Climate is the New Cyber: Warum Gründer:innen voll auf Klima-Tech setzen
Es gibt ein neues Schlagwort in der Tech-Welt: “Climate is the new Cyber”. Genau. Auch in Israel, dem nach dem Silicon Valley zweitwichtigsten Tech- und Start-up-Hub der Welt, dreht sich derzeit alles um Carbon Capture, Wasserstoff, Energiespeicherung, Solar- und Windenergie und nachhaltige Mobilität. Waren es vor einigen Jahren noch Cybersecurity und Fintech, die die großen Tech-Giganten und VCs dieser Welt in das kleine Land im Nahen Osten pilgern ließen, dreht sich heute vieles um – ClimateTech.
Israel, das sich seit mehr als einem Jahrzehnt “Startup-Nation” nennt, hat sich ein neues Ziel gesetzt: Die Regierung hat das Jahr 2021 zur “Climate Innovation Nation” ausgerufen und seitdem mehr als 870 Millionen Dollar in den boomenden Sektor gepumpt. ClimateTech ist dabei ein weit gefasster Begriff: Er umfasst alle Start-ups, die helfen, CO2 einzusparen, aber auch alle anderen, die mit Datendiensten, neuen Methoden in der Landwirtschaft oder neuen Mobilitätskonzepten zu den Net-Zero-Zielen des Staates beitragen können. Die israelische Innovationsbehörde hat ClimateTech neben KI, Quantencomputern und BioConvergence zu einem von vier strategischen Zielen erklärt. ClimateTech erhält das größte Budget.
Ohne Technologie wird es nicht gehen
Neben der staatlichen Förderung sind in Israel auch VCs sehr aktiv in der Finanzierung von ClimateTech geworden. Im Jahr 2021 flossen 2 Milliarden Dollar in diesen Sektor, im Jahr 2022 deutlich mehr als 1 Milliarde. “For the world to get to zero emissions by 2050, changing our behavior will do less than half the job. The other half will come from technologies that have yet to be developed. That’s where Israel has to lead”, sagte 2021 der damalige israelische Premierminister Naftali Bennett auf der Klimakonferenz COP26 in Glasgow. Und nun soll Israel das tun, was es schon seit Jahren tut: Technologie im kleinen Land aufbauen, Milliarden einsammeln, exportieren, Multi-Milliarden-Exits machen. Nur diesmal nicht mit Sicherheitssoftware oder autonomen Fahrzeugen, sondern mit Klimatechnologien.
Und noch einen Unterschied gibt es: Der Begriff Unicorn (Bezeichnung für ein Startup mit Milliardenbewertung) war gestern, heute werden Gigacorns gejagt. Das sind Unternehmen, die mit ihren Technologien mindestens eine Gigatonne CO2 (= 1 Milliarde Tonnen CO2) der Atmosphäre entziehen können. Das ist eine wichtige Wende im Geschäftsverständnis. Nicht Geld bestimmt das Handeln, sondern Klimaziele. “Israelische Unternehmer:innen haben genug von CyberSecurity und Fintech, sie wollen was Nachhaltiges tun”, meint Eshel Lipman von Ignite The Spark – einer Community in Tel Aviv, die EnergyTech promotet.
Startup-Nation Israel: Österreich sucht EnergyTech, AI und CyberSecurity
Impact > Geld
“Climate is the new Cyber”, sagt auch Gil Barnea vom NetZero Lab, einem von rund 140 Start-up-Inkubatoren oder Acceleratoren in Israel – und einem von rund 20, die sich auf ClimateTech spezialisiert haben. Der Name ist Programm: Mit jeweils rund zwei Millionen Dollar werden Pre-Seed-Startups finanziert, die es schaffen, CO2 einzusparen. “Vor ein paar Jahren war das Energiethema nur bei den großen Energieunternehmen, aber heute wollen junge Unternehmer:innen nicht mehr nur Cybersecurity oder Fintech machen, sondern sich gegen die Klimakrise engagieren”, sagt Barnea. Der französische Energieriese TotalEnergies oder die österreichische BlueMinds Group um die Unternehmerin Eveline Steinberger haben bereits angedockt. Sie wollen sehen, wie es Start-ups wie WatAirGy gelingt, Zaubereien wie Strom aus Luft und Wasser auf die Erde zu bringen.
Israel, das sich selbst Startup-Nation nennt, ist ein Gigant in der Tech-Welt. Rund 70 Unicorns gibt es im Land, trotz Krise viele investierte Milliarden und Milliarden-Exits am laufenden Band (Trending Topics berichtete). Jetzt geht der Trend in eine klare Richtung: EnergyTech, FoodTech, AgTech – alles, was dem Klima hilft, wird derzeit am liebsten finanziert. Mehr als 200 Start-ups werden in Israel zur ClimateTech-Szene gezählt. Landwirtschaft, Ernährung (alternative Proteine), Wasser, erneuerbare Energien dominieren die Themenlandschaft vor Industrie, Bau und Mobilität.
Die nächsten Gigacorns?
Mit diesem Ökosystem ist es Israel bereits gelungen, eine gute Basis für neue Gigacorns zu legen. Auch österreichische und deutsche Konzerne sind bereits im Land und kooperieren mit Start-ups – REWE etwa mit AgTech Vertical Farming (mehr dazu hier), Wien Energie mit Zooz für Schnellladestationen oder Voith Hydro mit Augwind. Und natürlich sind auch die ganz Großen schon vor Ort. So haben die Google-Gründer in Helios investiert – ein Start-up, das die Metallproduktion grüner machen will.
Auch auf ein ClimateTech-Unicorn ist Israel bereits stolz: Es heißt SolarEdge, hat sich nach der Gründung 2006 auf Photovoltaikmodule, Wechselrichter und Batteriespeicher spezialisiert und ist 2015 an die Technologiebörse Nasdaq gegangen. Heute ist es stolze 18 Milliarden Dollar wert. Nun stellen sich die Gründer:innen an, um ebenfalls in solche Höhen vorzustoßen. Derzeit machen in Israel folgende Start-ups von sich reden:
- Helios: Eigentlich will Gründer Jonathan Geifman Sauerstoff am Mond produzieren, damit sein Startup künftig Raumschiffe mit dem O2 für den Antrieb versorgen kann. Bei der Entwicklung des Prozesses stellte sich aber heraus, dass man damit auf der Erde Eisen ohne CO2-Ausstoß produzieren kann – und nun will Helios die Stahlproduktion weltweit grüner machen und ist jetzt mit Stahlriesen von Japan bis USA im Gespräch.
- SoliDrip: Gründer Gad Marton baut an einem autonomen Bewässerungssystem für Urban Gardeining. Das System liefert immer die optimale Wassermenge für jede Pflanze und passt sich automatisch an jede Umweltveränderung an.
- Alteco: Das Startup hat eine Datenplattform für Unternehmen, mit der sie ihren Energieverbrauch überwachen können. AI soll dabei Anomalien im Verbrauch erkennen, um Kosten zu sparen.
- HydroX: Das Startup will die Speicherung von Wasserstoff effizienter, kostengünstiger und ungefährlicher machen – und speichert das H2 in einer Wasser-basierten, etwas schmierigen Flüssigkeit. Zum Einsatz kommen dabei u.a. Bikarbonate.
- Augwind: Bereits 2007 gegründet, ist Augwind eine Firma, die ein Druckluftsystem für die längerfristige Speicherung von Energie entwickelt hat. Mittlerweile gibt es eine groß angelegte Kooperation mit dem deutschen Maschinenbauer Voith.
- RepAir: Das Startup ist im Bereich Carbon Capture tätig und hat eine Membran-Technologie entwickelt, um CO2 direkt aus der Luft zu filtern. Im Vergleich zu heutigen Marktführer Climeworks aus der Schweiz soll der Prozess weniger Energie benötigen und damit deutlich günstiger sein.
- SolTrex: Solar wird einmal die wichtigste Energiequelle der Menschheit sein. Aber wer putzt eigentlich die riesigen Flächen der Photovoltaikanlagen, vor allem dort, wo es (z.B. in der Wüste) viel Partikel in der Luft gibt? Etwa die Putzroboter von SolTrex, das Startup rund um Gründer und CEO Ben Grotsky.
- Brennmiller Energy: Seit 2012 hat das Unternehmen eine patentierte Technologie zur Speicherung thermischer Energie entwickelt, die auf der Speicherung von Wärme mit zerkleinertem Vulkangestein basiert. Das Unternehmen wird an der Börse von Tel Aviv gehandelt und hat bereits über 80 Mio. USD aufgenommen.
Was kommt nach ClimateTech?
Die Beispiele zeigen: ClimateTech hat ein sehr breites Spektrum. Angesichts der immer bedrohlicher werdenden Klimakatastrophe wächst der Druck auf Unternehmen, auf erneuerbare Energien umzusteigen, effizienter und nachhaltiger zu werden – ein riesiges Betätigungsfeld für Start-ups. Sie sehen einen schnell wachsenden Markt und mehr als willige Investor:innen, die sehr viel Geld in den Sektor investieren wollen.
Und noch etwas haben sie gemeinsam, typisch israelisch: Sie sind ziemlich optimistisch, dass sie die Klimakrise nicht nur, aber auch mit den neuen Technologien bewältigen können.
Doch was kommt nach ClimateTech? Danny Bren, Mitgründer und CEO des Cybersecurity-Startups Otorio und außerdem ehemaliger Chief Cyber Defense Commander der israelischen Armee, hat darauf eine klare Antwort: “Ja, die jungen Gründer:innen gehen dorthin, wo das Geld der VCs hingeht, und das geht derzeit eben in ClimateTech. Das heißt aber nicht, dass Cybersecurity weniger wichtig wird. Wenn die Klimakrise gelöst ist, werden sich alle wieder mit Cyber beschäftigen.”
Disclaimer: Trending Topics nimmt auf Einladung der WKO und des Staatssekretariats für Digitalisierung und Telekommunikation an der Reise teil.