Corona-Krise bringt Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens zurück
Einzelunternehmer, Freelancer, Künstler, Selbstständige, Kreative – sie alle stehen in der aktuellen Situation vor der großen Frage: Wie soll ich Anfang nächsten Monats bloß meine Rechnungen bezahlen? Und was passiert die nächsten Monate mit mir und meiner Familie, wenn ich keine Aufträge mehr bekomme, kein Geschäft mehr machen kann?
Die Corona-Krise hat auch zur Folge, dass nun intensiv Debatten über Geld, Steuern, Stundungen, Notfalls-Fonds und Kredite geführt wird. Der drohende Wirtschafts-Crash passiert – anders als die Finanzkrise 2008 – diesmal von unten nach oben. Waren es vor mehr als zehn Jahren die Großbanken, die gerettet werden mussten, so ist es diesmal ein Heer von Kleinstunternehmern, die plötzlich vor dem Nichts stehen und sofort Geld brauchen.
Wie ein Boomerang
Und genau in dieser Situation kommt eine Idee daher: das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Dieses alte Konzept war eine Zeit lang eine populäre Antwort auf die zunehmende Automatisierung. wenn Roboter unsere Jobs übernehmen, dann wirft ihre Leistung genug Geld ab, dass wir Menschen auszahlen können, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Nun kommt die BGE-Idee in der Corona-Krise wie ein Boomerang zurück.
Der republikanische US-Senator Mitt Romney hat die Idee des BGE aufgegriffen und fordert in der aktuellen Krise, dass jeder Erwachsene in den USA einmalig einen Scheck von 1.000 Dollar bekommen sollte, um damit kurzfristig die Ausgaben für ihre Familien decken zu können. Das solle gleichzeitig auch dafür sorgen, dass weiter Geld ausgegeben wird, um die Wirtschaft am Leben zu erhalten.
1.000 Dollar für jeden Amerikaner
„Jeder amerikanische Erwachsene sollte sofort einen einmaligen Scheck über 1.000 Dollar erhalten, um sicherzustellen, dass Familien und Arbeiter ihren kurzfristigen Verpflichtungen nachkommen und die Ausgaben in der Wirtschaft erhöhen können“, so Romney in einer Aussendung. „Der Kongress hat während der Rezessionen 2001 und 2008 ähnliche Maßnahmen ergriffen. Zwar sind Erweiterungen des bezahlten Urlaubs, der Arbeitslosenversicherung und der SNAP-Leistungen (Supplemental Nutrition Assistance Program, ein Lebensmittelhilfe-
Romney ist in den USA immer noch eine Stimme, der viele zuhören. Er war der Kandidat der Republikanischen Partei für die US-Präsidentschaftswahl 2012, bei der er Barack Obama unterlag. Romney schert in seiner Meinung aber auch immer wieder aus der Linie der Republikaner aus – so hat er etwa für die Amtsenthebung von US-Präsident Donald Trump gestimmt.
Abbau des Sozialstaats?
In den USA haben sich in den letzten Jahren etwa Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, Microsoft-Legende Bill Gates, Tesla-Chef Elon Musk, NSA-Whistlebower Edward Snowden oder der Risikokapitalgeber Tim Draper für das BGE ausgesprochen. Facebook zahlt seinen 45.000 Mitarbeitern dieses Jahr sogar jeweils 1.000 Dollar aus, damit sie den finanziellen Impact der Corona-Krise besser abfedern können.
Einfach Geld auf ein Problem werfen: In den USA fällt die BGE-Idee oft auf fruchtbaren Boden. Denn anders als europäische Gesundheitssysteme stellt sich dort schnell die Frage, wer die etwaige Spitalsrechnung bezahlt, wenn man sich nicht selbst versichert hat (immerhin sollen die Amerikaner kostenlos die Coronavirus-Tests bekommen).
In Europa hingegen sind viele skeptisch, was das BGE angeht. Viele fürchten dahinter das Ende des in Europa gut ausgebauten Sozialstaats. Anstatt gezielt Leistungen für Arbeitslosigkeit etc. zu verteilen, ist vollkommen unklar, wie Menschen mit (sagen wir mal) 1.000 Euro im Monat umgehen. Sorgen sie damit für ihre Gesundheit, oder kaufen sie damit Computerspiele?
Bisher keine Erfolge
Nichtsdestotrotz hat es in Europa bisher einige Experimente und Versuche mit dem BGE gegeben. In Finnland wurde ein Experiment diesbezüglich wieder abgeblasen, in der Schweiz entschied sich das Volk in einer Abstimmung deutlich gegen eine Einführung. In Österreich versuchte ein Verein, das BGE per Volksbegehren zur Behandlung in den Nationalrat zu schicken, scheiterte aber deutlich an der dafür notwendigen Zahl der Unterschriften. Die Forderung waren 1.200 Euro pro Monat für jeden Bürger, finanziert über eine neue Steuer auf Finanztransaktionen (mehr dazu hier).
Doch auch in Europa erfährt die BGE-Idee nun eine Wiedergeburt. Immer mehr Menschen posten in Social Media diesbezüglich ihre Ideen, Kommentatoren in Online-Zeitungen nehmen die Diskussion wieder auf.
Idee rührt sich in Deutschland wieder
Simone Barrientos, die kulturpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion in Deutschland, hat bereits unbürokratische Soforthilfe für freiberufliche Künstler gefordert – und zwar in Form eines zeitlich begrenzten Bedingungslosen Grundeinkommen in der Höhe von 1.500 Euro pro Monat vor. Das Problem für Künstler ist derzeit, dass Maßnahmen zu einem Kurzarbeitergeld für sie nicht greifen, weil sie meist Freiberufler sind.
In Deutschland haben Joy Ponader (ehemals bei der Piratenpartei) und Laura Brämswig mit ihrem Verein „Expedition Grundeinkommen“ das Ziel, einen Modellversuch für das BGE zu erreichen und sammeln dafür Unterschriften. „Wenn wir erfolgreich sind, wird 2021 in bis zu fünf Bundesländern über das Grundeinkommen abgestimmt. Überall, wo sich genügend Menschen dafür aussprechen, wird das bedingungslose Grundeinkommen dann ab 2023 offiziell getestet“, heißt es seitens der Initiatoren.