Cleanvest hilft Österreichern, Geld nur in saubere Firmen zu investieren
Cleanvest ist eine Onlineplattform für nachhaltiges Investieren. Hier kannst du checken, ob deine Pensionsvorsorge, deine Versicherung und dein Anlagevermögen die Welt verbessern. Geld hat Wirkung. Bevor wir es ausgeben, fällen wir viele Entscheidungen. Wir stützen damit zum Beispiel die biologische Bewirtschaftungen oder den fairen Preis für die Arbeit des Bauern. Aber was ist mit dem Geld, das für uns arbeitet? Wie legt die Bank an, was wir auf unserem Sparbuch haben? Kann ich mir sicher sein, dass diese Fonds nicht die Waffenlobby stützen oder ein neues Braunkohlekraftwerk?
„Nachhaltigkeit“ in Bankensprache
Wenn wir ein T-Shirt aus fairer Produktion kaufen, investieren wir vielleicht trotzdem – nämlich durch unser Erspartes – Kinderarbeit in Bangladesch. ESG steht für environmental, social and governance. Es heißt soviel wie „Nachhaltigkeit“ in der Bankensprache. Nachdem keine genauen Kriterien dahinterstecken, ist schnell einmal was „nachhaltig“ oder eben ESG-screened. Armand Colard geht das zu wenig weit. Deswegen hat er ESG Plus gegründet.
Das sechsköpfige Team untersucht Fonds auf ihre Nachhaltigkeit. Und ab sofort kann das jetzt jeder. Die Plattform Cleanvest sortiert rund 3.200 Fonds österreichischer Kapitalmarktgesellschaften nach Kriterien wie beispielsweise „atomfrei“ oder „ohne Kinderarbeit“. 1.500 Nutzer hat die Plattform bereits nach den ersten Monaten, bis Ende des nächsten Jahres sollen es 10.000 werden.
Geld und Ethik: Stützt mein Sparbuch Kinderarbeit in Bangladesch?
Es gibt acht Kriterien, zwei davon sind positiv und betreffen soziales Investment in Gesundheit, Bildung und grüne Energie. Die sechs Negativkriterien stellen fest: Ist der Fond in fossiler Energie, Waffen, Kinderarbeit eingebunden oder befördert er Artenschutzvergehen? Die eigene Datenbank ist schon ziemlich groß. Es steckt viel Recherche dahinter. Einerseits sammelt ESG Plus Bewertungen von renommierten Partnern wie Morningstar, RepRisk, SIPRI und Carbon Underground 200, andererseits leisten sie selbst investigative Arbeit. „Fonds veröffentlichen ja nur zwei Mal im Jahr ihre Holdings – Öl, Gas, Kohle, Atomzahlen kann man aus Geschäftsberichten herausfiltern“, erläutert Gründer Armand Colard.
Algorithmen im Dienste der Nachhaltigkeit
Die Algorithmen sollen helfen, Werte und Geld in Einklang zu bringen. Armand Colard hat sich zum Ziel gesetzt, dass wir alle über diese Zusammenhänge nachdenken. Seine GmbH ESG Plus versorgt den Banken- und Versicherungssektor mit Nachhaltigkeitsdaten und -analysen. Zwischen 4000 und 5000 Fondsprodukte gibt es derzeit am österreichischen Markt. „Mit der Plattform möchten wir KleinanlegerInnen einfach verständliche Bewertungen kostenlos zugänglich machen”, erklärt Colard. Später sollen auch Fonds ausländischer Anbietergesellschaften folgen.
WWF Spin-Off
Die Idee ist übrigens ein Ableger des WWF und Armand Colard eigentlich Biologe. „Ich bin als Zivildiener beim WWF gelandet und hab mich damals schon für die Bankenwelt interessiert, konkret für Wertpapiere“, erzählt er. Die Dot-Com-Krise, diese Massenhysterie und dann das komplette Down – das fand er nicht normal, aber es hat ihn gereizt. Beim WWF hatte er die Chance, Konzepte umzusetzen „Es ging immer um die Schnittmenge nachhaltiger Finanzmarkt. Ich habe versuchen, diese zwei Welten – Ökologie und Ökonomie – zusammenzubringen. Idealisten und Materialisten passen zusammen, nur es wird halt noch nicht so gehandhabt wie es sein soll“, findet Colard.
In seinen zehn Jahren beim WWF hat er zuerst den hauseigenen Fond des WWF aufgebaut. „Wir wollten einen strengen Öko-Fonds auf den Markt bringen. Mit dem Erste WWF Stock Environment kann man in Unternehmen investieren, deren Produkte einen positiven Effekt auf die Umwelt haben: Erneuerbare Energie, Energieeffizienz, Recycling, Fahrradhersteller, Wasserversorgung, you name it.
Für diesen nachhaltigen Fonds gelten jedenfalls strenge Ausschlusskriterien, u.a. die Kern- und Gentechnologie, die Rüstungsindustrie, fossile Energieträger sowie Unternehmen, die Kinderarbeit dulden und Menschen diskriminieren. „2006 gab es noch nicht viele Nischenprodukte. Ich dachte mir, wenn wir einen Fond so streng ausrichten, ändern wir nichts. Um was zu bewegen, muss man zum Konsumenten gehen“, erinnert sich Colard. Deswegen beschlossen sie 2010, ihren strengen Kodex auf ein ganzes investmentverhalten anzuwenden und fanden für das Projekt die Allianz Versicherung als Partner. Die Versicherung testete das Bewertungsmodell in der Praxis. „Die haben über eine halbe Milliarde umgeschichtet, erneuerbare Energie verdoppelt und sind aus der Kohle ausgestiegen“, sagt Colard, sichtlich beeindruckt.
In was kann ich investieren mit guten Gewissen?
Bisher waren Investmenthäuser die Nutzer. Sie wollen auf der Datengrundlage ihre Investitionen nachhaltiger gestalten. Der erste Kunde war etwa die Allianz Vorsorgekasse, die das Tool gemeinsam mit ESG Plus weiterentwickelt hat und es es jetzt bei jeder Investment-Fonds-Entscheidung nutzt, wie Vorstand Andreas Csurda auf einer Presseveranstaltung zum Launch erzählte.
„Auf uns sind aber im privaten Umfeld immer öfter Leute zugekommen und haben gefragt: Kann man sich denn sicher sein, dass die Fonds wirklich nachhaltig sind?“ Colard wollten die Daten öffentlich zugänglich machen, aber fand es gleichzeitig notwendig, dass sie einfach verständlich sind. Das Team hat eine Costumer Journey aufgebaut und an der User Experience geschraubt.
Gibt es Vermögensberater, die sich auf das spezialisiert haben? – „Ja, das Thema kommt schon langsam durch, aber auch die Berater können nicht aus diesen Datenmengen tiefgreifend schöpfen“, sagt Colard.
Transparenz, aber kein blame game
Der Finanzmarkt ist unverständlich und intransparent. Privatperson und Finanzmarkt sind entkoppelt. Cleanvest will sie zusammenführen, Bewusstseinsbildung leisten und Informationen bereitstellen. Über die Konsumenten hat man eine Hebelwirkung und kann sanft Druck aufbauen. ESG Plus will außerdem durch ihre strengen Konzepte am Markt aufzeigen, dass es überhaupt Investments gibt, die nicht genug machen, aber sich ein grünes Mäntelchen umhängen. „Es gibt Fonds, die als nachhaltig gelistet sind, aber in unseren Bewertungen eher mäßig abschneiden“, weiß Colard.
Positiv sei zumindest, dass zwischen 2017 und 2018 viele konventionelle Fonds aus der Kohlefinanzierung ausgestiegen sind, meint Colard. Die CO2-Emissionspotenziale sind damit zurückgegangen – allerdings wurde viel Geld in Öl umgeschichtet. Ein Ausstieg aus der fossilen Energie ist das noch lange nicht. Nur neun große Fonds hatten keinerlei Investments in Kohle, Öl und Gas. Fest steht, wie es Colard zusammenfasst: „Es gibt good guys und bad guys, aber wir machen kein blame game!“