Corona-Apps: Diese Tracking-Anwendungen werden weltweit eingesetzt
Laut war der Aufschrei, als es kurze Zeit hieß, die Corona-App könnte in Österreich verpflichtend werden. Mittlerweile hat Sobotka züruckgerudert und auch die Regierung bestätigt, dass die Anwendung vom Roten Kreuz zur Bekämpfung des Coronavirus bzw. dessen Verbreitung freiwillig zu installieren sein wird. In anderen Staaten gibt es diese Wahlfreiheit in Sachen Corona-Apps nicht. Ein Blick um den (digitalen) Globus.
Corona-Apps: Verpflichtend oder nicht?
Eine kurze Retrospektive der letzten Tage: Die Uniqa Privatstiftung pumpt zwei Millionen Euro in eine „Stopp Corona“ genannte App, die unter dem Schirm des Roten Kreuzes in den Play Store kommt. Nationalratspräsident Sobotka von der ÖVP fordert kurz darauf, die Bevölkerung zur Installation zu zwingen. „Die Rote-Kreuz-App kann sehr helfen. Wenn sie einen gewissen Verpflichtungsgrad hat, könnte sie noch mehr helfen“, so Sobotka gegenüber dem profil. Gut gemeint ist aber bekanntlich nicht zwingend gut gemacht – und auch nicht unbedingt mit der Privatsphäre der Bevölkerung vereinbar. Zwar erklärte Sobotka, die Installationspflicht könnte unter gewissen Auflagen mit der Verfassung vereinbar sein, Zweifel blieben aber bis zuletzt.
Mittlerweile ist das Thema keines mehr, in der Pressekonferenz am Montag war die App lediglich Randthema. Konkrete Pläne gab es keine zu hören. Aber Kanzler Kurz bestätigte, dass die App, „wenn sie kommen wird, wird auf freiwilliger Basis sein“ wird.
Österreich: Die App des Roten Kreuzes
Die Idee hinter der österreichischen Corona-App-Variante ist schnell erklärt: Mit „digitalen Handshakes“ via Bluetooth und Ultraschall soll die App festhalten, welche anderen Menschen ein COVID-19-Erkrankter in den letzten Tagen getroffen hat. Diese können dann informiert werden, dass sie Kontakt zu einer Person hatten, die mit dem Coronavirus infiziert wurde. Klar: Nutzt die App niemand, kann die Idee nicht aufgehen. Eine verpflichtende Installation ist hierzulande aber keine Option. Heute wurde bekannt, dass ab Donnerstag eine neue Version von „Stopp Corona“ zum Download bereit stehen soll. Diese soll dann Kontakte über Bluetooth und WLAN auf Wunsch automatisch erfassen und speichern.
China
Als Ursprungsland des Coronavirus setzte China als einer der ersten Staaten weltweit auf eine Überwachung via App. Schon im Februar hat der Staat eine Anwendung veröffentlicht, „mit der Menschen überprüfen können, ob sie dem Risiko ausgesetzt sind, sich mit dem Coronavirus zu infizieren“, berichteten wir damals. Der „Detektor für engen Kontakt“ teilt Benutzern mit, ob sie sich in der Nähe einer Person befunden haben, die im Verdacht steht oder bei der bestätigt wurde, an dem Virus zu leiden. Darüber hinaus kam später dann die App „Alipay Health Code“, die mit farbigen Flächen – wie bei einer Ampel – zeigt, welchen „Status“ der Nutzer hat. Grün bedeutet Bewegungsfreiheit, gelb sieben Tage Heimquarantäne und Rot eine zweiwöchige Quarantäne. Nutzer müssen zahlreiche Daten eingeben. Kritik gab es nicht nur am Datenschutz, die App dürfte auch nicht perfekt funktionieren.
Südkorea
Anders ist das beispielsweise in Südkorea. Das Land gilt als internationales Vorbild bei den Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus. Neben rund 15.000 Tests pro Tag (Österreich schafft etwa 4.000 pro Tag) liegt das vor allem an der enormen Digitalisierung des Landes. Der Staat greift auf Daten von Zahlungen mit der Kreditkarte und selbstverständlich auf das Smartphone zu, weit über 800.000 Mobilfunkmasten (4G, 5G) zeichnen die Bewegungen der Bürger auf, dazu gesellen sich tausende Überwachungskameras. So ist es der südkoreanischen Regierung möglich, genau nach zu verfolgen, wer wen wo angesteckt haben könnte. Die Daten und Erkenntnisse stehen per App oder auf einer Webseite der Bevölkerung zur Verfügung. Datenschützer sehen die Überwachung natürlich sehr kritisch, der größte Teil der Bevölkerung scheint sich allerdings damit zu solidarisieren.
Italien
Auch in Italien gibt es bereits eine App, allerdings auf grundsätzlich anderer Basis als in Südkorea. Italien setzt auf eine freiwillige Nutzung und die App und erstellt keine Bewegungsprofile. Vielmehr zeigt die App, welche Kontakte der Nutzer hat. Ist also jemand infiziert, wissen die Behörden, mit wem er oder sie Kontakt hatte – das aber nur, wenn diese Person auch die App installiert hat. Datenschützer zeigen sich von dem Modell durchaus angetan, auch, weil Italien laut eigener Aussage nur die „unbedingt notwendigen Daten“ speichern will. Und: Der Nutzer kann sein Profil selbstständig samt aller Daten wieder löschen.
Israel
Das ziemliche Gegenteil von Italien ist in Datenschutz-Hinsicht Israel. Der Staat greift auf so gut wie alle Daten der Bürgerinnen und Bürger zu. Das heißt, es werden per GPS die Bewegungen aufgezeichnet und außerdem greift der inländische Geheimdienst auch auf so gut wie alle Sensoren des Smartphones zu. Gibt es einen neuen Krankheitsfall, weiß der Geheimdienst in der Regel, wo und mit wem und wie lange der oder die Infizierte unterwegs war. Auch Bluetooth- und WLAN-Daten werden abgegriffen. Laut einem israelischen Experten kann der Staat so sogar private Nachrichten auslesen, schreibt die SZ. 1,6 Millionen Nutzer zeigen aber, dass die Bevölkerung die Maßnahmen annimmt – auch wenn Datenschützer entrüstet reagierten. Allerdings könnten noch weitere Schritte folgen, Verteidungsminister Benett soll ein System aufbauen wollen, dass die Bewegungen infizierter auch in Echtzeit überwacht.
Polen
Über die App in Polen haben wir bereits an dieser Stelle berichtet. Zusammengefasst: Polen setzt auf eine App, die Infizierte installieren müssen. Gesunde Menschen haben keinen Zugang, der Account wird bei der Erfassung der Infektion an Telefonnummer und Namen der oder des Infizierten verknüpft. Ein- bis mehrmals täglich bekommen Personen in Quarantäne eine SMS und müssen dann innerhalb von 20 Minuten ein Selfie mit der App übermitteln. Dabei wird der Standort erfasst und eine spezielle Software gleicht das Foto mit der Datenbank ab.
Deutschland
Heute hat das Robert Koch-Institut in Deutschland eine neue App vorgestellt. Die heißt „Corona-Datenspende“ und ist auf freiwilliger Basis zu installieren. Nutzer sollen in der App einige private Daten, beispielsweise die Postleitzahl und Vitaldaten wie Schlafaktivität, Pulsschlag und teils auch Körpertemperatur, eintragen. Das RKI will diese Daten dann aufarbeiten und damit die Verbreitung des Coronavirus erfassen. Mobilfunk- und standortbezogene Daten werden nicht erfasst.
Georgien
In Georgien setzt man auf Knowhow aus Österreich. Dabei handelt es sich aber nicht um die App des Roten Kreuzes, sondern eine Anwendung, an der ein der Startup-Szene entsprungener Verein namens NOVID20 arbeitet. Das Team stellt den Quellcode via Open Source anderen Ländern zur Verfügung. Die Funktionsweise: Via Bluetooth stellt die App fest, welche Smartphones in der Nähe sind. Jedes Smartphone speichert die Identifikationsnummer der anderen Geräte und Datum und Uhrzeit – verschlüsselt, versteht sich. Meldet ein Nutzer eine Erkrankung, erhalten andere Nutzer die anonymisierten Kontaktinformationen und wissen demnach, ob sie auf eine infizierte Person getroffen sind. Georgien verwendet die App als erstes Land.
USA
Die USA haben (noch) keine flächendeckend einsetzbaren Corona-Apps zur Bekämpfung des Virus. Dafür gab Facebook heute bekannt, zu helfen (übersetzt):
Im Rahmen des Data for Good-Programms von Facebook bieten wir Karten zu Bevölkerungsbewegungen an, die von Forschern und gemeinnützigen Organisationen bereits zum Verständnis der Coronavirus-Krise verwendet werden, wobei wir aggregierte Daten zum Schutz der Privatsphäre der Menschen verwenden.
Man habe gehört, dass man so helfen könne. Angekündigt wurden zwei Schritte, die Facebook jetzt geht:
- Es soll drei neue Arten von Karten zur Krankheitsvorbeugung geben, „die bei der Vorhersage von Krankheiten und Schutzmaßnahmen helfen“
- Und: Facebook wird eine Aufforderung schalten, die Menschen in den USA zur Teilnahme an einer freiwilligen Umfrage des Delphi-Forschungszentrums der Carnegie-Mellon-Universität ermutigt. Das soll Gesundheitsforschern helfen, COVID-19-Hotspots früher zu erkennen.
Europaweite App denkbar?
Auch dieses Thema wurde bereits angedacht, es wird aber noch ein wenig dauern, bis eine derartige App tatsächlich bereit ist. Unter dem Namen PEPP-PT (Pan European Privacy-Protecting Proximity Tracing soll aber noch heute eine Software veröffentlicht werden, die als sichere Grundlage für europäische Corona-Apps beziehungsweise eine einheitliche Corona-App dienen soll. Via Bluetooth und Algorithmen, die berechnen, wie nah sich Smartphones (und damit ihre Besitzer) gekommen sind, sollen Infektionsketten nachvollzogen werden können berichteten wir heute bereits. Datenschutzstandards sollen freilich alle eingehalten werden.
+++Corona-Apps werden wie Masken Teil der neuen Normalität+++