„Hätten bei der letzten Bundespräsidentenwahl weniger Chaos gehabt, wenn sie mit Blockchain umgesetzt worden wäre“
Das Bundesrechenzentrum (BRZ) ist seit 1997 ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen und der marktführende Technologiepartner der österreichischen Verwaltung. Als Partner für den Public Sector sind die Hauptaufgaben des Unternehmens den Datenschatz der Republik zu hüten und in das digitale Zeitalter zu überführen. Von der Datenbank help.gv.at über Cloud Storage (BRZ GoverDrive) bis hin zur Elektronischen Gesundheitskarte ELGA und den E-Rechnungssystemen werden 400 IT-Anwendungen und E-Government-Lösungen vom BRZ betrieben.
Das Bundesrechenzentrum verfügt zudem über die größten Serveranlagen des Landes. Wir haben uns mit Geschäftsführer Markus Kaiser über die Entwicklung der Sandboxes für Startups (Trending Topics berichtete), die Perspektiven für Blockchain-Anwendungen in der Verwaltung und die Arbeit im stark regulierten Umfeld der österreichischen Verwaltung unterhalten.
Trending Topics: Weshalb braucht das Bundesrechenzentrum die Unterstützung von Startups?
Markus Kaiser: Wir brauchen neue Zugänge zu den Kanälen, wo Innovation entsteht. Unsere Sandboxes für Startups sind ein Werkzeug, um einige Schritte auf die digitalen Weiterentwicklungen im Verwaltungsbereich zuzugehen.
Mit Blockpit unterstützt das Bundesrechenzentrum ein Krypto-Startup. Wie passt das zusammen?
Wir führen Gespräche mit Blockpit und dem BMF und haben Lösungen für eine schnelle Integration der Services von Blockpit aufgezeigt. Aber bis so etwas in die Gänge kommt, dauert es ein bisschen länger als im privatwirtschaftlichen Sektor. Im Jahr 2019 werden wir aber allerdings die ersten Ergebnisse sehen. Die technischen Gegebenheiten sind aufgebaut und jetzt können wir die Kooperation starten.
Generell ist dieser Prozess mit Blockpit eine Blaupause dafür, wie wir künftig mit Startups zusammenarbeiten.
Wir investieren jährlich rund eine Million Euro in Innovationen und können uns vorstellen, in Zukunft auch mit ausgewählte Startups zu kooperieren, die die Verwaltung bei der digitalen Transformation unterstützen. In unserem stark reguliertem Umfeld braucht es natürlich Prozesse, die den Rahmenbedingungen entsprechen und auf der anderen Seite auch attraktiv für Jungunternehmer sind.
Schon die Zusammenarbeit zwischen Startups und Konzernen ist aufgrund der verschiedenen Kulturen schwierig. Ist es in der Verwaltung nicht beinahe unmöglich die Arbeitsprozesse und -geschwindigkeit zu harmonisieren?
Die Checks und Balances, also die gegenseitige Kontrolle, muss gut funktionieren. Das Geld, das wir anlegen, ist Steuergeld und kommt von ihnen und mir. Damit müssen wir so vorsichtig umgehen.
Welche Teilbereiche sind interessant für die Verwaltung?
Alles rund um UX, um öffentliche Angebote bequemer zu designen und bestehende Services miteinander zu verknüpfen. Wieso hat bislang niemand eine vernünftige Schnittstelle zwischen meinem Online-Banking und meinem Finanz-Online-Zugang gebaut? Muss das der Staat machen oder ist das ein Geschäftsmodell für ein privates Unternehmen?
Die Kategorisierung der Ausgaben funktioniert ja bereits bei Kartenzahlung und Online-Banking. Die Schnittstelle für die Steuererklärung wäre ja naheliegend. Startups zu finden, die sich sowohl in unserem regulatorischen Framework wohlfühlen als auch die Expertise mitbringen, ist das erklärte Ziel unseres Innovationsfonds.
Das klingt auch nach Geschäftsmodellen für große Software-Anbieter…
Österreich ist ein Markt mit gerade mal acht Millionen Endkonsumenten. Rechnet man die Säuglinge, Kinder und Pensionisten weg, bleiben höchstens drei Millionen übrig. Nordrhein-Westfalen hat als größtes deutsches Bundesland 18 Millionen Einwohner. Da muss man realistisch sein. Große Software-Anbieter entwickeln keine massgeschneiderten Lösungen für den österreichischen Markt. Höchstens für den DACH-Raum oder die Bundesrepublik. Trotz der gemeinsamen Sprache gibt es viele Unterschiede im regulatorischen Framework. Wir brauchen individuelle Lösungen.
Wo sehen Sie die faktisch großen Potenziale?
In den Gesundheitsdaten steckt extrem viel Potenzial. Sowohl für jeden Bürger, der mit ausgewerteten Daten viel über seinen Lebensstil erfahren kann und individuell seine gesunde Lebenserwartung erhöhen kann, als auch für Unternehmen, die eine Reihe an Geschäftsmodellen in diesem Bereich entwickeln wollen. Die Diskussion wird in Österreich aus den falschen Gründen emotional geführt. ELGA existiert nicht als das eine Datensilo, das von Hackern geknackt werden kann und im schlimmsten Fall alle Daten über einen Patienten offen legt.
ELGA ist ein komplexes Berechtigungs- und Zugriffssystem, in dem ein Patient mit seiner E-Card und der seines Arztes eine Autorisierung für den Mediziner herstellt, die Daten einsehen zu können, die in einem Krankenhaus in Tirol, einem niedergelassenen Arzt in Wien und einer Apotheke in Salzburg liegen. Wenn die Karte das System verlässt, ist die Berechtigung wieder passé.
Welche Rolle spielt die Blockchain in den kommenden Jahren bei der Digitalisierung der Verwaltungsapparate?
Wir experimentieren und sind über die Pilotphase schon hinaus. In der elektronischen Zustellung haben wir Teilbereiche schon komplett durch die Blockchain abgesichert. Unser E-Democrazy-Tool besteht aus Blockchain-Komponenten, dort wird die Ausgabe der Tokens validiert, die für eine Abstimmung, eine Befragung oder sogar eine Wahl ausgegeben werden.
Wir wählen bald mit digitalen Token?
Es gibt zwei zentrale Fragen bei digitalen Verfahren bei Wahlen: „Bin das wirklich ich?“ und „Wähle ich alleine?“. Beide lassen sich über die Blockchain verifizieren. Für den Bürger wird der Vorgang massiv erleichtert. Er loggt sich ein und bekommt für die Stimmabgabe einen Token. Wir hätten bei der letzten Bundespräsidentenwahl sicher weniger Chaos gehabt, wenn sie mit der Blockchain-Technologie umgesetzt worden wäre, anstatt mit den Wahlkarten.
Viele Entscheidungsträger sind mittlerweile Digital Natives. Meiner Meinung nach ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Blockchain im niederschwelligen Bereich bei Befragungen, Abstimmungen und auf kommunaler Ebene eingesetzt wird. Technisch ist die Fragestellung bereits gelöst, jetzt kommt es auf den politischen Willen an.