zur Höhe von 600 Euro. Außerdem sind die Rahmenbedingungen in Österreich besonders günstig. In vielen Ländern gelten selbst für kleine PV-Anlagen strenge Auflagen. Dagegen dürfen Verbraucher:innen Balkonkraftwerke mit einer Einspeiseleistung von bis zu 800 Watt problemlos verwenden. Sie müssen das Gerät nur über eine feste Verbindung ins Netz integrieren und beim Netzbetreiber anmelden.
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Grazer Firma EET ist wichtiger Player
Zu den heimischen Unternehmen, die Mini-PV-Anlagen herstellen, gehört die Grazer Firma Efficient Energy Technology (EET). Drei Studenten der TU-Graz haben sie im Jahr 2017 gegründet und kann heute ein Team aus 38 Mitarbeiter:innen und mehrere Millionen Euro Umsatz vorweisen. Bis Jahresende soll sich die Belegschaft um zwölf Personen erweitern. Zuletzt verkaufte EET pro Monat rund 1.000 seiner „SolMate“-Anlagen.
Doch mit der hohen Nachfrage gehen auch lange Wartezeiten einher. Bei den kleinsten Balkonkraftwerken (370 Watt) beträgt sie etwa acht Wochen, bei größeren Anlagen, etwa solchen mit eigenem Speicher, über ein halbes Jahr. Bei der Wiener Firma base.energy sieht die Situation ähnlich aus. Geschäftsführer Simon Niederkircher rechnet damit, dass sich die derzeitige Nachfrage auf hohem Niveau einpendeln wird: „Mittlerweile wissen viel mehr Leute Bescheid, was ein Balkonkraftwerk überhaupt ist. Und die Energiepreissituation tut ein Übriges.“
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Balkonkraftwerke amortisieren sich schnell
Mit kleinen Balkonkraftwerken lässt sich im Prinzip die Grundlast eines durchschnittlichen Haushalts decken. „Das sind so zwischen 100 und 300 Watt“, erklärt Jan Senn, Verkaufsleiter bei EET in Graz. Wenn das Balkonkraftwerk mehr Strom erzeugt, als im Haushalt gerade gebraucht wird, dann werde dies an das Netz verschenkt. Die Anlagen können den Energieverbrauch eines Haushalts natürlich nie alleine stemmen. Sie eignen sich laut dem Portal Energieheld in erster Linie dafür, den steten Strombedarf von Geräten im Standby-Modus zu decken. Für den autarken Betrieb eines Toasters (800 bis 1.200 Watt) oder eines Haartrockners (1.400 bis 2.000 Watt) beispielsweise reicht die Leistung eines kleinen Exemplars alleine noch nicht aus.
Sinnvoll sei die Anschaffung eines derartigen Mini-Kraftwerks allemal, bekräftigt Christian Ofenheusle, der Betreiber von Machdeinenstrom.de, der deutschen Nutzerplattform für Balkonkraftwerksbetreiber. In Deutschland amortisiere sich ein Balkonkraftwerk innerhalb von sechs bis sieben Jahren, für Österreich sei das wegen der sehr unterschiedlichen Strompreise nicht so leicht zu sagen. Ökologisch gesehen gehe die Amortisation in Deutschland sogar noch schneller.
Rechtslage nicht immer völlig klar
Die Lebensdauer eines Balkonkraftwerks beträgt durchschnittlich 30 Jahre. Kaputte oder verbrauchte Solaranlagen lassen sich im Idealfall über Recyclinghöfe fachgerecht entsorgen. Bei EET macht man sich aber schon Gedanken über die Zukunft, wenn die eigenen erzeugten Balkonkraftwerke an den Rand ihrer Lebensdauer kommen. EET gibt auf alle seine Geräte eine 80-Prozent Leistungsgarantie für 25 Jahre. „Wir überlegen uns derzeit, wie wir das machen können. Das ist zwar noch Zukunftsmusik, aber wir werden die Anlagen zurücknehmen und so gut wie möglich wieder verwenden“, sagt Senn.
Obwohl in Österreich die Rechtslage bezüglich der Balkonkraftwerke eindeutig erscheint, herrscht mancherorts offenbar noch Verwirrung: „Es gibt ein paar Netzbetreiber, die sagen, es ist nicht möglich, Balkonkraftwerke anzuschließen“, sagt Alfons Haber, Vorstand bei E-Control, der für die Strom- und Gaswirtschaft zuständigen Regulierungsbehörde in Österreich. Daher plant die E-Control Anfang September eine Veröffentlichung auf ihrer Homepage, mit der sie über die geltenden Rahmenbedingungen Klarheit schaffen will.