Kern unterstützt Solarenergie-Startup: „Das muss eine Massenbewegung werden“
Nachdem sich Christian Kern 2018 aus der Politik zurückgezogen hat, ist der ehemalige Bundeskanzler zurück im Unternehmertum. Als Geschäftsführer der Blue Mind Solutions engagiert er sich jetzt bei Startups in Österreich und Israel – und zwar mit dem Fokus auf die Themen Energie und Mobilität. Eine der Jungfirmen ist Collective Energy, an der die Blue Minds mittlerweile zwei Drittel der Anteile hält. Das Startup ist angetreten, um über Crowdfunding-Kampagnen Geld für KMU zu sammeln, damit diese Photovoltaikanlagen in ihren Betrieben installieren können.
„Das muss eine Massenbewegung werden. Es wird nur gemeinsam mit kleinen und großen Projekten gehen“, sagt Christoph Zinganell, Geschäftsführer von Collective Energy, im Gespräch mit Trending Topics. Die Wiener Jungfirma führte bereits mehrere Crowdfunding-Kampagnen gemeinsam mit österreichischen Betrieben – etwa Weinbauern, Biobauern oder Rinderzüchtern – durch, die eine Solaranlage installieren wollen. Die finanziellen Unterstützer bekommen für ihr investiertes Geld Gutscheine, die sie in Folge für vergünstigte Produkte bei den unterstützten Firmen einlösen können.
„Wirtschaft und Ökologie vereinbaren“
Der neueste Partner von Collective Energy ist das Kärntner Unternehmen WIR Energie, das in Österreich rund 70 Photovoltaik-Kraftwerke betreibt. Für die Finanzierung weiterer Anlagen wird Collective Energy nun eigene Crowdfunding-Plattform einrichten. Zinganell von Collective Energy hofft nun, so „noch mehr Projekte noch effizienter“ über die Bühne bringen zu können.
„Man kann Wirtschaft und Ökologie vereinbaren, und dabei ist der Umstieg auf erneuerbare Energien sehr wichtig“, sagt Christian Kern zu Trending Topics. Seine Firma hätte sich bei Collective Energy auch wegen „der Leidenschaft, mit der das betrieben wird“, engagiert. „Das ist tiefe Überzeugung, nicht, weil wir Milliarden scheffeln wollen.“ Das Team würde „am Rande der Selbstausbeutung mit Leidenschaft am Thema der Energiewende arbeiten. Das hat mich persönlich sehr beeindruckt.“
„Demokratisierung der Energiewende“
Das Konzept von Collective Energy sieht vor, dass Betriebe in Österreich schnell und einfach das Kapital aufstellen können, um Photovoltaik-Anlagen zu erreichten. „Wir wissen, dass die Politik unglaublich langsam agiert, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit durchzusetzen. Collective Energy demokratisiert diese Energiewende, weil man die Möglichkeit hat, auch wenn man kein Haus, kein Dach, keinen Betrieb hat, als Investor von solchen (Photovoltaik-)Projekten aufzutreten“, so der Ex-Politiker.
Derzeit spielt Solarenergie im Mix der erneuerbaren Energien neben Wasser und Wind in Österreich nur eine untergeordnete Rolle. „Wir sind ein typisches Wasserkraft-Land“, sagt Kern, der jahrelang bei Verbund tätig war. „Solarenergie, Windenergie, Kleinwasserkraft sind vielfach von den großen Unternehmen belächelt worden. Und das hat dazu geführt, das ein Vakuum entstanden ist.“ Dabei sei Photovoltaik wirtschaftlich sinnvoll. Heute könne man, wenn man selbst Strom via Photovoltaik produziere, die Energie wesentlich billiger bekommen, als wenn man sie bei einem großen Stromversorger kauft. „Das Potenzial im KMU-Bereich ist sehr groß. Entscheidend ist, die Mittel zur Verfügung zu stellen, dass das auch passiert“, so Kern.
An der Blue Minds Holding – die Muttergesellschaft der Blue Minds Solutions GmbH – ist auch die ZMH GmbH von Hans-Peter Haselsteiner beteiligt (dort ist wiederum der ehemalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer an Bord), sowie die peak pride management GmbH, an der ebenfalls Gusenbauer und Haselsteiner beteiligt sind. Blue Minds Solutions ist dabei neben Collecitve Energy auch an weXelerate, bgood oder has.to.be beteiligt – letztere Firma bekam kürzlich ein dickes Investment von Volkswagen (Trending Topics berichtete).
„Es ist eine tolle Phase in meinem Leben gewesen“
Zu seiner Entscheidung, Geschäftsführer der Blue Minds zu werden und nicht etwa zu einem großen Konzern zu gehen, sagt Kern: „Ich war 20 Jahre in großen Konzernen“, er hätte dort alles erlebt, was zu erleben gebe. In die Politik wolle er nicht zurück. „Es ist eine tolle Phase in meinem Leben gewesen, eine echte Horizonterweiterung in vielerlei Hinsicht. Aber ich möchte dort nicht mehr hin“, so Kern.
Anderen Managern würde er durchaus empfehlen, es einmal in der Politik zu versuchen, „weil es eine Lektion in Demut“ sei. „In der Politik ist man eine Projektionsfläche, sowohl für die positiven als auch für die negativen Dinge. Das ist eine Erfahrung, die Manager selten machen.“ In der Politik sei man anders als im Management täglich mit Kritik und öffentlicher Debatte konfrontiert, in einem Unternehmen nicht.
Zum Startup-Paket, das 2016 unter Kern gestartet wurde, ist mittlerweile wieder größtenteils abgeschafft. Die zwei zentralen Maßnahmen (Risikokapitalprämie und Lohnnebenkostenförderung, Trending Topics berichtete) wurden unter der ÖVP-FPÖ-Regierung wieder gestrichen – auch, weil sie vom Markt nicht im erwarteten Ausmaß angenommen wurden. „Es war eine erste, aber keine ausreichende Initiative“, sagt Kern heute. „es war mir nicht vergönnt, in der Kürze der Zeit, das weiter zu treiben, aber das hätte ich gerne gemacht.“ Israel sei ein gutes Vorbild. Dort würde man sich bestimmte Sektoren – etwa Cyber-Security oder Biotech – aussuchen und mit viel Geld hineingehen.