Carbon Capture: Ohne Investition keine Innovation
590 Millionen Euro für dich, 850 Millionen Euro für euch – verfolgt man den Investmentmarkt rund um die Carbon Dioxide Removal (CDR)-Technologien, kommt man sich aktuell vor wie in einer amerikanischen Talkshow. Fast zwangsläufig tauchen neben denjenigen, die diese hochleben lassen, auch diejenigen auf, welche sich absolut „Dagegen!“ positionieren. Tatsächlich machen mich diese Diskussionen immer ein wenig müde. Denn es gibt eben nicht nur Schwarz oder Weiß. Es gibt auch Grau.
600 Schweizer Franken, also etwa 590 Millionen Euro, hat das Schweizer Startup Climeworks erhalten. 925 Millionen US-Dollar, also etwa 850 Millionen Euro, sollen bis 2030 in den neu ins Leben gerufenen Frontier Fund fließen. Bei beiden bedeutet das auch Geld für die Direct Air Capture (DAC) -Technologie, also CO2-Abscheidung aus der Atmosphäre. Genau an dieser spalten sich oft die Geister. Noch ist diese teuer, nicht sklariert, verbraucht viel Energie und steckt vieler Orts in den Kinderschuhen.
Somit gehen die Wogen hoch: Warum so viel Geld für eine Technologie, die uns aktuell nicht hilft? Ist es eine Technologie, welche die größten CO2-Verschmutzer als Ausrede nutzen könnten, um ihren Emissionsausstoß nicht deutlich zu verringern?
Das ist die eine Seite unserer Kommentar-Serie „zweiseitig“. Was Jakob zu Carbon Capture denkt, lest ihr hier:
Ohne Investition keine Innovation
Teilweise habe ich das Gefühl, es geht eher darum: Bin ich für neue Technologien oder dagegen? Ich bin, um bei dem oben genannten Vergleich zu bleiben, Fraktion Grau. Denn bisher wird über die Tauglichkeit eines Technologie-Babys diskutiert, dessen Fähigkeiten in noch gar nicht kompletter Fülle bekannt sind.
Auch bei der Präsentation des aktuell veröffentlichten Teilreports zum sechsten Weltklimarat-Sachstandsbericht wurde CO2-Abscheidung grundsätzlich als „essentiell“ zum Erreichen der Netto-Null bezeichnet. Damit verweist der Weltklimarat auf natürliche Methoden, wie Aufforstung, Renaturierung von Ökosystemen oder Bindung des CO2 im Boden.
Aber auch das Potenzial von technologischen wird untersucht, vor allem die Möglichkeit des BECCS (Bioenergy with Carbon Capture & Storage), welche darauf abzielt, CO2 aus Bioenergie wie etwa Pflanzenkohle abzufangen und zu speichern, und eben DAC. Sie verweisen aber darauf, dass neue Technologien mehr Forschung, Vorabinvestitionen (!) und Konzeptnachweise zur Durchführung in größerem Maßstab brauchen. Zudem sollten Vereinbarungen zu Methoden zur Messung, Berichterstattung und Überprüfung getätigt werden.
IPCC : „Jetzt oder nie“ – Emissionen können und müssen bis 2030 halbiert werden
Der Wirtschaftswissenschaftler Michael Ambros von der BOKU Wien meinte einmal in einem Interview zu mir, dass es hin und wieder die Vorleistung der Wirtschaft, von Startups und Entrepreneuren braucht, um für neue Lösungswege in Vorleistung zu gehen. Sobald es diese am Markt gibt, fällt es politischen Entscheidungsträger:innen leichter, die nötigen Rahmenbedingungen zu setzen. Genau das passiert gerade, auch im Bereich des Carbon Capture.
Nun braucht es die Politik, um die entsprechenden Regulierungen zu schaffen, um eben zu verhindern, dass diese Technologien als Ausrede für unzureichende tatsächliche Reduktion ausgenutzt werden. Denn diese braucht es jetzt. CDR ist eine langfristige Maßnahme. Verlassen wir uns heute darauf, verlassen wir den Pfad zur Erreichung der Klimaziele.
Trends und Entwicklungen der nächsten Jahre im Impact-Bereich
Geld ist da
Am Ende ist es die gleiche Ausgangslage, wie in anderen Bereichen auch: E-Autos können nicht einfach Verbrenner ersetzen, synthetisches Fleisch kann nicht einfach konventionelles Fleisch in den gleichen Mengen ersetzen und das CO2-„Absaugen“ aus der Luft, ersetzt eben keinen Verzicht auf fossile Rohstoffe. Reduktion ist das Gebot des Jahrhunderts. Es nicht die Frage ob, sondern wie.
Dafür braucht es auch heute schon Investitionen. Und wer Sorge hat, dass dadurch zu wenig Geld für kurz- bis mittelfristig hilfreiche Klimatechnologien, wie Erneuerbare Kraftwerke beispielsweise, vorhanden ist, sollte einen Blick in die Subventionskammer für Fossile werfen. Denn das Geld ist da. Laut dem Welktklimarat liegen die Finanzströme um das Drei- bis Sechsfache unter dem Niveau, das bis 2030 erforderlich sei, um die Erderhitzung auf unter 2 Grad Celsius zu begrenzen.
Aber auch, dass weltweit genügend Kapital und Liquidität vorhanden ist, um diese Investitionslücken zu schließen. Somit steht nicht die Frage im Raum: Investitionen in Solarkraftwerke oder in CDR-Technologien, sondern: Warum ich immer noch für einen Spottpreis in europäische Nachbarländer fliegen könnte?! In meinem Fall liegt die Betonung auf „könnte“. Denn ich fahre Zug.