Bootstrapping: Wie sich Swat.io, Walls.io und Holzkern alleine durchgeboxt haben

In der Regel wachsen Startups, indem sie Kapital von Investor:innen im Austausch gegen Firmenanteile erhalten. So machen es zumindest die meisten Jungunternehmen, wenn sie ein besonders rapides Wachstum anstreben. Doch es gibt auch noch andere Wege, um ein Startup von kleinen Anfängen zu etwas Großem zu bringen.
Einer davon ist Bootstrapping. Gelinde gesagt bedeutet das, sich als Jungfirma alleine, ohne die Hilfe von Investor:innen, durchzuschlagen. In diesem Falle dauert das Wachstum natürlich länger als mit Finanzierungsrunden. Denn es muss “organisch” vonstatten gehen – Swat.io, Walls.io und Holzkern zeigen, wie das gehen kann.
Startups ohne Finanzierungsrunden
Man finanziert sich hier im Grunde nur aus eigener Tasche und im Idealfall irgendwann durch die eigenen Gewinne. Das hat den Vorteil, dass die Jungfirma immer noch zur Gänze den Founder:innen gehört und dass sie dadurch komplette Entscheidungsfreiheit haben. Klingt super, doch selbstverständlich ist der Weg zum Erfolg für durch Bootstrapping finanzierte Startups beschwerlich. Dennoch sind einige österreichische Startups diesen Weg gegangen – und das mit Erfolg.
Swat.io und Walls.io sind zwei Unternehmen, die aus der 2010 gegründeten Agentur “Die Socialisten” hervorgegangen sind. Sie haben sich auf unterschiedliche Bereiche des Social Media-Managements fokussiert. Holzkern dürfte den meisten Leser:innen ein Begriff sein, denn das Scaleup ist sogar schon international für seine aus Holz und anderen natürlichen Materialien gefertigten Armbanduhren bekannt. Zwei Jungfirmen, die auf den ersten Blick eher wenig miteinander zu tun haben. Doch was sie verbindet, ist, dass sie beide langfristig ohne große Finanzierungsrunden ausgekommen sind.
Holzkern: Mehr Vorsicht bei finanziellen Entscheidungen
Für 2022/2023 konnte Holzkern bereits einen Umsatz von 40 Millionen Euro bekannt geben und für das Geschäftsjahr 2023/2024 hat das Scaleup noch einmal ordentlich draufgepackt und die 50-Millionen-Marke geknackt. Der neue CEO, Georg Holzer, will im nächsten Geschäftsjahr den Umsatz sogar auf 60 Millionen Euro treiben. Mittlerweile ist das Geschäft von Holzkern auch weit über die Uhren hinausgewachsen. So bietet die Jungfirma auch Armbänder, Schmuck für Damen und Herren sowie Sonnenbrillen und Handtaschen an. Das Team ist auf etwa 170 Personen gewachsen.
Auch Holzkern ist bootstrapped. Georg Holzer erklärt, dass Bootstrapping auch eine spezifische Herausforderung mit sich bringt: Man muss wesentlich vorsichtiger bei Entscheidungen sein, besonders was finanzielle Belange angeht. “Wir können es uns gar nicht erlauben, in eine Richtung zu investieren, die sich nicht selbst trägt, denn sonst ist das einfach gefährlich”, gibt Holzer zu bedenken.
Holzkern: “Keine externe Abhängigkeit”
Ursprünglich ins Leben gerufen hat Holzkern der Oberösterreicher Elias Ferihumer im Jahr 2016. Zu Anfang war Holzkern eine reine One-Man-Show, die erste Mitarbeiterin war Ferihumers Schwester. Nach Wien kam er fürs WU-Studium, nach einigen Zwischenstationen siedelte er sich dann eben im Norden Wiens an. Holzkern, selten bis gar nicht auf Bühnen oder in Medien zu finden, wuchs in dieser Zeit massiv. Dabei blieb Ferihumer dem Prinzip Bootstrapping treu. Auch wenn er 2024 den CEO-Posten an Georg Holzer abgegeben hat, ist er dennoch nach wie vor Alleineigentümer seines Unternehmens.
„Mir war Profitabilität und Nachhaltigkeit wichtig, und dass ich auch keine externe Abhängigkeit habe“, erklärt Ferihumer diese Entscheidung. „Ich habe halt immer Wert darauf gelegt, dass die Zeit dort reingeht, wo Wert geschaffen wird.“
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Swat.io & Walls.io: Bootstrapping bei SaaS-Firmen interessanter denn je
Ein Founder, der sich mit gleich zwei Jungunternehmen für den Weg des Bootstrappings entschieden hat, ist Michael Kamleitner. Er hat im Jahr 2010 mit dem Software-Unternehmen “Die Socialisten” angefangen. Zwei Produkte sind daraus entsprungen: Das Social-Media-Management-Tool Swat.io und Walls.io, mit dem man Social-Media-Inhalte verschiedener Plattformen zu bestimmten Hashtags sammeln und auf Webseiten anzeigen kann. Die beiden Produkte sind im Jahr 2019 zu eigenständigen Firmen geworden – und schlagen sich ohne die Unterstützung von Investor:innen durch.
“Ehrlicherweise war das gar keine so bewusste Entscheidung. Beide Companies haben als ‘Neben-Projekte’ angefangen. Als es dann so richtig ernst wurde (erste Umsätze, Wechsel vom „Projekt-“ zum Produktmodus) war recht schnell klar, dass Bootstrapping ein gangbarer Weg für beide Unternehmen ist. Im Nachhinein bin ich mit dieser Entscheidung sehr zufrieden, hat sie doch mir als Founder ermöglicht, zu jedem Zeitpunkt unabhängig entscheiden zu können, wie es weitergeht”, erklärt Michael Kamleitner.
Für den Founder ist Bootstrapping im Bereich B2B SaaS im Jahr 2025 sogar noch interessanter als vor mehr als zehn Jahren, als er in diesem Bereich die ersten Schritte setzte. Viele Kosten seien seitdem deutlich gesunken (z.B. Cloud-Hosting, Remote Recruiting, AI-Tools). Als SaaS könne man heute innerhalb von einem Jahr erste Umsätze generieren.
Founder müssen viel Geduld mitbringen
Natürlich hat auch Kamleitner beim Bootstrapping Herausforderungen erlebt. “Die größte Herausforderung war aus meiner Sicht, konsequent Ressourcen, also v.a. Personal, von Agentur-Projekten abzuziehen und auf die Produkte zu allokieren – ohne Wenn und Aber. Nicht ganz einfach, da die kurzfristigen Agentur-Umsätze oft verlockend waren”, erzählt der Gründer.
Im Allgemeinen habe man als Bootstrapper generell die Herausforderung, dass Wachstumskurven langsamer verlaufen als etwa bei Venture-finanzierten Unternehmen. Auch ein bedachter Einsatz von begrenzt vorhandenen Ressourcen sei von großer Bedeutung. Deswegen setzen Swat.io und Walls.io neue Funktionen in der Regel zuerst mit externen Partnern auf. 2025 will man darüber hinaus die Produktivität durch die Nutzung von AI-Tools erhöhen.
Kamleitner gibt zu bedenken, dass Founder:innen beim Bootstrapping etwas mehr Geduld mitbringen müssen. Man dürfe nicht auf einen Exit nach 4 oder 5 Jahren hoffen. Skalierung funktioniere meist ähnlich wie bei VC-finanzierten Unternehmen, bloß langsamer. Doch Bootstrapping biete auch viele wichtige Vorteile.
Bootstrapping bietet Vorteile beim Recruiting
“Man bleibt als Founder immer 100 Prozent unabhängig und sein eigener Herr. Das Geschäftsmodell ‘VC’ zwingt hingegen zu möglichst raschem Wachstum, meistens durch regelmäßige Funding-Runden, bei denen man nicht nur Kontrolle, sondern auch Anteile ‘verliert’. Im schlimmsten Fall kommt es dann irgendwann zu einem Misalignment zwischen Investor:innen und Founder:innen. All diese Nachteile hat man beim Bootstrapping nicht”, so Kamleitner.
Unternehmen, die auf Bootstrapping setzen, können Kamleitners Erfahrung nach auch im Recruiting Vorteile haben. Viele Mitarbeiter:innen würden das eher langsame Wachstum dem Chaos vorziehen, das ‘Hyperscaling’ oft mit sich bringt. Kamleitner will mit Swat.io und Walls.io auch in Zukunft Bootstrapping betreiben.
Vor- und Nachteile von Bootstrapping
Pros:
- Founder:innen behalten die vollständige Kontrolle über ihr Unternehmen und ihre Vision.
- Sie lernen frühzeitig, mit knappen Ressourcen zu arbeiten.
- Jeder Cent, den das Startup verdient, gehört den Founder:innen und dem Team.
Cons:
- Es kann finanziell sehr belastend sein.
- Founder:innen tragen das gesamte Risiko.
- Ohne externe Mittel kann das Wachstum langsamer verlaufen.
- Möglicherweise fehlen dem Startup das Netzwerk und die Unterstützung.
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Dieser Artikel ist bereits im Trending Topics Founders Guide 2025 erschienen. Das komplette Magazin findest du hier.