Klimakonferenz

COP27: Carbon Capture wird zum Feigenblatt der Fossilindustrie

Direct Air Capture-Anlage von Climeworks. © Climeworks
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Es ist ein Zukunftsmarkt, auf den immer mehr Startups und Scale-ups setzen: Carbon Capture & Storage (CCS). Dabei geht es darum, mit neuen Technologien CO2 aus der Luft oder direkt bei Fabriken einzufangen und dann entweder weiter zu verarbeiten oder irgendwo (am besten unter der Erde) zu lagern. Weil Unternehmen, die viel CO2 produzieren, immer stärker unter Zugzwang geraten, werden CCS-Technologien zum Milliardenmarkt.

CCS ist auf der Klima-Konferenz COP27, ein großes Thema, weil es von immer mehr Staaten und Unternehmen als Mittel zur Dekarbonisierung angesehen wird. So wird vor Ort auch verhandelt, welche Art von CO2-Entfernung sich als CO2-Zertifikate handeln lassen soll. Die neue ONCRA-Plattform (Open Natural Carbon Removal Accounting) der niederländischen NGO Climate Cleanup etwa will, dass es Gutschriften für Firmen für die CO2-Entfernung. Mit diesen Gutschriften können Projekte zur regenerativen CO2-Entfernung, wie Bambus- und Seegraslösungen, finanziert werden“, so der Vorschlag. Bei den Vereinten Nationen (UN), Veranstalter der Konferenz, ist man sich aber nicht einig, was genau nun als CO2-Entfernung gelten soll oder nicht.

Milliardengeschäft CCS

CCS jedenfalls wird zum Milliardengeschäft. So besagt es eine neue Studie von Stratview Research, die am heutigen Montag, während der COP2-Klimakonferenz in Ägypten, veröffentlicht wurde. Ihr zufolge soll der Markt für CCS bis 2028 auf 5,04 Milliarden US-Dollar anwachsen. Wachsende Nachfrage soll es Industriesektor einschließlich Lebensmittelverarbeitung und Chemie geben, außerdem überall dort natürlich, wo mit Öl, Gas oder Kohle gearbeitet wird. Dass der Markt aber noch viel größer ist, zeigt eine zweite Studie von Rystad Energy – ihr zufolge soll der CCS-Markt 2025 bereits 50 Milliarden Dollar ausmachen, sich also innerhalb der nächsten drei Jahre vervierfachen.

Die größten Player im CCS-Markt sind aber nicht berühmt gewordene Carbon-Capture-Scale-ups wie Climeworks aus der Schweiz, die mit ihren CO2-Staubsaugern und großen Investment-Runden für Furore sorgten, sondern der Studie zufolge Ölmultis und Energieriesen wie wie Exxon Mobil, General Electric, Halliburton, Aker Solutions, Schlumberger Limited, Linde, Siemens, NRG Energy, Fluor Corporation oder Shell Cansolv.

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Ölstaaten setzen stark auf Carbon Capture

Auch der Klimakonferenz COP27, die sich selbst Greenwashing-Vorwürfe gefallen lassen muss (Trending Topics berichtete), sind Öl-produzierende Nationen wie Kanada, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) oder Saudi-Arabien dabei, CCS prominent in ihren Dekarbonisierungs-Strategien einzubetten. Saudi-Arabien etwa konkretisierte seine Saudi Green Initiative (SGI) – also den Plan, das Land bis 2060 CO2-neutral zu machen.

So soll Saudi Aramco, der größte Ölkonzern der Welt, eines der größten geplanten Zentren für CO2-Abscheidung und -speicherung (CCS) der Welt aufbauen. Ab 2027 sei man in der Lage, 9 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr abscheiden und speichern zu können, bis 2035 sollen es sogar 44 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sein. Auch Abu Dhabi schlägt in die selbe Kerbe: Die Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC) kündigte an, an der „ersten kommerziellen Anlage zur Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung in der Region“ zu arbeiten.

Ähnliches hört man aus Kanada. Dort will Pathway Alliance, also der Zusammenschluss der kanadischen Teersandproduzenten, ebenfalls stark auf CCS setzen, um Klimaneutralität bis 2050 zu schaffen. Bis 2030 sollen massive 16,5 Milliarden Dollar in CCS investiert werden. Dem gegenüber stehen nur 7,6 Milliarden Dollar für Maßnahmen zur CO2-Reduktion. Die USA wollen CCS über ihr riesiges Klimaschutzpaket („Inflation Reduction Act 2022“) zudem massiv subventionieren (mehr dazu hier).

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Ablenkung von den eigentlichen Problemen

Und auch deswegen ist CCS durchaus umstritten. Zum einen, so Rystad Energy, soll die CCS-Industrie es bis 2025 lediglich schaffen, pro Jahr etwa 150 Millionen Tonnen CO2 zu entfernen; das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, denn die Menschheit bläst (abgesehen von Corona-Lockdown-Jahren) etwa 40 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr aus (mehr dazu hier). Es wären also zweihundert Mal mehr an Kapazitäten notwendig, um alleine das neue CO2 einzufangen, vom bereits in der Atmosphäre befindlichen Treibhausgas mal ganz abgesehen.

Zum anderen aber ist CCS in die Kritik gekommen, weil CO2-emittierende Unternehmen darin eine Blankoscheck fürs Weitermachen verstehen könnten. „Die produzierende Industrie sieht in CCS eine Möglichkeit, das gleiche Produktionsmodell beizubehalten, obwohl es besser wäre, den Energieverbrauch zu senken und gleichzeitig industrielle Materialien zu recyceln“, heißt es etwa seitens Léa Mattieu von der NGO Climate Action Network, gegenüber France24.com. „Es ist eine riskante Wette. Die Hersteller sprechen schon seit Jahrzehnten über diese Technologie – und wir haben noch nicht gesehen, dass die Ergebnisse wirklich zum Tragen kommen. CCS ist immer noch zu teuer und könnte als letzter Ausweg nur für die Schwerindustrie in Frage kommen.“

Die Internationale Energiebehörde (IEA) jedenfalls hat festgehalten, dass das 1,5-Grad-Ziel nur unter Einsatz von neuen Carbon-Capture-Technologien gelingen kann. Trotzdem ist CCS Klimaaktivist:innen ein Dorn im Auge, weil es der Fossilindustrie eine Ausflucht bieten und von der Notwendigkeit eines Ausstiegs aus der Öl- und Gasförderung ablenken würde.

Wir wollten das 1,5 Grad-Ziel erreichen. Derzeit sieht es eher nach 2,7 Grad aus.

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