„Bitcoin ist das MySpace der Blockchain“
Die Kurse für Kryptowährungen sind wieder einmal im Keller, Betrüger verunsichern mit windigen ICOs prinzipiell interessierte Investoren, und Behörden wollen das neue Business mit der Blockchain regulieren. Vielerorts lange Gesichter und Gerede über das Platzen einer Blase. Das schnelle Ende eines globalen Hypes?
Nicht so in den USA. Auf dem SXSW-Festival in Austin ist Blockchain das große Ding, selbst Stargast Elon Musk schaute unangekündigt beim Bad Crypto Meeting vorbei und wurde dann auch noch mit dem Buch “Cryptocurrencies Simply Explained” von TenX-Mitgründer Julian Hosp gesichtet. Grund genug also für die Community, gut gelaunt die zahlreichen Panels, Startup-Pitches und Meetups zu Thema zu stürmen.
Elon Musk holding a crypto currency book in his hands from CryptoCurrency
Regulierer sollen Blockchain lieben
„Bitcoin ist das MySpace der Blockchain, wenn man so will“, sagt etwa Andrew Keys von ConsenSys aus Brooklyn. Seine Firma setzt voll auf Ethereum und hat einen Fonds, der rund 50 Millionen Dollar in Startups investiert, die mit der Bitcoin-Alternative arbeiten. Das Jahr 2018 ist Keys zufolge nicht das Ende eines Hypes, sondern erst der Startpunkt für die ganz großen Entwicklungen, die im Krypto-Bereich noch kommen werden. „Bitcoin macht eine Sache gut: Man kann damit Wert transferieren und speichern, ohne Bank in der Mitte“, sagt Keys.
Doch vor allem mit Ethereum würden zusätzliche Möglichkeiten eröffnet. Erstens: Internetnutzer wird die Kontrolle über ihre Daten zurückgegeben. Anstatt sich Profile bei Google oder Facebook anzulegen, würde künftig jeder Internetnutzer „wie ein Browser“ sein, der auf das Netz zugreift, aber lokal auf einem Gerät installiert ist. Zweitens: die „Tokenisation“ von Assets. Alles, vom „Apfel über eine Maschine bis hin zu einem Grundstück“ könne mit einem Token repräsentiert werden – mit dem Ergebnis, dass diese Assets viel schneller und einfacher gehandelt werden können. „Man wird Assets so versenden können wie man heute ein Mail versendet“, sagt Keys.
Und drittens: Smart Contracts. „Wenn Regulatoren endlich verstehen, was die Blockhain ist, werden sie unsere besten freunde sein“, sagt Keys. Zwar würde es noch viele Jahre dauern, bis sich Smart Contracts durchsetzen, doch dann würden schriftliche Vereinbarungen – vom Gesellschaftsvertrag bis zu Wertpapieren bei Börsengängen – zu Software werden. Gerade für Regulierungsbehörden sei das eine spannende Sache, wenn Gesetze in digitale Verträge eingeschrieben und automatisch ausgeführt werden (z.B. Steuern zahlen).
Silicon Valley sollte Blockchain fürchten
Die Startups, die auf der SXSW ihre Blockchain-Projekte pitchten, hatten zumeist eines gemeinsam: Sie wollen in Konkurrenz zu den Silicon-Valley-Riesen (gemeinhin FANG, kurz für Facebook, Amazon, Netflix und Google, genannt) treten. Vertalo etwa will Lebensläufe unter die Kontrolle von Nutzern bringen, damit sie diese Daten nicht mehr an Linkedin geben müssen, die damit viel Geld mit Werbung machen. Oder Algebraix aus Austin mit dem Plan, Internetnutzer für das Konsumieren von Online-Werbung mit dem ALX-Token zu belohnen, mit dem man anschließend für Internet-Dienste (z.B. Musik) bezahlen kann.
“Google, Facebook und hunderte andere Firmen, diese Firmen beuten eure Daten aus”, sagt David Silver, CEO von Algebraix. Mit neun Patenten, einem Investment von 40 Millionen Dollar und der Ethereum-Blockchain im Rücken will er es Nutzern erlauben, ihre persönlichen Informationen gezielt an Werberiesen zu verkaufen, anstatt sie gratis in Online-Netzwerke zu kippen, ohne zu wissen, wer die Daten letztendlich auswertet. Auch Uber wird immer wieder als mögliches Opfer der Blockchain genannt. Der Fahrtenvermittler, so die Prophezeiungen einiger Beobachter, könnte obsolet werden, wenn sich Fahrer und Fahrgäste direkt via Blockchain vernetzen – und Uber würde dann eben nicht mehr die rund 25 Prozent des Fahrpreises als Provision einstreichen.
Weg von Bitcoin
Capital Factory, ein Startup-Accelerator aus Texas, will hiesige Blockchain-Startups beflügeln. Bei einer Pitch-Challenge auf der SXSW konnte sich Samsa.ai durchsetzen und wurde mit einem Preisgeld von 100.000 Dollar belohnt. Die beiden Gründer, Chris Slaughter und Ari Stiegler, lassen sich von der derzeitigen Flaute auf den Krypto-Märkten nicht beirren. Ihr Web-Dienst soll es Nutzern ermöglichen, einfach in Bitcoin-Alternativen zu investieren. Dazu wurden Indexes etwa für Privacy-Coins oder Utility-Coins angelegt, damit Trader (sie brauchen Accounts bei Binance oder GDAX) einfach ihr Portfolio diversifizieren können. Samsa.ai kauft und verkauft dann die Altcoins für den Nutzer und nimmt eine kleine Provision dafür.
„Ich glaube, dass der Markt für Kryptowährungen noch um ein Vielfaches wachsen wird“, sagt Stiegler von Samsa.ai. „Schau dir nur an, wie viele Branchen derzeit Token auf der Blockchain schaffen wollen. Das steht alles noch ganz am Anfang.“ Ob sich sein Startup oder die vielen anderen am Markt durchsetzen wird, das weiß heute keiner. Dass es aber eine Neugründung ist und kein etablierter Markt-Player, davon ist Silver von Algebraix überzeugt: “Startups werden Krypto massentauglich machen, es werden nicht Google oder Facebook sein.”