„Irgendwann ist es einfach aus“: Startup birdkids vor dem Ende
Sie haben im Corona-Jahr 2020 ein neuartiges mobiles elektronisches Musikinstrument namens OffGrid präsentiert, dann 140.000 Euro in einer Crowdfunding-Kampagne für das Musik-Gadget geholt und sind schließlich 2021/22 mit der GoSiliconValley-Initiative in die USA gereist, um den großen Markt zu bearbeiten (Trending Topics berichtete): Das Wiener Startup birdkids ist mit großen Plänen gestartet, zieht aber jetzt nach mehreren harten Jahren die Reißleine.
„Hardware is impossibly hard“
Denn 2022 muss sich der Geschäftsführer Michael Beim eingestehen: „Hardware is impossibly hard. Es kommen viele nicht beeinflußbare Faktoren zusammen, die es nicht erlauben, weitflächig ein neues Consumer-Electronics Produkt einzuführen und skalieren. Wir kämpfen täglich an der Grenze der Machbarkeit und generieren zu jedem Zeitpunkt Sales aus den Produktionen, die 2020 in Auftrag gegeben wurden, aber selbst die Lieferanten und Produktionspartner wissen nicht, wann und wie sich die Situation am Rohstoff- und Halbleiter-Markt ändern wird“, sagt er zu Trending Topics.
Anstatt möglicherweise in den Konkurs zu schlittern, will das Gründerteam rund um das Startup jetzt selbst einstellen. „Wir könnten es weiter versuchen, aber irgendwann einmal ist es einfach aus. Wir hätten es auf die Last-Person-Standing-Art versuchen können, wenn die Planbarkeit gegeben wäre und eine Zwischenfinanzierung als Puffer bestehen würde, aber genau diese wurden durch die Umstände genommen. Besser, wir finden eine einvernehmliche Lösung.“
Was ist passiert? Im Grunde sind der birdkids GmbH zwei große Stolpersteine in den Weg gekommen: zum einen das eher träge österreichische Rechtssystem rund um die Einbringung von immateriellem Gut, und zum anderen die durch COVID und später den Ukrainekrieg erschütterten Lieferketten. So musste man aktuell bei Neubestellungen einer Produktion mit Lieferzeiten von bis zu 60 Wochen ab Werk kämpfen, im April versendete Pakete sind in den USA aufgrund Logistikpartner-Merger (FedEx, TNT) immer noch nicht angekommen, und die Kosten der Produktion waren wegen Engpässen von Komponenten am Weltmarkt eineinhalb bis zweimal so teuer als berechnet.
OffGrid – ein mobiles Gerät, das mit Smartphones und der meisten Musikmaking-Software gekoppelt wird – ist wegen der COVID-Krise mit einem Jahr Verspätung auf den Markt gekommen.
„Investitionsbereitschaft in Hardware minimal“
Dabei ist das preisgekrönte Produkt eigentlich gut angekommen. Im Silicon Valley, in Palo Alto, hätte er sehr gutes Feedback zum OffGrid bekommen. Nur: finanzieren wollte es dann keiner. „Das Feedback war, dass das Produkt toll ist, aber das Interesse von Software-Unternehmen an einem Hardware-Produkt war sehr gering“, sagt Beim. „Die Investitionsbereitschaft in Hardware als Macro ist im Silicon Valley minimal.“
Auch in der Heimat Österreich gab es Probleme, und zwar juristische. Beim wollte die IP zu dem Musik-Controller, die 2021 noch in seinem Einzelunternehmen lag, in eine gemeinsame GmbH mit seinen Mitgründern einbringen. Über den Wert der Intellectual Property sei man sich einig, nur – die Bewertung musste zusätzlich durch einen externen Gutachter gemacht werden mit allen Zusatzkosten, die eine Steuer- und -Rechtsberatung rund um eine Einbringung und Neugründung mit sich bringe. Das brachte weitere Schwierigkeiten. „Wir wollten es ordentlich machen, aber das ordentlich Machen hat gleich mal 60.000 Euro und sechs Monate Zeit gekostet“, sagt Beim.
Bank gab keinen Kredit mehr
Und weil die durch das Einzelunternehmen eingebrachte IP die formellen Kriterien der Bemessung des Alters des Unternehmens als „Startup“ für die Fördergeber verzerrten, sei man bei einer Förderung dann auch nicht für eine Eigenkapital-Hebelung in Frage gekommen. „Und dann war es auch nicht mehr möglich, selbstständig Garantien für einen Bankkredit zu geben da wir alle, 100% all-in mit unseren individuellen Investitionen gegangen sind“, so der Gründer.
Insgesamt haben er und seine Mitstreiter seit der Gründung 2021 rund 250.000 Euro Eigenkapital und je 12 Monate Vollzeitarbeit ohne Vergütung in das Startup investiert. Ist die Idee damit auch gestorben? Nein, meint Beim. „Es gibt immer noch viele Leute, die stark an uns und das Produkt glauben, und die es sich sehr gewünscht hätten, das es klappt sowie die tatsächliche Nachfrage am Markt“, sagt er. Er führe mit Lieferanten und allen Beteiligten zu allen Außenständen noch Gespräche, um eine freundschaftliche Lösung zu finden. Vielleicht wird das Gerät in Zukunft einmal in größeren Mengen produziert werden können. Beim: „Vielleicht will ja mal jemand die IP lizensieren.“
offGrid: Wiener Startup bringt neuartiges mobiles Musikinstrument