Catalysts: „Diese zwei Bücher müssen Startups lesen, bevor wir investieren“
Die Linzer Tabakfabrik entwickelt sich zum Hotspot für Startups und die Kreativszene. Mittendrin: die Software-Schmiede Catalysts, die sich in dem denkmalgeschützen Gebäude ein Büro eingerichtet hat, in dem sich Besucher auch ohne Anmeldung jederzeit umsehen dürfen. Es gibt Führungen, bei denen Projekte zu Themen wie Künstliche Intelligenz oder Machine Learning vorgestellt werden, und Meetups für Entwickler und Startups. Vor rund 13 Jahren war Catalysts selbst ein Startup: CEO Christoph Steindl hat damals seinen Job bei IBM an den Nagel gehängt und eine eigene Firma gegründet. „Bei IBM hatten bereits einige Kollegen einen Burnout oder noch Schlimmeres“, erzählt Steindl. „Ich wollte für mich und für künftige Angestellte ein besseres Arbeitsumfeld schaffen“.
Projekte für ESA und NASA
Die ersten Mitarbeiter stellte Steindl 2007 ein: in Nepal. Heute hat das Unternehmen 250 Mitarbeiter in Österreich, Rumänien, Nepal und Deutschland. Catalysts entwickelt unter anderem für die Raumfahrts-Agenturen ESA und NASA Lösungen zur Auswertung von Satellitendaten. Aus dieser Spezialisierung haben sich auch Firmenbeteiligungen ergeben: In Wien ist Catalysts an einem Rechenzentrum für Erdbeobachtungsdaten (EODC) beteiligt und in Frankreich an einem Zentrum für Atmosphärenforschung (GRASP). Seit 2015 ist die Software-Schmiede auch Teil des Business-Angel-Netzwerks startup300 und stellt dem Risikokapital-Fonds capital300 eine Million Euro zur Verfügung.
Im Gespräch mit Trending Topics spricht Catalysts-Gründer Steindl über seine Abneigung gegen Startup-Förderungen, seine Ansprüche an Startups, in die er investieren würde und den Startup-Hype in Linz.
Trending Topics: Catalysts ist 2005 gegründet worden. Seither hat sich das Startup-Ökosystem in Österreich stark verändert. Was war damals anders?
Christoph Steindl: Damals bin ich von sehr vielen Leuten gefragt worden, ob das gescheit ist, was ich da mache. Ich habe einen interessanten, gut bezahlten Job bei der IBM gekündigt. Damals hatte ich schon zwei Kinder. Meine Frau Birgit war zuhause in Karenz. Mit meiner Kündigung war das Familieneinkommen bei Null. Im ersten dreiviertel Jahr habe ich nur 5.000 Euro umgesetzt. Immerhin. Die nächsten Jahre waren auch eher spärlich. Es war auch mehrmals ganz knapp, ob Catalysts überlebt oder nicht. Jeder der gründet, geht ein sehr hohes Risiko ein. Man sagt ja, dass von 20 Startups zehn nichts werden, die nächsten drei bis fünf ernähren die Gründer, ein bis drei bringen Investoren ein bisschen etwas und vielleicht ist ein schöner Exit dabei.
Wo haben Sie 2005 versucht, Geld zu bekommen?
Ich habe es nicht probiert.
Gab es damals schon Förderungen?
Das hat mich nie interessiert. Das sollte auch nicht wichtig sein. Man steckt dann so viel Zeit in Anträge, dann wird das abgelehnt, dann wartet man wieder ein halbes Jahr. Förderungen decken ja auch nur die ersten paar Tausend Euro ab. Die muss man sich doch aus Family, Friends and Fools auch finanzieren können. Wenn jemand eine gute Idee hat und bei mir anklopft, bekommt er seine 50.000 Euro auch. Geld gibt es ja eh – andere Dinge sind viel wichtiger.
Welche?
Zum Beispiel die Vorgehensweise. Wenn ein Softwareentwickler zum Beispiel nicht testgetrieben entwickelt, ist er in einer viel schlechteren Startposition. Dann kennt er seine methodische Werkzeugkiste vielleicht nicht und wird fehlschlagen. Bei Startups gibt es das auch. Wenn ich Bücher wie „Running Lean“ und „Scaling Lean“ von Ash Maurya nicht gelesen habe und selber mühsam draufkommen muss, ist das nicht sehr effizient. Jedes Startup, an dem wir uns beteiligen, muss diese Bücher gelesen haben. Förderungen finde ich aber nicht wichtig. Wenn man eine gute Idee hat und ein vernünftiges Team, kann man vor jemandem pitchen und Geld bekommen. 2005 war das nicht so einfach. Jetzt kann man ohne große Recherche sein Pitchdeck an verschiedene Stellen schicken und bekommt wahrscheinlich Antworten.
Welche Strategie verfolgt Catalysts bei Firmen-Beteiligungen und Startup-Investments?
Wir machen Software. Wir suchen nach Puzzleteilen, die in unser Gesamtbild passen. Zum Beispiel: Vor fünf Jahren haben wir begonnen, für die ESA Satellitendaten zu verarbeiten. Durch unsere Zusammenarbeit haben sich immer wieder lokale Projekte ergeben – zum Beispiel mit der Boku Wien oder der Freien Universität Berlin oder der Uni in Lille. Aus diesen Erdbeobachtungsprojekten hat sich ergeben, dass es sinnvoll ist, nicht immer neue Konsortien etablieren zu müssen, sondern ein stehendes Konsortium zu haben. Firmen, die bereits zusammengearbeitet haben, antworten gemeinsam auf neue Ausschreibungen. Das ist in Österreich das EODC – da sind die TU Wien, die ZAMG, die Geoville aus Innsbruck und wir dabei. An der Uni Lille hat sich ein Spin-off ergeben – ein Teil davon gehört den Forschern und ein Teil uns.
Vor zwei Jahren sind wir dann bei Startup300 als Business Angel eingestiegen. Wir waren aber schon davor an Startups beteiligt. Manche davon gibt es schon wieder nicht mehr – Yipbee zum Beispiel. Andere sind noch am Laufen: Record Bird (Investment über Startup300, Anm.) zum Beispiel. Wir wollen pro Jahr in ein bis zwei Startups investieren.
Tut der Startup-Hype dem Standort Linz gut?
Für mich ist erstaunlich, dass am Areal der Tabakfabrik so ein Hotspot entstehen hat können. Vor zehn Jahren war das nur ein aufgelassenes Industrieareal. Vor fünf Jahren hätte es mich hier nicht hergezogen. Dass die Stadt Linz die Fabrik nicht einfach möglichst schnell und möglichst profitabel vermietet, sondern entwickelt hat, ist großartig. Die haben sich wirklich viele Gedanken gemacht, wie man die Kunstuni herbringt, wie man Startups herbringt. In eines der Gebäude zieht ein großer Makerspace ein. Ich finde es sehr gut, dass auch Hardware-Themen abgedeckt werden.
Warum ist Catalysts in die Tabakfabrik gezogen?
Die Vision des kollaborativen Konzerns finde ich gut: man soll sich unternehmensübergreifend austauschen, regelmäßig treffen. Wir haben hier mit unserer Tribüne einen eigenen kleinen Event-Space für Meetups und ähnliches. Wir haben 48 Arbeitsplätze und in der Mitte den Catwalk der Inspiration, wo aktuelle Projekte vorgestellt werden – derzeit vor allem zu Künstlicher Intelligenz, Machine Learning, Satelliten- und Space-Themen. Letztes Jahr haben wir 50 Get-Inspired-Events veranstaltet und unsere Projekte vorgestellt – heuer stehen die Türen jederzeit offen. Hinter den Projektdisplays sitzen Mitarbeiter aus den Projektteams, damit man sie zu den ausgestellten Projekten fragen kann.
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