Bike Citizens: Wie Grazer das Radln in Städten besser machen
Elisabeth Felberbauer hätte wohl zu keinem spannenderen Zeitpunkt die Führung eines Fahrrad-Startups übernehmen können: Im April, als sich das Wetter von seiner besten Seite zeigte und die erste Corona-Virus-Welle in Österreich einen Höhepunkt erlebte, boomte das Fahrrad als gesundes Verkehrsmittel mit geringer Ansteckungsgefahr. Und Felberbauer rückte in die Geschäftsführung des Grazer Jungunternehmens Bike Citizens auf, das seinen Fokus auf Radfahren in Städten gelegt hat. In mehr als 450 Städten, vor allem in Europa, hilft die App Radfahrern, die besten Routen zu finden und motiviert Menschen dazu, mehr zu radeln.
Halbe Million Nutzer
„Das Fahrrad hat in dieser Zeit viel Aufwind bekommen. Wir haben das stark gespürt und unsere Downloadzahlen haben sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt“, sagt die neue Bike-Citizens-Chefin im Gespräch mit Tech & Nature. Eine halbe Million registrierte Nutzer zählt das Unternehmen nun und am stärksten wird die App in Wien und Berlin genutzt. Die App kann kostenlos auf das Smartphone geladen werden – bezahlt wird dann für einzelne Städtekarten. „Man kann sich aber auch freiradeln“, sagt Felberbauer: Wer 100 Kilometer in einem Monat Fahrrad fährt, bekommt eine Karte gratis. „Wir wollen Menschen wirklich dazu motivieren, mehr Rad zu fahren“.
Von Fahrradkurieren gegründet
Die Gründer von Bike Citizens, Daniel Kofler und Andreas Stückl, waren ursprünglich Fahrradkuriere und sind auf einer gemeinsam Reise auf die Idee gekommen, ein Startup zu gründen. „Auf ihrer Reise nach Budapest haben die beiden festgestellt, dass Radfahren in der Stadt nur dann super ist, wenn man seine Wege kennt“, erzählt die Geschäftsführerin, die 2015, vier Jahre nach der Gründung, zu dem Unternehmen kam. Genau das macht die App Bike Citizens: Routen können „gemütlich“, „schnell“ oder „bequem“ für Radfahrer berechnet werden, man kann mit Citytouren neue Städte erkunden und das Routing nimmt dabei sogar Rücksicht auf den Fahrrad-Typ.
Platz besser verteilen, ohne Konflikte zu schüren
Bike Citizens will aber nicht nur Radfahrern dabei helfen, besser von A nach B zu kommen. Das Jungunternehmen will Städte zu einem besseren Ort für das Radfahren machen. Auch da hat die Coronavirus-Zeit geholfen, den Bedarf sichtbarer zu machen. Als der Autoverkehr im Frühjahr zurückging und der Radverkehr anstieg, versuchten Städte mit kurzfristigen Maßnahmen zu reagieren. „Viele Straßen waren in der Corona-Lockdown-Zeit leer“, so Felberbauer. „Die Städte sind sehr unterschiedlich umgegangen damit“. Pop-up-Radwege seien sehr gut angenommen worden, wie etwa eine Auswertung der TU Wien für Wien zeige. „Ich weiß aber auch, dass es zu sehr vielen Konflikten geführt hat. Anstatt die Situation zwischen zwei Verkehrsteilnehmern zu entschärfen, ist eher das Gegenteil passiert. Man sollte bei solchen Maßnahmen schon darauf achten, dass Konflikte nicht geschürt werden“.
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Das versucht Bike Citizens mit Stadtplanungs-Projekten und in Forschungsprojekten. „Es geht um eine sinnvolle Verteilung des Platzes. Man kann sich ansehen, wo es besonders viel Radverkehr gibt und dort Platz dafür schaffen“, so die Geschäftsführerin. Bike Citizens stellt Städten deshalb anonymisierte Analysedaten für die Planung zur Verfügung und unterstützt mit Kampagnen, die mehr Menschen zum Radfahren motivieren.
Hannover: Gratis Kaffee für fleißige Radler
Eines der jüngsten Projekte ist die Zusammenarbeit mit der Region Hannover. Dort gibt es nun eine App, in der mit Radfahren Punkte gesammelt werden können. Es gibt mehr Punkte je öfter und länger man Rad fährt und Bonuspunkte für besonders viele Kilometer oder Höhenmeter. Die Punkte kann man dann gegen einen kostenlosen Kaffee oder Rabatt beim Friseur eintauschen. „Das Ziel ist es, regionalen Handel mit Radfahren zu verbinden und so beides zu fördern“, so Felberbauer. Die Daten, die über die Nutzung der App gesammelt werden, helfen der Region Hannover wiederum dabei, das Radwegnetz gezielt auszubauen, Lücken zu schließen und Bauprojekte zu priorisieren.
In Zukunft werde diese Art der datenbasierten Planung in Städten immer wichtiger, ist die Managerin überzeugt. „Es wird dichter auf den Fahrradspuren“, sagt Felberbauer in Hinblick auf neue Teilnehmer wie E-Scooter. Sie selbst merkt das täglich, wenn sie mit ihrem Lastenrad über Kreuzungen fährt, die gleichzeitig von Radfahrern und Fußgängern in beide Richtungen überquert werden. Um für den Infrastrukturwandel gerüstet zu sein, arbeitet Bike Citizens auch regelmäßig an Forschungsprojekten mit – zum Beispiel in einem mit der FH Joanneum Graz, in dem Klima- und Wetterdaten mit Fahrraddaten abgeglichen wurden. Bei der nächsten Hitzewelle könnte die App vielleicht in Zukunft eine besonders schattige Route finden.
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