Gastkommentar

Warum wir im schlimmsten Fall eine ganze Generation von Gründern verlieren

Michael Kräftner, CEO von Celum. © Celum
Michael Kräftner, CEO von Celum. © Celum
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Der Linzer Unternehmer Michael Kräftner ist Gründer und Geschäftsführer von Celum, einem Spezialisten für Cloud-basierte Content-Management- und Collaboration-Lösungen für globale Brands. In diesem Gastkommentar beleuchtet er die enormen Risiken, in die junge Unternehmer und Selbstständige in der Corona-Krise schlittern – trotz aller Rettungsschirme.

Für die meisten Unternehmen heißt es aktuell „Neuumsatz gegen Null“. Mittlere und große Firmen haben meist bestehende Lieferketten und Verträge, die hoffentlich halten und Umsatz generieren werden. Ja, es werden magere Monate, vielleicht Jahre, und etliche, die über keine Reserven verfügen, werden in die Insolvenz rutschen. Im besten Falle nicht allzu viele.

Viel schlimmer wird es aber bei kleinen Unternehmen und noch relativ jungen Firmen aussehen. Manche argumentieren leicht gehässig, dies sei eine „gute“ Gelegenheit, in der Tech- und Startup-Szene mal „auszumisten“. Um zu sehen, welche Gründer ein tragfähiges Business Modell entwickelt haben, oder bei wem es sich eigentlich um eine One-Company-Mikroblase handelt, bei der Fördergeber und seinerzeit übermotivierte Investoren sich eine „small yet too big to fail“-Situation erdacht haben und „gschaftlerische“ Nano-CEOs unbegründet einen auf dicke Hose machen. Ja, die gibt es sicher. Aber denken wir uns diese unsympathischen Beispiele mal weg und betrachten das Bild für Gründer und EPUs – spezifisch solcher, die im Dunstkreis „Startup“ zu finden sind, als Ganzes.

Diese Krise ist ein Crash-Test

Ich persönlich bin der Meinung, dass wir gerade eine Situation sehen in der, mit Ausnahme einiger enger Nischen, alle Businesses weitgehend auf Pause sind. Fast niemand trifft aktuell, und aktuell heißt seit Mitte März, relevante Entscheidungen. Selbst wenn du gerade was in E-Commerce machst, wird wohl der Zufluss neuer Kunden, die jetzt dringend „digitalisieren“ wollen, umsatzmäßig oft von jenen ausgeglichen, die ihr Projekt aktuell gestoppt haben. Also haben alle Unternehmen, die signifikant auf Neugeschäft angewiesen sind, und das sind frisch geschlüpfte Unternehmen ja in der Regel, das gleiche Problem, egal ob ihr Modell wirtschaftlich insgesamt tragfähig wäre oder nicht.

Ja, es wird viel darüber geredet, dass Unternehmen nun Unterstützung bekommen sollen – auch und vor allem Startups. Es gibt Kurzarbeit und Überbrückungskredite. Und es wird trotzdem für viele nicht reichen. Denn wie lange kann und will man denn überbrücken? Wie lange macht es Sinn, ein Unternehmen künstlich zu „beatmen“, wenn sich eine Rückkehr zu tragfähigen Umsätzen auf Monate nicht abzeichnet? Um den Crashtest-Vergleich zu bemühen: Aktuell ist es egal, ob es ein gutes oder ein schlechtes Auto ist, es ist jetzt erstmal hin und wird so schnell nicht mehr fahren.

Das Auto ist eine Sache, aber was ist mit dem Fahrer?

Das wird für viele Menschen in diesen Unternehmen eine schwere Zeit, und viele werden, nachdem sie mit viel Herzblut und Zeit an etwas Großartigem gearbeitet haben, zusehen müssen, wie es untergeht. Viele der Mitarbeiter werden sich wohl eine Auszeit nehmen, um sich neu zu orientieren, und für viele wird es die erste Gelegenheit seit langem sein, leere Batterien neu aufzuladen. Und ja, man wird mit erheblich weniger Einkommen auskommen müssen für die nächste Zeit. Aber in ein paar (oder mehr) Monaten wird es neue Chancen geben und das Leben wird weitergehen.

Apropos: Viele vormals lautstarke Kritiker sehen nun, wie gut es ist (gerade im Vergleich zu den USA), eine für Arbeitnehmer funktionierende Absicherung zu haben und Arbeitslosigkeit nicht automatisch sofortige Armut bedeutet.

Anders sieht es aber bei vielen Gründerteams aus. In vielen EPUS, kleinen KMUs und Startups arbeiten die Gründer/Eigentümer seit Jahren für fast kein Einkommen – und aus fast nichts wurde nun für die meisten Null. Die Kurzarbeitsregelung greift nicht, wenn man Gesellschafter/Geschäftsführer ist.

Dazu kommt aber vor allem noch das Haftungsrisiko. Denn bei der viel gepriesenen Steuerstundung, oder weil man jetzt unter Druck oder schon vor Monaten eine Wechselschuldverschreibung (die übrigens sogar einen Privatkonkurs übersteht und somit sprichwörtlich das ganze Leben ruinieren kann) bei der Hausbank unterschrieben hat, gibt man bestimmten Gläubigern auch auf das private Vermögen, das jetzige und das der Zukunft, Zugriff.

Also sinkt nicht nur das Einkommen bei vielen auf Null, sondern es ergeben sich immense Risiken, die viele Gründer in dieser Tragweite noch gar nicht erfasst haben. Es gibt für die meisten aus einem Hilfspaket, das den Namen nicht verdient hat, in der Realität ein paar hundert Euro pro Monat.  Denn entweder hat man in den Vorjahren zu viel oder zu wenig verdient, hat irgendwo nebenbei angestellt gearbeitet oder rutscht sonst irgendwie raus.

Gleichzeitig hört man das zynische „Ja, das ist halt unternehmerisches Risiko“ von allen Seiten.

Wer steigt nach sowas jemals wieder hinters Steuer?

Kleine Unternehmer und EPUs sind aktuell Bittsteller um Almosen und sozialpolitische Crash-Test-Dummies gleichzeitig. Sie haben, obwohl es Hunderttausende von ihnen gibt, keine Lobby und sind scheinbar auch als Wähler, selbst weiten Teilen der Opposition, egal.

Wenn wir aber jetzt nicht die kleinen Unternehmer absichern, auch wenn die Unternehmen untergehen, wenn jetzt Menschen nachhaltig um ihre Existenz gebracht werden oder gar mit hohen privaten Schulden aus den Konkurswracks ihrer Firmen kriechen werden, dann verlieren wir im schlimmsten Fall eine ganze Generation von Gründern. Wir werden noch in Jahren spüren, dass sich Leute, die das „damals mitgemacht“ haben und auch gesehen haben, dass man sie als Einzige zurücklässt, nie wieder gründen (können). Und viele Junge werden sich dann erst recht für eine Laufbahn abseits des riskanten Unternehmertums entscheiden.

Das darf man in einer, Gott sei Dank, sozialen Marktwirtschaft nicht zulassen! Mein Aufruf ist klar: Selbstständige und Unselbstständige in dieser Krise gleich zu behandeln und auf jeden Fall zu verhindern, dass man durch langfristige Einkommenslosigkeit oder persönliche Haftungen tatsächlich sein, etwas polemisch formuliert, wirtschaftliches Leben verliert.

In Anlehnung an das bekannte James-Carville-Zitat (für Bill Clinton), sage ich: “It’s not (only) the economy, it’s the people, stupid!”

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