Interview

Hansi Hansmann: „Wir sind ein unglaublich reiches Land, aber das Geld rottet vor sich hin“

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Hansi Hansmann ist der bekannteste Business-Angel Österreichs. Er war oder ist an mehr als 70 Unternehmen beteiligt und hat 23 Exits begleitet, darunter einige in mehrstelliger Millionenhöhe. Über die Grenzen der Startup-Welt hinaus bekannt geworden ist er als Investor der ersten Staffel der TV-Show „2 Minuten 2 Millionen“. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das erste Buch über den „Startup-Papa“ erscheint, wie er manchmal genannt wird.

Lisa Ittner und Florian Novak erklären in „Business Angel Hansi Hansmann“, das Rezept der zahlreichen Investment-Erfolge des 66-Jährigen. Trending Topics hat Hansmann gefragt, welche Rahmenbedingungen innovative Jungunternehmen brauchen, welches Startup er selbst gründen würde und ob er vor hat, in Pension zu gehen.

Trending Topics: Die derzeitige Regierung gilt nicht mehr als so Startup-affin wie die letzte. Hast du das Gefühl, dass sich die Rahmenbedingungen für Startups verschlechtern?

Hansi Hansmann: Ich glaube, dass auch die letzte Regierung nicht besonders Startup-affin war. Es wurde bloß, wahrscheinlich aus wahltaktischen Gründen, kurz vor der Wahl ein Paket zusammengeschustert, das es mittlerweile nicht mehr gibt. Das war nur ein kleiner Anfang und nicht unbedingt das, was es gebraucht hätte. Persönlich glaube ich, dass die jetzige Regierung Startups näher steht als die alte. Sie müsste nur mehr konkrete Maßnahmen setzen, um das auch zu zeigen. Ich bin voller Hoffnung, dass das noch kommt.

Man hört zumindest, dass die Rot-Weiß-Rot-Karte neu gedacht werden soll, was ich furchtbar wichtig finde. Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist derzeit so, als würde man auf der Autobahn mit einer Kutsche fahren wollen. Natürlich bewegt man sich vorwärts, aber es ist viel zu langsam. Es ist  einfach nicht möglich, mit einer Rot-Weiß-rot-Karte einen argentinischen oder mexikanischen Developer oder eine Fachkraft nach Wien zu bringen. Wenn derjenige wirklich gut ist, hat er schon drei andere Jobs, bis er die Rot-Weiß-Rot-Karte hat. Diese Menschen wollen ja nicht normalerweise unbedingt nach Österreich, die haben Jobangebote auf der ganzen Welt. Es gibt Competition – wir Österreicher müssen um Fachkräfte kämpfen. Das geht eben nicht mit der Kutsche. Harald Mahrer hat kürzlich gesagt, uns fehlen rund 160.000 Fachkräfte. Alle suchen händeringend nach Entwicklern. Man muss ins EU-Umland schauen – da geht es noch relativ leicht, eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. Aus Serbien zu rekrutieren wird aber schon wieder schwieriger. Denen sollte man den roten Teppich ausrollen. Idealerweise muss man in solchen Fällen eine Rot-Weiß-Rot -Card in einem Tag in der Hand halten können.

Würde dich ein Job in der Politik reizen?

Nein.

Man hört oft, dass wir die großen Innovationen Asien und den USA überlassen. Sind europäische Startups nicht innovativ genug? Verliert Europa den Anschluss?

Wir verlieren nicht den Anschluss, wir haben nie den Anschluss gehabt. Wir haben sehr viele gute Eigenschaften in Europa: das Multikulturelle, die Mehrsprachigkeit, sehr gute Ausbildung. Wir sollten aber trotzdem nachlegen: Wir müssen unsere Jugend darauf vorbereiten, was sie erwartet, wenn sie die Ausbildung abgeschlossen haben. Die Welt wird digitaler, das lässt sich nicht verhindern. Da gibt es einfach ein paar Dinge, die man in der Ausbildung berücksichtigen sollte. In einigen asiatischen Ländern wurde das schon vor Jahren gemacht.

Wir müssen dafür auch viel mehr Geld in die Hand nehmen. Wir sind ein unglaublich reiches Land, es gibt hunderte Milliarden in Stiftungen – Geld, das vor sich hin rottet. Das ist schade. Geld wirkt nur dann, wenn man es benutzt. Wir haben so viel Geld, das wir in der Ausbildung und der Innovation einsetzen könnten. Das ist uns anscheinend zu riskant und das ist schade. Wenn man in Innovation Geld investiert, geht natürlich nicht alles auf. In der Summe ist aber das, was dabei herauskommt, extrem positiv. Ein gutes Beispiel in Europa ist UK, im Speziellen London. In London Shoreditch gibt es 25.000 bis 30.000 Startups, es gibt über 100.000 Coworking-Arbeitsplätze.

Ich traue mich zu sagen, dass die durchschnittliche Qualität dieser Startups niedriger ist als bei uns. Aber die schiere Menge macht es aus, dass immer wieder eines dabei ist, das aufgeht. Das geht nur, wenn man wirklich viel Geld ausschüttet. In England gibt es Rahmenbedingungen für Risikokapital, von denen wir nur träumen können. Es gibt dort zigtausende Leute aus der Finanzbranche, die sehr gut verdienen und als No-Brainer jedes Jahr automatisch in Startups investieren. Es ist so unglaublich viel Geld da, mehr als eine Milliarde Pfund pro Jahr. Es gibt dort gar nicht genug Startups, die müssen aus Resteuropa angelockt werden. Das fällt ihnen natürlich leicht. Ein Ökosystem braucht unterschiedliche Dinge, aber Geld ist ein wesentlicher Faktor. Deshalb wird Wien, das eigentlich gute Voraussetzungen für einen Hub hat, das nie werden, solange wir nicht mehr Geld in die Hand nehmen.

Gibt es etwas, was die EU tun könnte, um Innovationen stärker zu fördern?

Die EU tut eh Vieles. Die arme EU. Es gibt Fonds, die lokale Fonds verdoppeln. Das Problem der EU ist, dass sie mit anderen Dingen beschäftigt ist – nämlich damit, ob es sie in den nächsten Jahren noch geben wird. Das ist schade, ich bin ein großer Anhänger der EU. Wir sollten eine Art europäischen Staat haben und nur als EU insgesamt auftreten. Das ist langfristig gesehen unsere einzige Chance im globalen Wettbewerb. Wenn wir uns splitten, sind wir kleinere Wirtschaftsblöcke. Österreich spielt dann keine Rolle auf der Welt. Als EU sind wir groß und wichtig.

Lisa Ittner und Florian Novak haben ein Buch über dich geschrieben. Es ist aber keine klassische Biografie. Für wen ist das Buch?

Das Buch ist für alle, die Business Angel werden wollen und für alle Gründer. Es ist für die Startup-Szene insgesamt gedacht. Das Buch fasst meine Erfahrungen als Business Angel zusammen.

In deinem Buch steht, dass du mit 43 Jahren ein Unternehmen für nur einen Euro gekauft hast. Wie ist es zu diesem ungewöhnlichen Deal gekommen?

Ich habe in Spanien für die multinationale Pharmaindustrie gearbeitet und mein Konzern wurde 1995 von einem anderen Konzern übernommen. Ich habe eine Produktionsstätte der spanischen Tochterfirma übernommen. Der größere Konzern hatte auch eine Produktionsstätte dort, gemeinsam brauchten sie aber nur noch eine. In südlichen Ländern war es damals nicht einfach, eine Produktion mit so vielen Arbeitsplätzen zu schließen. So gesehen ist der Verkauf um einen Euro ein sehr guter Deal für den Konzern gewesen. Die Firma zu schließen hätte viel mehr gekostet.

Seit 2017 investierst du in keine neuen Startups mehr. Gerätst du manchmal trotzdem noch in Versuchung?

Ja, natürlich regelmäßig. Ich bekomme nach wie vor viele potenzielle Geschäftspläne zu sehen. Der Dealflow ist nach wie vor groß und es gibt immer wieder Dinge, wo ich in Versuchung gerate. In den letzten eineinhalb Jahren gab es durchaus vier bis fünf Ideen, wo ich, wäre ich im Investitionsmodus, sicher nicht lange gezögert hätte. Für mich hat sich aber herausgestellt, dass es eine gute Entscheidung war, zumindest temporär keine neuen Investments zu machen. Ich habe dadurch mehr Zeit, mich um meine bestehenden Investments zu kümmern Die verdienen es ja auch, dass ich ihnen alle Zeit und Energie widme, die ich habe. Neben meinen Startup-Investments habe ich auch noch viele andere Verpflichtungen, wie die Netzwerkpflege, um potenzielle Investoren für meine Startups zu finden. Das nimmt einen sehr großen Teil meiner Zeit in Anspruch.

Du hast nie selbst ein Startup gegründet, warum eigentlich nicht?

Ein Startup in diesem Sinn gab es vor etwa 40 Jahren, als ich gründerfähig war, noch nicht. Im digitalen Umfeld kann man viel leichter ein Startup gründen, das sehr viel Innovation hat, skalierbar ist, disruptiv ist. Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten und wir stehen erst ganz am Anfang, von dem, was passieren wird. Vor vierzig Jahren war das nicht der Fall, da gab es keine Digitalisierung. Wenn man ein Unternehmen gründen wollte, musste man in der Regel viel mehr Geld in die Hand nehmen als heute, weil es sehr viel um den Kauf von Anlagevermögen ging. Reine digitale Startups gab es damals nicht. Das ist jetzt eine super Möglichkeit für junge Gründer, die das unternehmerische Gen in sich spüren. Ich habe das nicht gehabt.

In welcher Branche würdest du heute gründen?

Ich habe aus meiner Pharma-Vergangenheit einen leichten Hang zu Lifestyle und Health. Möglicherweise würde ich also etwas im E-Health-Bereich machen. Ich bin überzeugt davon, dass die große Disruption in dem Bereich erst kommen wird. Es ist immer gut, in einen Megatrend hinein zu investieren. Ich bin aber der Meinung, dass man gar nicht in einen spezifischen Bereich gehen sollte, sondern Gelegenheiten beim Schopf ergreifen sollte. Wäre ich ein potenzieller Gründer, würde irgendwann die Idee an mir vorüberziehen. An uns allen ziehen jeden Tag hunderte Ideen vorbei, wir sehen sie aber nicht. Es kommt darauf an, die richtige Idee zu erkennen und dann das richtige Team dazu zu haben.

Du warst bereits an 70 Unternehmen beteiligt und hast 23 Exits begleitet. Das Wievielfache deiner Investments hast du dadurch zurückgespielt?

Das kann man so nicht beantworten, weil ein großer Teil des Geldes aus den Exits wieder in den nächsten Firmen stecken. Wenn ich den Return on Investment eines Jahres betrachte, habe ich sicher ein sehr gutes Multiple, das wahrscheinlich höher ist als das so ziemlich aller VCs, die ich kenne (grinst).

Denkst du manchmal darüber nach aufzuhören, in Pension zu gehen?

Das ist eine interessante Frage. Ich kann gar nicht aufhören, ich habe über 40 Beteiligungen. Rein theoretisch könnte ich es, weil ich ja nicht operativ in diesen Firmen tätig bin. Es ist ja jeder ersetzbar. Daran denke ich aber nicht. Es ist eine große Verantwortung, die ich übernommen habe und es macht mir auch großen Spaß, dabei zu sein und mitzuhelfen. Ich sehe gerne, wie sich meine Startups und die Gründer, in die ich investiert habe, weiterentwickeln, größer und stärker werden. Das macht meine Motivation aus – da kann man doch nicht in Pension gehen.

Hansi Hansmann ist Investor von Trending Topics.

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