Bikesharing: Fragen, die sich Wien zum Markteintritt der Fahrradverleiher Ofo und oBike stellen sollte
In China ist Krieg ausgebrochen. Der „Rainbow War“ zwischen den Bikesharing-Unternehmen Gobee (grüne Räder) Ofo, oBike (beide gelb) und Mobike (rot) ist eine echte Material- und Kapitalschlacht. Die zwei größten Startups in diesem Bereich haben 2016 gemeinsam über eine Milliarde Dollar an Risikokapital aufgenommen. Mobike strich laut Crunchbase von einem Konsortium rund um den Internet-Riesen Tencent (u.a. WeChat) 900 Millionen Dollar ein. Konkurrent Ofo zog nach: Alibaba, Hony Capital and CITIC Private Equity statteten das Startup mit 700 Millionen Dollar aus.
Die Fahrräder der Firmen gehören im Reich der Mitte mittlerweile zum Stadtbild. Mobike und Ofo sind in über 100 Städten in China vertreten.Jetzt schwappen die „Rainbow Wars“ dank aggressiver Expansionsstrategie nach Europa. „Wir sind stolz darauf, dass wir 56 Prozent des chinesischen Marktes für uns beanspruchen können“, sagte Ofo-Mitgründer Yanqhi Zhang kürzlich in einem Interview mit Trending Topics. Jetzt soll Wien erobert werden: Ofo ist mit 200 Leihrädern in der österreichischen Hauptstadt gestartet, Konkurrent oBike aus Singapur ist mit 500 Fahrrädern in Wien vertreten.
Gibt es fixe Abstellplätze?
Das System funktioniert nach dem „Free Floating“-Prinzip. Anders als etwa beim öffentlichen Angebot von City Bike in Wien sind die Räder nicht an fixe Standorte gebunden, sondern können frei im Stadtgebiet abgestellt werden. User registrieren sich über eine App. Die Nutzung ist sehr günstig. Im regulären Betrieb kostet die Leihe eines knallgelben Drahtesel von Ofo zum Beispiel 50 Cent pro 30 Minuten. Die Bezahlung erfolgt mittels Kreditkarte.
Sharing Economy oder Wegwerf-Economy?
Die Wiener Stadtverwaltung findet das erst einmal gut. „Wir begreifen das als Chance. Wien will sein Klima- und Umweltschutzziele erreichen. Dafür ist ein Umstieg auf ökologische Mobilität sehr wichtig. 31 Prozent der Bürger sagen, dass sie Auto fahren, weil sie kein Rad besitzen. Diese Menschen werden die unmittelbare Verfügbarkeit nutzen und ab und an vom Auto aufs Leihrad umsteigen“, sagt Kathrin Ivancsits von der Mobilitätsagentur Wien. Allerdings drängen sich mit dem Markteintritt der chinesischen Unternehmen ein paar Fragen auf, die sich die Stadt stellen sollte.
Denn die Sharing-Economy, grundsätzlich als Alternative zu Eigentum und Konsum gedacht, zeigte in den Städten, in denen der „Rainbow War“ der Anbieter Einzug nahm, ihre rabiate Seite. Egal, ob Regenschirm oder geliehenes Rad: Durch die günstigen Gebühren verkommt die Sharing-Economy leider öfters zu einer Wegwerf-Economy. In mancher dunklen Ecke chinesischer Metropolen stapeln sich die Räder meterhoch.
Wo sollen die Räder abgestellt werden?
In Wien ist es in den Kernbezirken heute schon schwer, einen guten Abstellplatz für das eigene Rad zu finden. Was passiert, wenn tausende Sharing-Bikes die Grätzel fluten? „Die Radständer werden sukzessive ausgebaut. Jährlich installieren wir 3.000 neue im Stadtgebiet“, sagt Ivancsits. Präventive Schritte sind jedenfalls keine geplant. Man werde „im Bedarfsfall nachrüsten“.
Die Ausweitung des Bike-Sharing-Marktes erinnert an den Siegeszug von Uber. Innerhalb kürzester wollen die chinesischen Anbieter den US-amerikanischen und den europäischen Markt erobern. Ofo breitete sich erst in Schanghai, dann in Seattle an der amerikanischen Westküste aus. Das Geschäft mit den Rädern ist nicht unsichtbar. Im Schanghai sammelten sich an hochfrequentierten U-Bahnstationen und rund um die Bahnhöfe innerhalb kürzester Zeit hunderte Leihräder. Seit wenigen Monaten werden europäischen Städte ins Visier genommen. Ofo ist aktuell in 13 Ländern vertreten. Bis Ende des Jahres sollen es 20 sein.
Verleih eigentlich nur Nebensache?
Ofo registriert 25 Millionen Fahrten pro Tag. Der chinesische Markt ist übersättigt, deswegen basteln die Unternehmen dort an neuen Geschäftsfeldern für die 100 Millionen User: Ofo plant Kurierdienste, E-Commerce-Angebote und die Aufbereitung der gigantischen Datensätze für den stationären Handel. Anhand von 24 Kategorien entscheidet Ofo, in welchen neuen Städten man startet.
„Verbreitung von Kreditkarten, geografische Besonderheiten (etwa wie hügelig ein Bezirk ist) und die Dichte der öffentlichen Angebote entscheiden über die Anzahl der Fahrräder, die wir in die Stadt bringen und in welchen Bezirken wir mit Pilotprojekten beginnen“, sagt Zhang. In Wien startete Ofo im 2. Bezirk. Dort wurden Ende August die ersten 200 Fahrräder abgestellt. Nach der Pilotphase sollen vor allem die Randbezirke in Angriff genommen werden. „Dort, wo das Mobilitätsangebot noch nicht so vielfältig wie nötig ist“, sagt COO Zhang. Der Konkurrent O-Bike will bis Frühling 2018 7.000 Räder in die Stadt bringen.
Wer sammelt illegal abgestellte Räder wieder ein?
Der Anbieter Ofo vergibt einen Bonus, wenn Räder an definierten Sammelstellen zurückgebracht werden. Doch das ist vielen Usern ziemlich egal. In Zürich, München und Amsterdam regt sich bereits Protest gegen die chinesischen Räder. User stellten die Räder auf Bürgersteigen und in Fußgängerzonen ab, warfen sie in Gebüsche, Flüsse und Grachten.“Wir haben in allen Städten eigene Einsatz-Teams, die die Räder wieder einsammeln“, so Zhang. Die werden die Räder aber nicht aus der Donau fischen.
In München handelte sich O-Bike durch mehrere Medienberichte einen veritablen Image-Schaden ein. Vor allem die fehlende Service-Hotline wurde bemängelt. Für den Abtransport ist in Wien die MA 48 zuständig. „Wenn ein Fahrrad illegal abgestellt ist, dann wird es abgeschleppt und der Besitzer, in diesem Fall das Unternehmen, trägt die Kosten. Das Abschleppen kommt auf 65 Euro, die Lagerung in Simmering auf 7 Euro pro Tag“, heißt es aus der Pressestelle der MA 48.
Ist das Abstellen tausender Fahrräder im öffentlichen Raum legal?
Prinzipiell schon. Der öffentliche Raum ist Eigentum der Republik Österreich. Den darf jeder, der dort geht und wandelt, in „normaler Beanspruchung“ für sich nutzen, auch ein chinesischer Fahrradexporteur. „Wenn allerdings das Stadtbild in Mitleidenschaft gezogen wird oder es zu stärkeren Protesten aus der Bevölkerung kommt, weil Gehsteige mit den Leihrädern verstopft sind, können die Magistrate sicher Wege finden, um das einzudämmen“, sagt der Rechtsanwalt Markus Arzt von der Kanzlei Brandl & Talos.
Da die Sharing-Unternehmen öffentliche Infrastruktur kommerziell nutzen, müsse sich die Stadt allerdings überlegen, ob sie in Zukunft eine Gebrauchsabgabe einheben soll, regte Neos-Verkehrssprecherin Bettina Emmerling kürzlich an.
Der „Rainbow War“ – ein paar Bilder aus anderen Städten
Winterthur, Schweiz
Melbourne, Australien
Manchester, Großbritannien
https://twitter.com/timduckworth2/status/909675909254385664