Brüssel: Krypto-Verordnung spaltet die Gemüter
Selten trudeln im Europäischen Parlament so viele Änderungsanträge ein wie bei der sogenannten MiCA-Verordnung (Markets in Crypto-assets). Sie soll künftig den Handel mit Kryptowährungen in der EU regeln. Stefan Berger (EVP), deutscher EU-Parlamentsabgeordneter und Berichterstatter in Sachen MiCA, fasst im Interview mit Trending Topics die Entwicklungen der letzten Monate zusammen: „Es ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise sind es zwischen 100 bis 300 Änderungsanträge – dieses Mal wurden 1200 eingebracht. Das sind insgesamt rund 700 A4-Seiten. Das zeigt, wie außerordentlich beäugt das Thema ist.“
Im Herbst 2020 brachte die EU-Kommission ihren Vorschlag für die künftige MiCA-Verordnung ein, Trending Topics berichtete. Im Wesentlichen sieht das Papier EU-weit einheitliche Regeln für den Kryptomarkt vor: Der Entwurf enthält Definitionen von Krypto-Assets, Voraussetzungen für die Zulassung von Tokens und Regelungen für Kryptohändler:innen. Bisher galt der Kryptomarkt als rechtliche Grauzone. Mit ihrem Entwurf sei die EU deshalb internationaler Vorreiter, sagt Berger: „Die ganze Welt guckt derzeit auf MiCA. Es wird sicher in einigen Jahren eine Revision brauchen, aber jetzt wollen wir zunächst einmal erste Regularien hinbekommen.“
Zulassung und Überprüfung
Berger fordert etwa, dass Stablecoins künftig von einer währungspolitischen Instanz wie der Europäischen Zentralbank (EZB) zugelassen werden müssen. Damit zielt er unter anderem auf Facebooks „Diem“ ab: „Wenn Facebook oder Amazon einen Coin herausgeben, haben sie ein weltweites Ökosystem, von dem viele Menschen beeinflusst werden. Die Unternehmen würden dadurch auf einem Riesenhaufen Geld sitzen. Da braucht es ein Zulassungsverfahren.“
Der Deutsche Sven Giegold von den Grünen spricht im Trending Topics-Interview ebenfalls über eine europäische Behörde, die neue Coins zulässt und die Einhaltung der Gesetze kontrolliert. Er kritisiert den Vorschlag der Kommission insofern, als dass er vorsieht, dass jeder Mitgliedstaat eigene nationale Aufseher nominieren muss: „Das würde nur dazu führen, dass in jedem Land ein bis zwei Aufseher sitzen, die technologisch keine Ahnung haben. Es ist viel effektiver, wenn so ein neuer Markt von Anfang an europäisch beaufsichtigt wird.“
Aus für Anonymität
Dezentralität und Anonymität gelten als USPs der meisten Kryptowährungen. Den EU-Parlamentarier:innen sind sie ein Dorn im Auge. Giegold etwa verlangt, dass Kryptowährungen künftig nicht mehr anonym gehandelt werden können: „Es gibt ein Geldwäsche-Problem. Das sieht man an den vielen Ransomware-Attacken in den letzten Monaten. Dafür brauchen wir Lösungen.“ Der Grünen-Politiker fordert deshalb, dass Krypto-Händler:innen künftig die Identität ihrer Nutzer:innen erfassen müssen. Wer sich nicht an die Transparenzvorschrift halte, solle der Handel in der EU verboten werden.
MiCA: Die EU hat das Zeug dazu, zum weltweit führenden Krypto-Block zu werden
Auch für Berger sei Rückverfolgbarkeit ein Muss: „Am Ende jeder Transaktion muss immer eine konkret greifbare Person stehen. Wenn man einen regulierten Coin haben will, dann muss es eine juristische Person geben, die verantwortlich ist.“ Immerhin gehe es bei Kryptowährungen um viel Geld. Coin-Emittent:innen müssen voraussichtlich unter anderem bestimmte Sicherheiten vorweisen können, bevor sie einen neuen Coin herausgeben können.
Klimasünder Mining
Dass Mining sehr viel Energie verbraucht, ist weitgehend bekannt. Allein Bitcoin benötigt schätzungsweise so viel Strom wie die Niederlande. Der Grüne Giegold schlägt deshalb Energie-Mindeststandards für Krypto-Assets vor: „So etwas haben wir ja schon lange bei jedem Küchengerät. Von großen Krypto-Assets, die auf nicht nachhaltiges Mining setzen, müssten Krypto-Dienstleister:innen nach einer Übergangsfrist die Finger lassen.“ Berger von der EVP hingegen sträubt sich gegen Verbote. Er setzt stattdessen auf Transparenz: „Jeder Coin, der zugelassen wird, muss ein Whitepaper haben. Im Whitepaper müssen Ökokriterien festgelegt werden, damit der Konsument weiß, was er da kauft.“
Tokenisierung und finaler Entwurf
Insgesamt gehe es in der MiCA-Verordnung aber nicht nur um Coins: Laut Berger stehe die Tokenisierung der Gesellschaft durch das Krypto-Packet auf der Agenda der EU: „Wir stehen am Beginn einer Entwicklung, die so bahnbrechend ist wie die Einführung der Aktiengesellschaft. Es werden neue Geschäftsmodelle kommen und das wird die Wirtschaft verändern.“ Angesichts der 1200 Änderungsanträge dürfte der finale Entwurf der MiCA-Verordnung allerdings ohnehin noch auf sich warten lassen. Berger rechnet nicht vor November mit einem Endergebnis. Insgesamt steht für den EVPler aber eines bereits jetzt fest: „MiCA soll es der Europäischen Zentralbank ermöglichen, den digitalen Euro herauszubringen. Er ist die Lösung für viele Probleme.“