Klimaneutralität

Carbon Capture and Storage trifft Energiewende: Tobias Pröll von der BOKU Wien spricht Klartext

Prof. Tobias Pröll forscht unter anderem zum Thema Negative Emission Technologies an der BOKU Wien und ist Experte im Bereich Carbon Capture. © Silke Bernhardt
Prof. Tobias Pröll forscht unter anderem zum Thema Negative Emission Technologies an der BOKU Wien und ist Experte im Bereich Carbon Capture. © Silke Bernhardt
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Bis Europa vollständig auf fossile Energien verzichten kann, wird es noch einige Zeit dauern. Ziel ist, den Umstieg auf erneuerbare Energien bis 2040 zu schaffen. Derzeit werden allerdings noch 83 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs aus fossilen Brennstoffen wie Öl, Kohle und Gas gedeckt. Dadurch wird jedes Jahr mehr CO2 in die Atmosphäre freigesetzt. Moderne Technologien wie Carbon Capture and Storage (CSS) können uns jedoch dabei helfen, CO2 langfristig zu speichern oder chemisch zu binden. Noch ist dieses Verfahren allerdings in Österreich verboten. Tobias Pröll, Professor für Energietechnik und Energiemanagement an der Universität für Bodenkultur in Wien, spricht im Interview über CSS und sein Potenzial, die Klimakrise einzudämmen. 

Trending Topics: Was braucht es, um den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu schaffen?

Tobias Pröll: Es bedarf vor allem geeigneter wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen, die einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ermöglichen und gleichzeitig die Wirtschaft aufrechterhalten. Dies muss so gestaltet sein, dass es in einer Demokratie von den Menschen mitgetragen wird. Das einfachste Mittel, das sagen auch Ökonomen, wären hohe Steuern auf die Verursachung von CO2-Ausstoß. Das heißt, wenn ich ins Reisebüro gehe und einen Urlaub buche, lässt sich der verursachte CO2-Ausstoß ermitteln. Den könnte man bepreisen. Ähnliches gilt für das Tanken an der Tankstelle. Die Menschen müssen davon überzeugt werden, einer Besteuerung auch demokratisch zuzustimmen. Dies gestaltet sich schwierig, da niemand möchte, dass Dinge teurer werden. Leider ist die Wahrheit, dass uns der Ausstieg etwas kosten wird. 

In welchen Bereichen werden wir auch 2040 noch fossile Brennstoffe nutzen und wo sollten sie bis dahin abgeschafft sein?

Der Ausstieg sollte vor allem dort rasch erfolgen, wo die fossilen Brennstoffe heute sehr ineffizient eingesetzt werden. Das Problem ist, dass sie stets relativ kostengünstig erhältlich waren und sind. Aktuell gibt es gerade in Österreich viele Anstrengungen, um den Ausstieg rasch über die Bühne zu bekommen. Klassische Anwendungen, wo man sofort aussteigen sollte, sind neben Heizkessel für die Erzeugung von Wärme auch Verbrennermotoren. Erdöl in Verbrennungsmotoren einzusetzen ist sehr ineffizient. In diesen Bereichen sehe ich 2040 keine fossile Energie mehr. Schwieriger wird es im Bereich der Industrie, wo große Energiemengen nachgefragt sind. Ob wir grünen Wasserstoff in ausreichender Menge bis 2040 bekommen, kann ich nicht sagen.

Worauf käme dies an? 

Wenn Windkraft- und Photovoltaikanlagen so stark ausgebaut werden, dass ein erheblicher Überschuss an Energie entsteht, könnten wir diesen Überschuss nutzen, um künstlich Wasserstoff zu erzeugen. Erst dann wäre es möglich, die gesamte Energiewirtschaft und Industrie damit zu versorgen. Ich halte es jedoch für sehr unrealistisch, dass dies bis 2040 erreicht wird.

Die Technologie Carbon Capture and Storage ist gerade in aller Munde. Sie hilft uns dabei, CO2 im geologischen Untergrund zu speichern. Worum geht es dabei genau? 

Carbon Capture and Storage (CCS) zielt darauf ab, CO2, das bei industriellen Punktquellen entsteht, abzuscheiden und zu konzentrieren. Zum Beispiel fällt bei Schornsteinen viel CO2 kleinräumig an. Um es nicht in die Atmosphäre zu blasen, wird Kohlenstoffdioxid (CO2) transportfähig gemacht und in geeigneten geologischen Formationen gespeichert. So kann es langfristig unter der Erde gehalten werden. Das muss man sich ähnlich wie das Konzept der Erdgasfelder vorstellen. Im Idealfall wird das CCS für fossile Brennstoffquellen angewendet, die unvermeidlich sind, wie beispielsweise beim Zementbrennen. Da Zement voraussichtlich ein wichtiger Baustoff bleibt, sollten wir das CO2, das bei diesem Prozess entsteht, nicht länger in die Atmosphäre abgeben, sondern lieber durch CCS binden. Carbon Capture and Storage ist demnach eine gute Lösung für jenes CO2, das sich auch in Zukunft nicht vermeiden lässt. 

Gibt es Nachteile?

Das Verfahren ist natürlich auch mit einem Energieaufwand verbunden. Viele Menschen denken, der Transport oder das Hineinpressen in diese geologischen Formationen stellt den Hauptenergieaufwand dar. Aber tatsächlich werden drei Viertel der Energie für die Abscheidung und Aufkonzentration des CO2 verbraucht. Das ist der Prozess, bei dem die Industrieanlage vor Ort das CO2 in das Transportnetz schickt. Diesen zusätzlichen Energieaufwand müssen wir im Gesamtbild mitdenken. Weil dem Klima nicht geholfen ist, wenn wir punktuell etwas lösen und anderswo wieder mehr Emissionen entstehen. 

Carbon Capture and Storage ist in Österreich verboten. Sollte sich das ändern? 

In Österreich ist Carbon Capture and Storage (CCS) seit 2011 verboten. Gerade wird aber wieder intensiv über eine Aufhebung des Verbots diskutiert. Es gibt hier eine wiederkehrende Evaluierung. Grundsätzlich war ich lange der Meinung, dass nicht jedes kleine Land einen eigenen Speicher braucht. Doch mittlerweile sehe ich, dass der Ausbau der CO2-Speicher im Nordseeraum, wo CCS schon seit Jahren untersucht und entwickelt wird, nicht schnell genug voranschreitet, um den gesamten europäischen Bedarf zu decken. Zudem könnten die Preise für diese Speicherdienstleistungen steigen, wenn viele Länder auf dieselben Speicher zugreifen möchten. Es besteht das Risiko, dass die Betreiber das Recht, CO2 einzuspeichern, an den Höchstbietenden verkaufen. Für den Produktionsstandort Österreich besteht ein gewisses Risiko, wenn man sich nur auf ausländische CO2-Speicher verlässt.

Braucht Österreich eine eigene CCS-Anlage?

Die Entwicklung inländischer Speicher könnte diesem Risiko vorbeugen. Im Zuge der Entwicklung dieser Infrastruktur für dieses CO2-Management könnte mit lokalen Leitungen zwischen Emittenten wie Zementwerken oder Müllverbrennungsanlagen und inländischen Speichern begonnen werden und das System dann nach und nach weiter ausbauen. Was ich so höre, geht man von Entwicklungszeiträumen zwischen fünf und zehn Jahren aus für solche Speicher.

Noch einmal zurück zu den fossilen Brennstoffen: Schaffen wir in Europa beziehungsweise in Österreich den Ausstieg aus fossiler Energie bis 2040? 

Das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu sein, ist ein sehr ambitioniertes. Wenn ich mir die bisherigen Maßnahmen ansehe, schaffen wir es nicht. Das zeigen auch alle Zielrechnungen. Notwendig wäre, wirksame wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Gesellschaft Orientierung bieten und ihr klar vermittelt, wo wir in Sachen Klimapolitik stehen. Das wird nicht ohne Kostensteigerungen möglich sein. Die Herausforderung besteht darin, dies sozialverträglich zu gestalten und gleichzeitig bei der nächsten Wahl die Zustimmung einer Mehrheit zu erhalten. Die wichtige Frage ist doch auch, wie wird die Politikerin oder der Politiker, der das umsetzen möchte, wiedergewählt? Dabei sollte die Wissenschaft die Politik meiner Meinung nach nicht alleine lassen, sondern Lösungen erarbeiten, die das Dilemma der Politik bereits mitdenken. Denn: Die Wissenschaft produziert Informationen und weiß immer besser, wo wir gerade stehen und wo wir eigentlich hin müssen. Ansonsten sehe ich eine „bad situation” auf uns zukommen.

Wir sollten uns ehrlich die Frage stellen, warum eigentlich nichts Wirksames passiert? Das wäre zentral in der Motivation dafür, eine sichtbare Wende herbeizuführen und den Ausstieg aus fossilen Rohstoffen bis 2040 oder zumindest bis 2050 doch noch zu schaffen.

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