Bitcoin muss sich jetzt als Fluchtwährung für das große Geld beweisen
Die Kurve sieht verlockend aus. Fast so verlockend wie vor drei Jahren, als Bitcoin das erste Mal explodierte. Oh Mann, was hätte man damals Asche machen können, denken sich sicher viele. FOMO greift um sich, der Zauber scheint sich zu wiederholen. Kann man jetzt Ende 2020, so absahnen wie damals Ende 2017? Und wenn man damals schon nicht mitgemacht hat, jetzt ist die Zeit gekommen.
Oder?
Nein, es ist nicht wie 2017. Diesmal fehlt eine ganz wichtige Zutat, die den Hype 2017 angefeuert hat: die Massenmedien und ihre fantastischen Geschichten von Blockchain-Neureichen, von Crypto-Glücksrittern, von investierten Rappern, von den Bitcoin-Familien, die alles auf BTC setzen. Nein, im Jahr 2020 ist es anders, Corona-Krise und US-Wahl sind die stärkeren Themen in den Massenmedien, Bitcoin und Co laufen unter ferner liefen.
Das große Geld kommt zu Crypto
Doch woher kommt der Hype denn dieses Mal her? Das Zauberwort lautet diesmal institutionelle Investoren. Sperriger Begriff, aber jedenfalls kann man sich darunter große Unternehmen, Versicherungen, Fonds-Manager, Family Offices oder Stiftungen vorstellen, die viele hunderte Millionen, oft auch Milliarden in den Kassen haben und 2020 in der Krise nach einer Diversifizierung ihres Portfolios suchen. Immer mehr dieser Institutionen erscheint es klug, Teile ihrer Assets in Bitcoin anzulegen.
Das ist der Tenor der Experten: Haben 2017 Retail-Investoren, also Kleinanleger wie du und ich, für den digitalen Goldrausch gesorgt, sind es diesmal die Großanleger. Es sind Menschen wie Twitter-CEO Jack Dorsey, der mit seiner zweiten Firma Square auf einen Schlag 50 Millionen Dollar in BTC investiert; oder Hedge-Fund-Manager Michael Novogratz und seine Investment-Firma Galaxy Digital Holdings; oder der Software-Hersteller MicroStrategy, der auf einen Schlag 420 Millionen Dollar in BTC investiert hat.
Auch der CTO von Tether und Bitfinex, Paolo Ardoino, dem auch vorgeworfen wird, den Hype 2017 mit dem Stablecoin beeinflusst zu haben, sagt: „Dieses Mal fließt institutionelles Geld in die Gewinne von Bitcoin.“ Bei Coinbase, dem führenden Crypto-Händler in den USA, wurden dieses Jahr alleine seit April etwa 14 Milliarden Dollar von Großanleger in Bitcoin und Co investiert. Große Skeptiker wie JP Morgan steigen nun selbst ins Geschäft ein, und der US-Fondsriese Fidelity empfiehlt Firmenkunden inzwischen einen Anteil von ein bis fünf Prozent am Gesamtvermögen in Crypto zu investieren.
Absicherung in der Wirtschaftskrise?
Warum fließt so viel Geld in Bitcoin? Es geht um die Absicherung gegen die Inflation, meint Brett Tejpaul von Coinbase. Auch seitens Ria Bhutoria, Research Director bei Fidelity, ist zu hören:
„Bitcoin ist grundsätzlich weniger dem anhaltenden wirtschaftlichen Gegenwind ausgesetzt, dem andere Vermögenswerte in den nächsten Monaten und Jahren wahrscheinlich ausgesetzt sein werden. Kombiniert mit seinen facettenreichen Erzählungen und einem interessanten Effekt der anhaltenden Stimmung im Einzelhandel und der wachsenden institutionellen Stimmung könnte es eine potenziell nützliche und unkorrelierte Ergänzung des Portfolio-Instrumentariums eines Anlegers sein.“
Denn eines darf man nicht vergessen: Die große Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen, die steht den USA und Europa noch ins Haus. Und wenn da große Unternehmen in Bitcoin als Absicherung gegen künftige wirtschaftliche Probleme investieren, dann ist das sehr bemerkenswert. Nun muss sich Bitcoin offenbar als Fluchtwährung für das große Geld beweisen.
Der kleine Privatanleger sollte gerade deswegen höchst vorsichtig mit dem neuerlichen Bitcoin-Hype umgehen. Mag sein, dass Unternehmen ein bis fünf Prozent ihres Vermögens in Bitcoin stecken – in der Erwartung dass man durch das Wachstum von BTC die Inflation des Dollars ausgleichen wird können. Doch der durchschnittliche Verbraucher sollte sich daran kein Beispiel nehmen – außer er investiert wirklich nur jenes Geld, dass er bereit ist auch wieder zu verlieren.