Bitcoin-Entwicklung: Die fragwürdige These vom 4-Jahres-Zyklus
In einem Nebensatz auf einer Konferenz kürzlich in Hamburg hat Binance-Chef Changpeng „CZ“ Zhao, gefragt nach dem jüngsten Crash des Marktes, etwas Spannendes gesagt: „In den letzten 12 Jahren hat sich Krypto in Vier-Jahres-Zyklen bewegt. Ich glaube daran, dass der Markt durch Zyklen geht. Das leistet definitiv einen Beitrag dazu, dass wir in einen Krypto-Winter gehen, aber es ist nicht der einzige Grund dafür.“
Genau, da ist sie wieder: Die These vom Vier-Jahres-Zyklus des Krypto-Markts. Sie orientiert sich natürlich am berühmten Bitcoin-Halving, das alle vier Jahre stattfindet. Es bedeutet eine künstliche Verknappung der Menge an neuen BTC, die in den Markt kommen. Waren es anfangs noch 50 BTC, die Miner als Belohnung für ihre Rechenmühen pro Block bekommen haben, sind es heute nach mehreren Halvings nur mehr 6,25 BTC. Und diese Verknappung von BTC soll der Meinung von CZ und vielen anderen Beobachter:innen zu den Auf- und Ab-Zyklen des gesamten Krypto-Markts sorgen.
Die These hat etwas für sich, denn grob kann man sagen: Nach jedem der Bitcoin-Halvings gab es eine starke Aufwärtsphase mit einem neuen Allzeithoch für BTC (und damit auch für andere Krypto-Assets am Markt). Grafiken wie diese unten findet man überall im Netz. Sie sollen zeigen, dass nach den Halvings 2012, 2016 und 2020 Peaks stattfanden, und dann Bitcoin wieder hinunterfiel – allerdings bei einem höheren Niveau als zuvor blieb.
Angesichts des neuen „Krypto-Winters„, der bereits für zahlreiche Kündigungen bei Unternehmen in der Branche wegen schlechter laufenden Geschäften sorgte, kommt die 4-Jahres-These wieder auf. Klar: 2020 war das Bitcoin Halving, dann kam das Sensationsjahr 2021, und 2022 schließlich ein Crash, der BTC mehr als 55 Prozent unter sein bisheriges Allzeithoch im November 2021 schickte.
Die Argumentation vieler im Krypto-Sektor lautet nun: Bis zum nächsten Halving kommt nun wieder die Phase, in der man günstiger als zuvor in BTC investieren kann. Weil wenn die These stimmt, dann müsste ja nach dem nächsten Halving, das für 2024 erwartet wird, der nächste Run losgehen.
„Crypto Winter“: Erste Kündigungswellen erschüttern Krypto-Industrie
Schema lässt sich nicht wirklich erkennen
Wer aber in den Vier-Jahres-Zyklen denkt, wird schnell darauf kommen, dass man von der Vergangenheit nicht einfach auf die Zukunft schließen sollte. Hier die Zuwachs- bzw. Schrumpfungsraten von BTC nach den Halvings nach einem, zwei und drei Jahren. Abgesehen davon, dass es nach den Halvings immer zu Wachstum kam, ist eine echte Logik hier mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Vielmehr könnte man einfach sagen: Es gibt starke Aufwärtsphasen, aber immer wieder bricht der Bitcoin wieder ein – allerdings nie so tief wie vorher. Weswegen man sagen muss: Die 4-Jahres-These ist für den Laien, der nicht mit komplexeren Berechnungsarten und Algorithmen zurecht kommt, nicht tauglich:
BTC | Halving 1 | Halving 2 | Halving 3 | Halving 4 |
Date | 28 November 2012 | 9 July 2016 | 11 May 2020 | May 2024 (expected) |
BTC Price at Halving | $12 | $650 | $8,600 | – |
BTC Price 1 year later | $1,031 (+8,491%) | $2,518 (+287%) | $56,700 (+560%) | – |
BTC Price 2 years later | $376 (-63%) | $6,741 (+167%) | $28,936 (-49%) | – |
BTC Price 3 years later | $357 (-5%) | $12,573 (+86%) | – | – |
Vielmehr muss man im Laufe der Zeit berücksichtigen, dass Bitcoin sich aus einer absoluten Nische der Cypherpunks und Hacker heraus in den Mainstream entwickelt hat. So ist ab 2015 Ethereum in den Markt eingetreten und legte den Grundstein für die ICO-Welle ab 2016, die dann 2017 für einen Hype der Altcoins sorgte. 2018 brach dann vieles wieder in sich zusammen, und Bitcoin litt in dem Marktumfeld mit.
2020 war es wieder anders. So hat der Schweizer Krypto-Spezialist kürzlich vorgerechnet, dass sich der Bitcoin-Kurs mit dem Einbruch der Corona-Krise in eine starke Korrelation zum regulären Aktienmarkt begeben hat. Das erklärt sich einerseits durch zahlreiche neue Produkte wie etwa ETFs, die BTC in den Mainstream der Wall Street brachte, und andererseits durch Trading-Apps wie Robinhood, die Millionen Nutzer:innen gleichzeitig in Aktien und Krypto-Assets investieren lassen. So ist es im Rückblick wenig verwunderlich, dass sich BTC stärker entlang der generellen Entwicklung des Aktienmarktes angepasst hat.
„Alles andere als schrittweise oder vorhersehbar“
Auch die Winklevoss-Zwillinge, mit ihrer Krypto-Exchange Gemini schon lange im Markt unterwegs, weisen darauf hin, dass es erstens unvorhersehbare Entwicklungen gibt und man zweitens makroökonomische Einflüsse nicht vergessen darf. „Der Verlauf der Krypto-Revolution war alles andere als schrittweise oder vorhersehbar“, schreiben Tyler und Cameron Winklevoss in einem aktuellen Blog-Eintrag.
Und weiter: „Ihr Weg lässt sich am besten als punktiertes Gleichgewicht beschreiben – Perioden des Gleichgewichts oder des Stillstands, die von dramatischen Momenten des Hyperwachstums unterbrochen werden, gefolgt von scharfen Kontraktionen, die sich auf ein neues Gleichgewicht einpendeln, das höher ist als das vorherige. An diesem Punkt befinden wir uns jetzt, in der Schrumpfungsphase, die in eine Phase der Stagnation übergeht – was unsere Branche als ‚Krypto-Winter‘ bezeichnet. Dies alles wurde durch die aktuellen makroökonomischen und geopolitischen Turbulenzen noch verstärkt.“
Ukraine-Krieg, Inflation, Rezession, Zinswende – all das hat auf Krypto-Assets, die im Mainstream (also in den Wallets von Millionen von Konsument:innen und Portfolios von institutionellen Investor:innen) angekommen sind, wesentlichen Einfluss. 2022 war das deutlich zu sehen, als die US-Notenbank Federal Reserve die Zinswende einleitete. Die Wall Street mit ihren wichtigen Aktien-Indizes bebte, und Bitcoin bebte mit. Bitcoin findet also nicht mehr in einer von der restlichen Wirtschaft losgelösten Blase statt, sondern in der echten Welt – und wird durch diese auch wesentlich beeinflusst.
Dementsprechend sollte man sich in der Prognose der weiteren Preisentwicklung von BTC nicht an einfach Google-bare technische Chart-Analysen halten, sondern muss immer die makroökonomischen Gegebenheiten mitbedenken. Oder wie der US-Schriftsteller Mark Twain im 19. Jahrhundert mal gesagt hat: „History doesn’t repeat itself, but it often rhymes.“
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