Interview

Cleen Energy: Markt für Solarenergie wird sich verzehnfachen

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Nach einigen durchwachsenen Jahren hat sich die Aktie der österreichischen Solarenergie-Firma Cleen Energy fast dorthin zurückgearbeitet, wo sie schon einmal war. Grund für die gute Stimmung: Im Krisenjahr 2020 konnte das seit 2017 börsennotierte aus Niederösterreich beim Umsatz stark zulegen. Photovoltaik-Anlagen sind bei Unternehmen so gefragt wie nie, und nun soll eine Kapitalerhöhung einen zusätzlichen Finanz-Boost für den Ausbau bringen.

Im großen Interview mit Trending Topics spricht CEO und Vorstand Lukas Scherzenlehner über das steigende Klimabewusstsein von Firmen, über den Einstieg in den Wasserstoff-Markt und über exponentielle Wachstumsaussichten.

Trending Topics: Cleen Energy hat 2020 trotz Corona-Krise ein Umsatzplus von satten 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr geschafft. Wie war das möglich?

Lukas Scherzenlehner: Ein wesentlicher Grund für dieses Wachstum ist unser erfolgreiches Energie-Contracting-Modell. Da wir in diesem Modell die Investitionskosten einer Anlage für unsere Kunden vollständig übernehmen, war die Nachfrage in diesen unsicheren Zeiten enorm hoch. Außerdem freut es uns sehr, dass auch unabhängig von der Corona-Pandemie das Klimabewusstsein bei vielen Unternehmen mittlerweile deutlich gestiegen ist. Das ist auch genau unser Ziel: Wir wollen Facilitator der Energiewende sein.

Welchen Effekt hatte die 1.000.000-Dächer-Initiative auf die Entwicklung?

Das ist natürlich grundsätzlich sehr positiv. Dennoch wird die benötigte PV-Leistung allein auf Dachflächen nicht erreicht werden können. Großes Potenzial besteht auch auf bereits versiegelten und genutzten Flächen wie Parkplätzen, Lärmschutzwänden und allgemeiner Versorgungsinfrastruktur. Um zügig mit der Energiewende voranzukommen, müssen wir auch an diesen Stellschrauben zu drehen. Insbesondere die PV-Carports erfreuen sich gerade einer sehr hohen Beliebtheit, hier setzten wir zum Beispiel im Burgenland gerade eine ca. 150 kWp Photovoltaik Parkplatzüberdachung um.

11 Terrawattstunden Strom müssen Photovoltaik-Anlagen in Österreich 2030 produzieren, um die Energiewende zu schaffen. Wo stehen wir jetzt, und schaffen wir das? Zudem: Über 6.000 PV-Projekte scharren in den Startlöchern, aber warten auf den Startschuss durch das EAG. Verschleppen wir da den Photovoltaik-Stromausbau unnötig?

Energiegewinnung durch Photovoltaik ist der Schlüssel für die Erreichung der Klima- und Energieziele im Strombereich. Allerdings sind wir von den gesteckten Zielen noch deutlich entfernt, nach offiziellen Daten des BMK betrug die gesamte PV-Leistung in Österreich nur rund 1,7 TWh. Wir sprechen hier von quasi einer Verzehnfachung des Marktes in den nächsten Jahren. Eine rasche Verabschiedung des EAG ist hier wichtig, um Rechtssicherheit in der Branche zu haben. So werden aktuell etwa keine neuen Investitionsförderungen mehr durch die OeMAG genehmigt.

Diese Umstände führen dazu, dass mit einigen Projekten aktuell noch zugewartet wird. Wir selbst sind davon zwar nur eingeschränkt betroffen, da wir ein hohes – bereits genehmigtes – Projektvolumen umsetzen – insgesamt sollte Österreich aber hier nicht weiter Zeit verlieren. Man sieht aber deutlich, dass wir in einem enormen Wachstumsmarkt unterwegs sind.

Das Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) zieht sich immer noch hin. Sind Sie mit Gesetzesvorschlag, das den Ministerrat passiert ist und nun eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament sucht, zufrieden?

Wir sehen im EAG das bisher ambitionierteste Energiegesetz, mit dem Potential ein Meilenstein in Österreichs Energiegeschichte zu werden. Speziell freuen wir uns darüber, dass die wesentlichen Punkte wie Erzeugergemeinschaften, Marktprämien sowie die dringend benötigte Netzreserve in Anbetracht der Volatilität bei erneuerbaren Energieträgern berücksichtigt wurden. Wesentlich ist aus unserer Sicht nun, dass das EAG nun rasch verabschiedet wird, und so Rechtssicherheit geschaffen wird. So wurde etwa im Umweltförderungsgesetz im September 2020 so genannteKlima-Haftungen durch die AWS bei Energie-Contracting-Verträge beschlossen, auf die zur Umsetzung erforderlichen Förderungsrichtlinien warten wir allerdings bis heute.

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Industrie, Landwirtschaft, Gewerbe, Gemeinden – wo liegt der größte Wachstumsmarkt?

Zu unseren über 1.900 Kunden zählen u.a. Industriebetriebe und Dienstleistungsunternehmen, kleine und mittelständische Gewerbeunternehmen, landwirtschaftliche Betriebe sowie Gemeinden. Wir sehen in all diesen Segmenten sehr großes Wachstumspotenzial. Das stärkste Wachstum konnten wir 2020 jedoch in den Segmenten produzierende KMUs (Industrie) und Landwirte verzeichnen.

Kommen wir zur Technologie: Bei PV-Anlagen ist ein Problem, dass sie sich zu einem Müllproblem entwickeln können – sie werden auch schon mal als tickende Zeitbombe beschrieben. Wie kann man diesem Problem von vornherein Herr werden?

Antwort: Ich glaube, dass es sich hier ähnlich verhält wie mit dem alteingesessenen Irrglauben, dass Photovoltaik sich nicht rechnet – was definitiv widerlegt ist. Ebenso darf man nicht vergessen, dass die Haltbarkeit von Photovoltaikmodulen stark gestiegen ist. Die von uns verwendeten Module haben eine 25-Jahres-Leistungsgarantie von 85% der Nennleistung. Die Module können also noch wesentlich länger verwendet werden.

Nichtsdestotrotz ist das Recycling einer Anlage und speziell der Module sehr wichtig. Mittlerweile gibt es auch sehr viele auf das Recycling von Photovoltaikmodulen spezialisierte Unternehmen, die bis zu 95% derer wiederverwerten können. Sobald die Module ausgedient haben, können praktisch alle Elemente kostengünstig und effizient zurückgewonnen werden. Nicht nur das Metall, sondern auch das Glas kann wiederverwendet werden, zum Beispiel in PV-Modulen als Flachglas oder in Dämmstoffen.

Solaranlagen halten 20 bis 30 Jahre. Dann drohen sie Elektroschrott zu werden.

Am Solar-Markt wird auch als Problem gesehen, dass man sich zunehmend chinesischen Herstellern ausliefert, weil die mittlerweile den Weltmarkt dominieren. Sehen Sie das als Problem? Muss Europa diesbezüglich unabhängiger werden? Woher bezieht Ihre Firma die PV-Anlagen?

Wir sind das beste Beispiel dafür, dass wir als Full-Service-Energiedienstleister uns mit unseren energieeffizienten Gesamtlösungen erfolgreich im Wettbewerb etablieren können – und wir setzen, wie bei all unseren Lösungen ausschließlich auf Qualitätshersteller. Die Photovoltaik-Komponenten, wie Module und Solarpaneele, beziehen wir bei österreichischen und deutschen Großhändlern bzw. Produzenten wie Axitec oder Krannich. Klar ist aber auch, dass sowohl bei österreichischen als auch deutschen Produkten der Großteil der Materialien und Komponenten aus dem asiatischen Raum kommt.

Cleen Energy steigt auch in den Markt für Wasserstoff ein. Welche Synergien gibt es da zum Solar-Markt? Wo sehen Sie die Zukunft von Wasserstoff? Der Auto-Markt hat sich ja ziemlich eindeutig für die Elektrobatterie entschieden.

Wir verstehen unsere Rolle als Facilitator für die Energiewende. Dazu gehören einige Technologien und es werden noch neue Entwicklungen dazukommen. Wir wollen unseren Kunden immer die beste Gesamtlösung bieten. Demnach wird auch die Wasserstofftechnologie mit ihrer hohen Energiedichte zunehmend relevant. Hierzu werden wir in der nahen Zukunft mehr verraten.

Unser Fokus im Bereich Wasserstoff ist vorerst der Energiespeicher auf Wasserstoffbasis. Dieser bietet im Vergleich zu den aktuellen Lithium Ionen Lösungen ein wesentlich besseres Preis Leistungsverhältnis in Punkto € pro kWh und klare Vorteile im Bereich der Langzeitspeicherung. Den „einzigen“ Nachteil, den Wasserstoffspeicher aktuell haben, ist der niedrigere Leistungsoutput im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen. Daher ist dieser durch sein hohes Speichervolumen eher für lange und kontinuierliche Versorgung mit Energie geeignet, zum Beispiel 100% Abdeckung der Nachtbeleuchtung, Heizung in einem Betrieb oder Laden der Elektroflotte über Nacht. Der Wasserstoffspeicher erlaubt uns die Entkoppelung von Produktion und Verbrauch und eröffnet viele neue Ansätze für unsere Rundum-Energiekonzepte.

© Cleen Energy
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Aber beim Auto stehen nun alle Zeichen auf Batterie-elektrische Antriebe.

Zu Wasserstoff in Mobilitätslösungen: Noch vor wenigen Jahren schien der Wettbewerb zwischen Wasserstoff- und Batterie-Elektrofahrzeugen ausgeglichen zu sein. Beide Technologien erheben auch weiterhin den Anspruch die endgültige Lösung zu sein, Elektroautos sind aber aktuell klar populärer aufgrund der bestehenden Stromnetze. Wasserstofftanks oder Wasserstofftankstellen benötigten hochkomplexe Speicher und Sicherheitsvorkehrungen aufgrund der Temperatur und hohen Drucks. Gerade im Schwerverkehr kann Wasserstoff-Antrieb jedoch erhebliche Vorteile haben, weil hier Elektro-Batterien in der Erzeugung schlichtweg sehr teuer sind.

Wir glauben, dass sowohl Elektrizität und Wasserstoff ihre Vor- und Nachteile haben. Für jeden Anwendungszweck gibt es optimale Lösungen, daher bleiben wir stets offen und werden alle marktfähigen Technologien in unser Portfolio aufnehmen.

Mit Michael Altrichter ist auch ein Startup-Investor an Bord. Sehen Sie die Startup-Welt als wichtig, um im Energiebereich schneller voranzukommen?

Michael Altrichter ist – wie auch unsere anderen Investoren – vor allem überzeugt von unserem Geschäftsmodell und dem interessanten Wachstumsmarkt. Wir haben als Unternehmen dabei den Vorteil, die Dynamik und Agilität eines Startups einzubringen und gleichzeitig aber schon etablierte Strukturen aufzuweisen, wie etwa die erfolgreiche Börsennotierung. Wir sehen es definitiv als großen Vorteil, wesentlich agiler und innovativer agieren zu können als viele unsere Konkurrenten. Das hat es uns auch ermöglicht, innerhalb von nur 2 Jahren zu einem der Top 10 Player im Photovoltaik-Segment in Österreich aufzusteigen.

Die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien bringt generell große Veränderungen in der Struktur der Energiewirtschaft mit sich, die Energieversorgung wird jedenfalls nachhaltiger und dezentraler. Hier wird es sicher in Zukunft sicher noch weitere innovative neue Geschäftsmodelle geben – es ist eben ein hochspannender Markt, mit exponentiellen Wachstumsaussichten.

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Disclaimer: Michael Altrichter ist auch Shareholder der Trending Topics GmbH.

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