Carbon Farmed: Wie ein deutsches Startup Klimalandwirtschaft fördern will
Mitten auf einem Acker des Schlossguts Alt Madlitz in Ostbrandenburg wachsen seit heuer Bäume. Und zwischen Streifen mit Nussbäumen und vielfältigen Büschen hat der junge Landwirt Benedikt Bösel bunte Wiesen angelegt – dort sollen später Tiere weiden. Früher hätte man wahrscheinlich Streuobstwiese dazu gesagt, heute ist das ein Agroforst.
Was zunächst nach Landwirtschaftsidylle auf einem Schlossgut klingt, hat aber auch einen ernsten Hintergrund: Regenerative Landwirtschaft will Böden so bewirtschaften, dass sie CO2 speichern und damit ein Mittel im Kampf gegen die Klimakrise sind: CO2 soll so aktiv aus der Atmosphäre abgezogen und unter die Erde verbannt werden. Das Konzept hat bisher nur wenige Anhänger und genau da will das deutsche Startup Carbon Farmed ansetzen. Die Gründer Robert Gerlach, Nina Mannheimer und Adiv Maimon wollen Landwirten mit „regenerativer Landwirtschaft“ ermöglichen, klimafreundlicher zu wirtschaften und die Produkte mit einem eigenen Klimaschutz-Label vermarkten.
Zerstörung von Humus rückgängig machen
Ein Agroforst ist nur eine von vielen Methoden der regenerativen Landwirtschaft oder des „Carbon Farmings“. „Es geht um Methoden, die zu einer Regeneration der Böden führen und den Humus-Anteil wieder erhöhen oder anderwertig CO2 speichern, etwa durch Untersaaten, Zwischenfrüchte, weitere Fruchtfolgen oder Hecken“, erklärt Gerlach im Gespräch mit Tech & Nature. Die Zerstörung von Humus durch konventionelle Landwirtschaft habe in der Vergangenheit bis 500 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt. Tatsächlich verursacht die Landwirtschaft in Deutschland ein Gros der Emissionen.
Bis zu 11 Mrd. Tonnen CO2 pro Jahr binden
Die Methoden des Carbon Farmings konzentrieren sich also auf den Boden – es geht um Humusanreicherung und Speicherung von CO2 in langfristiger Vegetation. Da werden zum Beispiel Pflanzengemeinschaften angelegt, die sich durch eine natürliche Abfolge gegenseitig ganz natürlich im Wachstum begüsntigen. Statt ein Feld brach liegen zu lassen, werden Zwischenfrüchte angepflanzt, mit denen der Boden quasi wieder mit Nährstoffen „gefüttert“ wird. „Durch die Regenerierung von Böden werden dort angebaute Früchte langfristig auch geschmackvoller und nährstoffreicher“, sagt Gerlach. Das wichtigste für ihn ist aber der Effekt für das Klima. Wieviel CO2 so gebunden werden könnte, weiß niemand genau, Forscher schätzen das weltweite Potenzial laut dem Jungunternehmer aber auf 4 – 11 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr.
Für konventionelle Landwirtschaft und Bio-Bauern
Carbon Farmed will die Klimalandwirtschaft in Deutschland zum Standard machen und hofft auf einen noch breiteren Zuspruch als bei der Biolandwirtschaft. Nur rund 13 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland widmeten sich 2019 dem ökologischen Landbau. Nicht alle davon würden auch regenerativ wirtschaften, meint Gerlach, denn Bio kenne keine Regeln gegen den Verlust von Humus. Zudem ist er überzeugt, dass regenerative Landwirtschaft im Gegensatz zu Bio zu höheren Erträgen führt und so auch eine bessere Klimabilanz pro produzierter Tonne Lebensmittel aufweisen kann.
Mit „Carbon Farmed“ will der deutsche Gründer daher vor allem konventionelle Landwirtschaftsbetriebe überzeugen, die ihren Betrieb bisher nicht auf Bio umstellen wollen. „Wir sind in einigen Punkten weniger dogmatisch“, erklärt Gerlach. „Wenn man zunächst erst einmal nur einen Teil seines Betriebes auf regenerative Landwirtschaft umstellen möchte, ist das bei uns möglich. Durch diesen pragmatischen Ansatz können wir viele konventionelle Betriebe ansprechen und somit unseren Klima-Impact maximieren“.
Klimalandwirtschaft und Ökolandbau schließen sich jedoch nicht aus: „Wenn ein konventioneller Landwirt die regenerativen Methoden durchgehend anwendet, kann er zukünftig einfacher auf Ökolandbau umstellen. Genauso kann ein Bio-Bauer bei uns mitmachen, und vermehrt regenerative Methoden anwenden. Für einen aktiven Klimaschutz in der Landwirtschaft müssen alle gemeinsam an einem Strang ziehen“.
Adamah-Gründer: „Ein billiges Lebensmittel kann es nicht geben, weil irgendwer draufzahlt“
App startet im Frühjahr 2021
Ab dem Frühjahr 2021 will Carbon Farmed eine Zertifizierungs-App für Landwirte anbieten. Dort können Landwirte Fotos von ihren regenerativen Methoden hochladen und ihren Betrieb zu dessen CO2-Speicherleistung bewerten lassen. Außerdem soll der Austausch zwischen den Betrieben über eine Community gefördert werden. „Für Landwirte ist die Wertschätzung wichtig und wir helfen dabei“, so Gerlach. Später will Carbon Farmed daher Produkte unter einem eigenen Label für „klimapositive“ Landwirtschaft anbieten und die Einnahmen mit den Betrieben teilen.