Food

Clean Meat: “Wir können Fleisch herstellen, ohne ein einziges Tier zu schlachten”

Hampton-Creek-Gründer Josh Tetrick. © Jakob Steinschaden
Hampton-Creek-Gründer Josh Tetrick. © Jakob Steinschaden
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1,1 Milliarden Menschen, die täglich hungrig ins Bett gehen, 6,5 Milliarden, die nur „crappy food“ essen, und 2,1 Milliarden, die an Mikronährstoff-Mangel leiden. Für den 37-jährigen US-Unternehmer Josh Tetrick und ehemaligen Football-Spieler ist das Ernährungssystem „fucked“ und der Antrieb für ihn, das zu ändern. Mit seinem 2011 gegründeten Food-Startup Hampton Creek will Tetrick ab 2018 künstlich erzeugtes Fleisch (und Fisch) auf den Markt bringen.

Dabei sollen Zellen von Tieren im Labor zu Muskelfasern kultiviert werden, letztendlich kann daraus Fleisch werden. Der Begriff „Clean Meat“, der sich für das Fleisch aus der Retorte, hat sich mittlerweile in der Branche durchgesetzt – schließlich müssen für dieses Fleisch keine Tiere mehr getötet werden.

“Die Antwort auf die Ernährungsfrage sind Pflanzen“, sagt Tetrick. “Wir können Fleisch herstellen, ohne ein einziges Tier zu schlachten.” Dazu würde seine Firma zehntausende Pflanzen analysieren, ob sie als Basis für Labor-Fleisch taugen. Eigentlich ist Hampton Creek mit veganer Mayonnaise, Salat-Dressings und Keksen unter der Marke „Just“ auf den Markt gegangen, indem Milch und Ei durch pflanzliche Produkte ersetzt wurden. Doch jetzt will Tetrick den Fleischmarkt angehen, der ihm zufolge bis 2050 um bis zu 100 Prozent wachsen wird. Nur mit künstlich hergestelltem Fleisch sei es möglich, diese Nachfrage zu decken und gleichzeitig die Probleme der Massentierhaltung und agrarischen Futterproduktion in den Griff zu kriegen.

Das Steak aus der lokalen „Fleisch-Brauerei“

Die Menschheit vom Vegetarismus zu überzeugen, ist laut Tetrick, selbst Vegetarier, nicht der richtige Weg. “Ernährung ist eine emotionale Sache. Die Menschen in Alabama, wo ich herkomme, mögen vegetarisches Essen einfach nicht”, sagt der Hampton-Creek-CEO. Deswegen müsse man ihnen eine Alternative zum herkömmlichen Fleisch bieten, die aber genauso schmeckt und ähnlich günstig ist.

Sein Ziel ist ambitioniert. Zwar gibt es bereits viele Firmen (u.a. auch Impossible Foods, Memphis Meats, Mosa Meat, SuperMeat, Future Meat Technologies, oder Meat the Future), die am künstlichen Fleischersatz arbeiten, doch noch ist das Retorten-Fleisch Mangelware. „Ich glaube, es wird in Zukunft völlig normal sein, dass man in die lokale ‚Fleisch-Brauerei‘ gehen wird und sich dort sein ‚Clean Meat‘ holt, das genauso schmeckt wie echtes Fleisch“, sagte Investor Heinrich Prokop kürzlich im Interview mit Trending Topics. „Das einzige Thema: Dieses Fleisch ist heute noch dreimal teurer als das Original.“

Der Tierschutzorganisation Vier Pfoten zufolge wird es noch einige Jahre dauern, bis das Fleisch aus dem Labor am Markt erhältlich ist. In Restaurants und speziellen Läden soll „Clean Meat“ in drei bis vier Jahren verfügbar sein, weitere drei Jahre soll es dauern, bis man es Supermärkten bekommt.

Israel als Schlüsselmarkt

Wie Hampton Creek es bereits 2018 schaffen will, „Clean Meat“ am Markt zu platzieren, ist fraglich. Alleine wird es Tetrick, der als charismatischer Verkäufer großer Ideen gilt, nicht schaffen. Das gibt er auch selbst zu. “Wir können das nicht alleine schaffen, deswegen arbeiten wir mit der Industrie zusammen. Wenn die Fleischhersteller, die ja im Prinzip Tierprotein verarbeiten und verkaufen, mehr herstellen können, dann werden sie das auch tun”, sagte Tetrick im Rahmen der „Journey 2017“-Konferenz vergangene Woche in Tel Aviv.

Dass Tetrick ausgerechnet nach Israel reist, ist kein Zufall. In dem kleinen Land mit großer Startup-Szene gibt es mit SuperMeat, Future Meat Technologies und Meat the Future gleich drei Startups, die sich der Herstellung von Fleisch im Labor widmen. Erst kürzlich hat China einen 300-Millionen-Dollar-Deal mit ihnen geschlossen, um ihnen „Clean Meat“ abzukaufen. Gerade China mit 1,4 Milliarden Einwohnern hat enormen Bedarf, immerhin importiert es bereits heute Fleisch im Wert von zehn Milliarden Dollar jährlich. Auch bei Hampton Creek waren Vertreter der chinesischen Fleischindustrie bereits zu Besuch. Tetricks Auftritt in Israel dürfte der Auftakt zu Kooperationsgesprächen mit den lokalen „Clean Meat“-Spezialisten gewesen sein.

Mehr Marketing als Forschung

Unumstritten ist Hampton Creek derweil nicht. Investoren, darunter Peter Thiels Founders Fund, Koshla Ventures, Salesforce-CEO Marc Benioff oder Yahoo-Mitgründer Jerry Yang, bewerten Tetricks Firma mittlerweile mit 1,1 Milliarden US-Dollar und machten es mit Investitionen von insgesamt 220 Millionen Dollar zum Unicorn. Doch im Laufe des Jahres kam es zu Unstimmigkeiten in der Firma, der gesamte Vorstand trat diesen Sommer zurück.

Außerdem ist Hampton Creek mit angekündigten Produkten wie etwa „Just Scramble“ (ein Eiersatz) seit drei Jahren in Verzug. Ob Tetrick sein Ziel, 2018 „Clean Meat“ verkaufen zu können, einhält, bleibt abzuwarten. Was Ex-Mitarbeiter außerdem über die Firma sagen: Sie soll sehr gut darin sein, sich medial darzustellen, doch was in den Laboren tatsächlich passiert, dürfte weit weniger disruptiv sein. Klar ist also eines: Tetrick ist ein guter Verkäufer. Ob er nächstes Jahr wirklich etwas zu verkaufen hat, muss er noch zeigen.

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