Befreit Eure Waden! Ein Plädoyer für kurze Hosen im Büro während der Hundstage
Wolfgang Schüssel geht kaum als Revolutionär durch. Doch vielleicht hat er diese Woche mit einem Auftritt im Parlament beim U-Ausschuss zu der Eurofighter-Affäre gemeinsam mit einigen französischen Busfahrern eine Hundstage-Revolution losgetreten. Der Ex-Kanzler trug statt edlen Schnürsocken lockere Espandrilles. Neben den Fragen der Parlamentarier, schienen ihm auch die Außentemperaturen unerhört.
Seine Mitstreiter in Frankreich gingen noch einen Schritt weiter: Sie umgingen das Verbot der Nanter Buslinien in ihren auf 50 Grad aufgewärmten Kabinen, indem sie statt der verpönten kurzen Hosen Röcke trugen. Style-Level in beiden Fällen: exorbitant. Lediglich Schüssel muss eine zarte Kritik ertragen. Er machte sich eine urdeutsche Tugend zueigen und trug Socken in den Espandrilles.
Mir selbst kam vor drei Tagen die kreuzdumme Idee wie gewohnt zu wichtigen Terminen Anzug zu tragen. Schon um kurz nach acht auf dem Weg zur U-Bahn perlten mir monsundicke Tropfen von der Stirn und das feine Hemd klebte breitflächig auf meinem Rücken. Es warteten Workshop und Kunden. Nach den Missionen spazierte ich am frühen Abend über die Mahü nach Hause. Komplett dehydriert, völlig entnervt und mit einem Anzug, der nach intensiver Reinigung lechzte.
Die unästhetische Wade
Warum ist das eigentlich so? Warum müssen Männer bei tropischen Außentemperaturen in Gewändern Eindruck schinden, die für andere Jahreszeiten konzipiert wurden? Warum gelten männliche nackte Waden als ungustiös? Warum sind Minröcke erlaubt und Shorts verboten?
Schon klar, dass Bankberater bei Kundenterminen keine Goldkettchen tragen sollten. Schon klar, dass sich ein Gebrauchtwagen besser verkauft, wenn der Verkäufer im Deisgner-Anzug vor den Kunden steht. Aber so im stinknormalen Alltag. Regt sich da irgendwer auf? Fällt die Kompetenz, wenn die Waden ab und an ein zarter Lufthauch umspielt?
Wenn es bei höchst explosiven U-Ausschüssen möglich ist, die Kleiderordnung zu dehnen, dann sollte das zwischen Kaffeehaus-Terminen, Workshops und Büro doch auch möglich sein. Die (männliche) Gründerwelt kann einen selbstbewussten Schritt nach vorne machen. Die meisten Startups haben wohl keine Kleiderordnung in ihren Statuten. Wir können unsere Waden herzeigen, wenn wir es wollen. An Hundstagen sinkt die Arbeitsleistung um 30 bis 70 Prozent gegenüber Tagen mit angemessenen Temperaturen. Ich wette, dass obere Drittel der Arbeitsschwachen entfällt auf mittelalte Männer in schweren Anzügen. Also: Gehet mutig voran und gönnt euren Waden die Freiheit, die sie verdienen. Es müssen ja keine Blümchen auf den Shorts sein und es gibt neben Birkenstocks auch noch ganz andere fesche Sommerschuhe.