Canva holt immer mehr Startups in seinen Marktplatz. Aber was haben Startups davon?
Mehr als 170 Mio. monatlich aktive User in mehr als 100 Ländern, dahinter ein Unternehmen, das andere Firmen um Milliardenbeträge aufkaufen kann – und dann noch ein Fonds mit 50 Mio. Dollar, um neue Apps auf die Plattform zu holen? Für immer mehr Startups im Design-Sektor ist es mittlerweile zum erstrebenswerten Ziel geworden, ihre Apps im Marktplatz von Canva anzubieten.
Canva, das ist das mit bis zu 40 Milliarden Dollar bewertete Design-Unicorn aus Australien, das sich anschickt das 226 Milliarden Dollar schwere Adobe (=Photoshop) vom Thron zu stossen. Und weil das nichtgänzlich aus eigener Kraft geht, hat Canva in den vergangenen Jahren 7 andere Unternehmen und Startups (Kaleido aus Wien, Zeetings, Pexels, Pixabay, Flourish, Smartmockups und zuletzt Affinity aus Großbritannien) zugekauft – und noch viel mehr Startups und ihre Services auf die eigene Plattform geholt.
Das hat auch seine Logik. Beispiel Kaleido AI. Das Wiener Startup, das sich mit Künstlicher Intelligenz auf das Entfernen von Hintergründen in Fotos (und später Videos) spezialisierte, war vor mehreren Jahren als Feature bei Canva eingebunden – bis man bei Canva merkte, dass der „Background Remover“ derart intensiv genutzt wurde (und entsprechend Kosten verursachte), dass man das Wiener Startup gleich besser übernehmen sollte.
Design-Startups drängen zu Canva
Aus Kaleido AI ist mittlerweile die Canva Austria GmbH geworden, und ein gewisser Alexander Brix als Head of Ops Europe ist nicht unwesentlich daran beteiligt, dass immer mehr auch österreichische Startups Teil des Canva Marketplace werden. Hier einige Beispiele:
- Artivive: Das Wiener AR-Startup ist seit dieser Woche an Canva angedockt, damit User in Canva gestaltete Bilder oder Videos zu Artivive exportieren können, um dort dann für AR-Anwendungen genutzt zu werden.
- Lalamu Studio: Das Wiener Startup lässt Lip-Sync-Videos mit jeglicher Tonspur erstellen und ist nun ebenfalls via Canva nutzbar
- Soona/MokkerAI: Das kürzlich vom US-Unternehmen Soona gekaufte Wiener Startup Mokker AI ist auf die schnelle Erstellung von Produktfotos spezialisiert
Diese und viele andere Startups sind mittlerweile als Apps in Canva integriert – neben Größen wie die Bildgeneratoren Dall-E von OpenAI oder Imagen von Google. Mittlerweile knapp 250 Apps harren derzeit der Nutzung durch die mehr als 160 Mio. Canva-User weltweit.
Canva will vor allem kostenlose Apps
Aber wie funktioniert dieser App Marketplace? Bei Google oder Apple gibt es zwei große Gruppen an Apps: Kostenlose Apps wie Instagram finanzieren sich via Werbung, und viele andere kostenpflichtige Apps mussten sich bis vor kurzem die Einnahmen mit den App-Store-Betreibern teilen (in der EU kann man Apples App Store mittlerweile umgehen, mehr dazu hier). Der Marktplatz von Canva hingegen funktioniert anders.
Canva legt viel wert drauf, dass lediglich kostenlos nutzbare Apps in seinen Marketplace kommen. „Wir raten Ihnen dringend, die Einführung einer völlig kostenlosen App in Betracht zu ziehen. Bezahlschranken erhöhen die Reibung zwischen den Nutzern und werden wahrscheinlich die Nutzung Ihrer App verringern, was es schwierig macht, die Nutzungsmeilensteine zu erreichen und somit Prämienzahlungen zu erhalten“, heißt es seitens Canva in Richtung interessierter App-Developer.
Was haben aber nun App-Anbieter oder Startups davon, ihre (vielleicht anderswo kostenpflichtigen) Angebote gratis bei Canva anzubieten. Kurz gesagt: Canva zahlt ihnen Geld dafür, und zwar auf Basis der monatlichen Nutzung. Das australische Unternehmen hat dazu einen mit 50 Millionen Dollar dotierten „Innovation Fund“ aufgelegt, um die App-Anbieter zu vergüten. Pro monatlich aktivem User ist Canva gewillt, 20 bis 50 US-Cent zu bezahlen. Hier die genauen Vergütungstarife:
Tier | User adoption (App monthly active users) | Award amount (USD) |
---|---|---|
1 | 10,000 | $2,000 |
2 | 50,000 | $8,000 |
3 | 500,000 | $20,000 |
4 | 1,000,000 | $50,000 |
Das bedeutet unter anderem, dass ein Startup mit einer Million monatlich aktiven Usern via Canva etwa 600.000 Dollar pro Jahr verdienen könnte.
Startups sollen keine User via Canva aufbauen
Neben diesen App Adoption Awards gibt es auch die Möglichkeit für Startups, um Zuschüsse aus diesem Fonds anzufragen. Grants wurden in der Periode von Oktober 2023 bis März 2024 ausgezahlt, um vor allem jene Entwickler:innen zu unterstützen, die aus Regionen der Welt kommen, in denen Venture Capital rar gesät ist. Ob Österreich zu diesen Regionen zählt, ist sicherlich Ansichtssache.
Klar ist, dass sich Startup bei dem Canva-Marktplatz etwas ausliefern. Zum einen verlangt Canva von ihnen, große Teile ihrer Features kostenlos zu machen, und zum anderen werden sie auch angehalten, keine Logins oder andere Authenzifizierungsmethoden einzusetzen, sprich: Es soll keine Möglichkeit entstehen, dass Startups eine User-Basis via Canva aufbauen können. Bedeutet unterm Strich: Die Reichweite von mehr als 160 Millionen Usern von Canva mag verlockend sein, doch am Ende sorgt Canva klar dafür, dass die User bei ihnen bleiben und nicht zu einem anderen Service abwandern.