Cabriobeet: Das bepflanzte gelbe Cabrio als Protest für mehr Freiraum im Parkraum
Für Besucher:innen, welche Wien besuchen, gibt es immer einiges zu entdecken. Natürlich sind da der Stephansdom, die Flaniermeile entlang der Donau, das Schloss Schönbrunn oder die belebte Mariahilferstraße. Seit kurzem ziert ein neuer Anziehungspunkt die Metropole. Dieser entzweit allerdings die Geister. Für die einen ist er Treffpunkt, für die anderen ein Proteststück, für manche ein Kräuterbeet und für andere ein ungenutztes Motor-Prachtwerk. Rein optisch betrachtet ist es aber eigentlich eins: ein gelbes Peugeot 306-Cabriolet mit offenem Verdeck, in welchem eine Auswahl an Kräutern gedeiht.
Seit etwa einer Woche steht jetzt das „Peugeot Cabriobeet 306“ auf einem regulären Parkplatz im neunten Wiener Bezirk. Geparkt wurde es dort von Christoph Schwarz. Er ist Filmemacher und Klimaaktivist, wohnhaft in Wien und wurde heuer für seinen Essayfilm „Die beste Stadt ist keine Stadt“ mit dem Österreichischen Kurzfilmpreis ausgezeichnet. Jetzt möchte mit der Cabriobeet-Aktion ein weiteres Problem aufzeigen. „In Wien kann für läppische 10 Euro im Monat mit einem Auto öffentlicher Raum privatisiert werden.“
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Niederschwellige Nutzung von öffentlichen Raum gefordert
Für Fußgänger:innen hingegen sei eine private Nutzung eines eigentlichen Parkraums, wie bei der Einrichtung von Grätzloasen oder Schanigärten, organisatorisch sehr komplex und teuer. Mit seinem bepflanzten Cabrio möchte er darauf aufmerksam machen: „Ich erhoffe mir von der Aktion, dass die Politiker:innen verstehen, dass die Nutzung von öffentlichen Raum für Fußgänger:innen genauso unterschwellig möglich sein muss, wie für Autofahrer:innen“, so Schwarz gegenüber Tech & Nature. Also funktionierte er einen eigentlichen Parkplatz zu einem Hochbeet und Nachbarschaftstreff um, in einer Form, wie es zum Bewohner:innenparken-Tarif für zehn Euro monatlich, leicht und schnell möglich ist. So will er auf den für ihn paradoxen Widerspruch aufmerksam machen.
Die Idee dafür kam ihm im Rahmen eines Ideenwettbewerbes der Stadt Wien. Unter dem Titel „Wien wird wow“ suchte dieser Ideen für eine grünere und lebenswertere Stadt. Schwarz reichte seine Idee ein, hatte aber keinen Erfolg. Im Gegenteil, sein Beitrag wurde „gleich aussortiert“, wie er angibt. „Das war einer der Auslöser. In dem Moment dachte ich mir: Dann mache ich es eben selbst!“
Gemeinschaftsgarten für die Nachbarschaft
Aus dem zunächst geplanten Startzeitraum Juni wurde nun August. Jetzt steht das Cabriobeet und soll neben der Protestwirkung auch ein Gemeinschaftsgarten und Treffpunkt für die Nachbarschaft sein, so die Vision des Initiators. So schreibt er auf der eigens dafür angelegten Website. „Das Cabriobeet ist ja ein direktes Angebot an die Nachbarschaft, sich einzubringen. Die Kräuter können geerntet und verwendet werden.“
Auch seien alle eingeladen, selber zu garteln und zu pflanzen. Das inkludiert auch das Bewässern der Pflanzen: „Im Kofferraum ist ein Wassertank. So braucht niemand Wasser aus der eigenen Wohnung zum täglichen Wässern mitbringen.“ Im Auto selbst ist ein Ablauf verbaut, sodass auch kein Wasserstau entstehen könne, so Schwarz.
Damit der Protest nicht endet, bevor er überhaupt richtig begonnen hat, stellt Schwarz auf der Website und im Gespräch mit Tech & Nature die Einhaltung aller rechtlichen Vorschriften klar. So sei das Cabrio Baujahr 1997 absolut fahrtüchtig, besitze ein noch bis Mai 2022 gültiges Parkpickerl, sei bis zum selben Zeitraum zugelassen und könne innerhalb von kürzester Zeit bei Bedarf den Parkplatz verlassen. Die Unterkonstruktion am Fahrer:innensitz könne dafür bei Bedarf in wenigen Minuten rückgebaut werden, so Schwarz.
Abschleppbescheid bereits erhalten
Bis Ende Oktober plant der Initiator des Cabriobeets das gelb leuchtende Fahrzeug noch an seinem jetzigen Stellplatz zu parken. Ob das möglich sein wird, muss sich allerdings noch rausstellen. So hat das auffällige Gefährt auch schon das Interesse der Wiener Ma 48 geweckt. Diese ist für das Abschleppen von fahruntüchtigen, fahrerlosen Wracks zuständig.
Allen Anschein nach betrachtet die MA 48 das Cabriolet als solches, denn den Aussagen von Schwarz zufolge hat er den Abschleppbescheid bereits an seine Windschutzscheibe geklemmt erhalten. Nun ist er im Gespräch mit der MA 48. „Es könnte natürlich darauf hinaus laufen, dass ich meinen Parkplatz regelmäßig wechseln muss“, so Schwarz. Das sollte aber den eigenen Angaben nach kein Problem sein.
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Grundsätzlich plant er die Aktion auch im nächsten Jahr fortzusetzen, dann schon zu einem früheren Zeitpunkt im Jahr. Auch hofft er mit seiner Idee andere Menschen für mehr Aktivismus erreichen zu können. „Ich möchte andere ermuntern, die Frage nach dem Parkraum in der Stadt lauter zu diskutieren. Generell sollten wir uns mehr zutrauen und mehr Forderungen an die Politik stellen“, ist der Filmemacher überzeugt. Apropos Politik – laut Schwarz gab es bisher von dieser noch keine Reaktion zu seiner Protestaktion. Je nachdem, wie die Gespräche mit der MA 48 ausgehen, könnte sich das ja vielleicht bald ändern.