Hintergrund

Bangen um Binance

Changpeng Zhao, früherer CEO von Binance. © Web Summit via Sportsfile (CC BY 2.0)
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„Die nächsten Monate werden holprig werden, aber wir werden diese herausfordernde Zeit überstehen.“ Wenn CZ derzeit eines zu tun hat, dann, die Mitarbeiter:innen und die Weltöffentlichkeit zu beruhigen. Der FTX-Kollaps steckt der Krypto-Branche schwer in den Knochen, und täglich kommen weitere Meldungen hinein, die weitere Krypto-Börsen und Trading-Firmen wie Gemini, Genesis oder zuletzt Bitvavo wackeln sehen. Und da stellt sich auch die Frage: Wie stabil ist Marktführer Binance?

CZ, das ist natürlich Changpeng Zhao, Binance-Mitgründer und CEO, und spätestens seit 2022 der große Star der Krypto-Welt. Nicht nur, dass er in „Crypto Twitter“ investiert hat, mit milliardenschweren Rettungspaketen will die führende Krypto-Exchange sowohl Krypto-Startups als auch Bitcoin-Miner vor dem Untergang im Krypto-Winter retten. Doch kann Binance das überhaupt?

Selbst bei einfachen Fragen – wo ist der Firmensitz des Unternehmens? – gibt es keine klaren Antworten. Lediglich: „Binance ist keine chinesische Firma. Ich muss das immer wiederholen, weil ich chinesisch aussehe. Ich bin seit 30 Jahren Kanadier“, sagt CZ. Vermutlich ist es eher so: Binance ist eine Remote-First-Company, über die Zeit länderübergreifend gewachsen, und jetzt händeringend zwischen Paris und Dubai auf der Suche nach einer offiziellen Heimat. Zuletzt hieß es, der Hauptsitz sei auf der Steueroase Cayman Islands, aber das werde sich bald ändern. Status? Ungewiss.

Das Vertrauen in den Marktführer schwindet. Seit dem FTX-Kollaps sehen Analyse-Firmen ziemlich genau hin, wie viele Gelder bei der Krypto-Börse rein- und rausgehen. Speziell die Blockchain-Analyst:innen von Nansen haben Binance ins Visier genommen und veröffentlichen am laufenden Band Insights in die Krypto-Bestände von Binance. Am heutigen Samstag der nächste Schlag in die Magengrube: „Binance hatte vor einem Monat einen Kryptowährungsbestand von 69,5 Mrd. Dollar, der jetzt bei 54,7 Mrd. Dollar liegt, was auf große Abhebungen und Preisschwankungen zurückzuführen ist“, heißt es aktuell seitens Nansen. Bedeutet: Die Krypto-Bestände von Binance sind innerhalb eines Monats um 14,8 Milliarden Dollar geschrumpft – weil Nutzer:innen BTC und Co. abgezogen haben, und weil der Wert von Krypto-Assets generell gesunken ist. Eine gefährliche Abwärtsspirale.

Jetzt schauen alle auf Binance: Wie stabil ist die führende Krypto-Börse?

US-Justiz hat etwas in der Hinterhand

Soweit zu dem, was sich innerhalb von Binance tut. In der Außenwelt warten derzeit viele darauf, dass bald das US-Justizministerium zuschlagen könnte. Wie berichtet laufen gegen das Unternehmen, das in den USA über die Tochter Binance US operiert, bereits seit 4 Jahren, also seit 2018, Ermittlungen. Im Kern geht es offenbar darum, ob Binance den Bank Secrecy Act der USA verletzt haben könnte. Eigentlich müssen sich Kryptobörsen beim Finanzministerium registrieren lassen und die Anforderungen zur Bekämpfung der Geldwäsche erfüllen. Einem Reuters-Bericht zufolge könnte es darum gehen, dass Binance durch laxe Kontrollen von Hackern, Betrügern und Drogenhändlern verwendet worden sein könnte, um Krypto-Assets im Gegenwert von 2,35 Milliarden Dollar zu waschen (Trending Topics berichtete).

Warum es noch zu keiner Anklage in den USA gekommen ist, soll laut Reuters daran liegen, dass sich die Staatsanwälte des US-Justizministeriums noch nicht darüber einig sind, ob es bereits genug Beweise gibt, um rechtliche Schritte zu rechtfertigen. Die Anwaltskanzlei von Binance, Gibson Dunn, soll sich Reuters zufolge bereits mehrmals mit Vertreter:innen des US-Justizministeriums getroffen haben. Bei den Gesprächen geht es offenbar darum, einen Vergleich zu erreichen. Eine strafrechtliche Verfolgung würde für den Krypto-Markt, 2022 bereits hart durch US-Zinswende, Terra/LUNA und FTX getroffen, verheerende Folgen haben. auch würde CZ so rechtliche Konsequenzen für seine eigene Person abwenden. Kürzlich ist CZ sogar in die USA gereist, wie sein Sprecher bestätigte. Wozu, bleibt unklar.

Derzeit zweifeln immer mehr an der Stabilität von Binance. Das sieht man vor allem daran, dass der Kurs des BNB-Token (der Exchange-Token von Binance ermöglicht u.a. günstigere Handelsgebühren) stärker an Wert verliert als viele andere Krypto-Assets. Auch der Stablecoin BUSD, der an den US-Dollar gekoppelt ist, wirkt nicht unbedingt sicher. So verringerte sich die Menge an BUSD diese Woche schlagartig von 22 auf 18,5 Milliarden Dollar. Wohlgemerkt: BNB und BUSD sind 2 der sechst größten Krypto-Assets der Welt, zusammen kommen sie auf einen Marktwert von 56 Milliarden Dollar. Das sind etwa 7 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung des Krypto-Marktes.

Hier die Entwicklungen von BNB und BUSD seit Jahresbeginn:

BNB Preisentwicklung:

BUSD Market Cap:

Immer neuer Ärger mit den „Proof of Reserves“

Würden diese beiden Krypto-Assets plötzlich wegbrechen, wäre das für sich schon ein weiteres Desaster für den Krypto-Markt. Aber Binance ist auch aus anderen Gründen systemkritisch. Mit einem Handelsvolumen von 12 Milliarden Dollar in den vergangenen 24 Stunden und 15 Millionen wöchentlichen Visits von Usern ist die Krypto-Börse grob sechs bis zehn Mal größer als Mitbewerber wie Coinbase, Kraken oder KuCoin. Binance ist so etwas wie das Google der Krypto-Welt – laut CryptoCompare hatte es im November 2022 einen Marktanteil von fast 53 Prozent unter den zentralisierten Exchanges – so viel wie noch nie.

CZ derweil gibt sich bescheiden, eilt von Interview zu Interview, versucht zu beruhigen, schreibt sich die Mission „Adoption“ auf die Fahnen und lobte zuletzt Ex-Präsident Donald Trump, weil dieser NFTs auf den Markt brachte. „FUD“, also „Fear, Uncertainty, Doubt“, sei es, was die Binance-Kritiker:innen da streuen würden. Derweil kämpft sein Unternehmen darum, die richtigen Beweise vorzulegen, dass alle Krypto-Assets der Nutzer:innen auch da sind und nicht wie bei FTX in irgendwelchen Finanzlöchern und dubiosen Geschäften verschwinden. Doch die Sache mit den „Proof of Reserves“ ist schwierig.

Zuerst reichte es der Konkurrenz nicht aus, wie Binance sein „Proof of Reserves“-System (PoR) umgesetzt hat; und dann löschte Wirtschaftsprüfer Mazars plötzlich seinen PoR-Prüfungsbericht für Binance. Auch für andere Krypto-Firmen will Mazars keine Prüfberichte mehr machen. Mazars ist weltberühmt geworden, weil es als Wirtschaftsprüfer vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump engagiert wurde.

Das nährt nun wiederum die Frage, ob die 575.742 Bitcoin der Binance-Nutzer:innen wirklich da und zugänglich sind. Wie so oft bei Binance, gibt es keine klare Antwort darauf, warum der Wirtschaftsprüfer hingeworfen hat. CZ beschwört auf Twitter aktuell die Macht der Blockchain: „Blockchains are public, permanent records. It’s the most auditable ledger.“ Ob das den Nutzer:innen und Behörden reichen wird, darf angezweifelt werden.

Binance: Neue „Proof of Reserves“ nur für Bitcoin, Konkurrenz übt Kritik

 

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