Kommentar

Carbon Capture: Teure Ausrede für CO2-Verschmutzer:innen

Jasmin Spreer und Jakob Steinschaden von Trending Topics. @ Trending Topics
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Die Tech-Branche hat ein neues Mittel für die Probleme dieses Planeten gefunden: CO2-Abscheidung. Immer öfter stößt man auf die Begriffe Carbon Dioxide Removal (CDR), Direct Air Capture (DAC) und CCS (Carbon Capture & Storage) und vor allem auf riesige Summen, die in diese Technologien investiert werden sollen.

Der Einfachheit halber wird gerne von CO2-Staubsaugern geredet, die das Gas aus der Luft entfernen und in Kombination mit anderen Technologien gar zu Tierfutter, Parfum oder Diamanten weiter verarbeitet werden kann. Das Konzept fasziniert: Das böse CO2 einfach aus der Luft saugen, den Planeten retten und nebenbei auch noch wertvolle Produkte fabrizieren. Vor zehn Jahren noch hätte man für solche Ideen mindestens Stirnrunzeln geerntet.

Zwei der bemerkenswertesten Finanzierungsrunden bzw. Ankündigungen der vergangenen Tage: die 850 Millionen Euro, die die Google-Mutter Alphabet, die Facebook-Mutter Meta, das E-Commerce-Unternehmen Shopify, der Zahlungsdienstleister Stripe und die Beratungsfirma McKinsey bis 2030 in Tech zur CO2-Entfernung investieren wollen. Und die 592 Millionen Euro, die das Schweizer DAC-Startup Climeworks von großen Investoren wie Partners Group, GIC, Baillie Gifford, Carbon Removal Partners, Global Founders Capital oder Swiss Re bekommen hat.

Das ist die eine Seite unserer Kommentar-Serie „zweiseitig“. Was Jasmin zu Carbon Capture denkt, lest ihr hier:

Carbon Capture: Ohne Investition keine Innovation

Ein Tropfen am heißen Stein

Doch wir sollten uns nicht täuschen lassen: Die „Orca“-Anlage von Climeworks in Island, die aktuell größte ihrer Art, schafft pro Jahr 4.000 Tonnen CO2, das ist gerade mal der CO2-Fußabdruck von 360 Mitteleuropäer:innen. 2021 wurden weltweit 36 Milliarden Tonnen energiebedingtes CO2 emittiert. Um das CO2 von Millionen Menschen aus der Luft zu saugen, bräuchte es riesige Anlagen, die ihrerseits Energie benötigen. Aber immerhin: Je nach Energiequelle verursacht eine Anlage wie Orca 150 bis 300 Kilo neues CO2, um eine Tonne CO2 aus der Luft zu holen. Unter Strich sind die Anlagen also CO2-negativ.

Doch nun zu den Kosten: Der fallen für jede Tonne aus der Luft geholtes CO2 je nach Berechnung zwischen 600 und 900 Dollar an. Doch damit die Technologie wettbewerbsfähig ist, müssten diese Kosten auf weniger als 100 Euro fallen (derzeit liegt der CO2-Preis in der EU bei etwa 78 Euro je Tonne). Und dafür gibt Climeworks als Branchenführer einen enormen Zeithorizont an: Die 100-Euro-Grenze soll bis Mitte der 2040er-Jahre unterschritten werden können – also in etwa 25 Jahren.

Und da muss man sich schon die Frage stellen: So faszinierend die Technologie auch ist – sollte man da nun wirklich Milliarden Euro hineinpumpen? oder das Geld lieber in den Ausbau der Erneuerbaren Energien pumpen, die es heute gibt und sich bewiesen haben? Skalierung und Wirtschaftlichkeit für CCS und Co. erscheinen aus heutiger Sicht schwer bis unmöglich. Und die Frage, wo man die riesigen Anlagen hinstellen wird und welche Diskussionen das auslösen wird (vergleiche: Windräder), ist noch gar nicht gestellt.

Deswegen sollte man die CCS-Techs als das sehen, was sie sind: ein kleiner Beitrag zur Lösung eines riesigen Problems, den man nicht überbewerten sollte. Und darüber hinaus nicht vergessen, dass es auch natürlichere Methoden gibt – zum Beispiel Algenfarmen.

Wie in Marokko eine 30 Hektar große Algen-Farm Tonnen von CO2 aus der Luft ziehen soll

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